"Haben unser letztes Hemd zerrissen"

Von Interview: Bärbel Mees
Dominik Klein spielt seit 2007 beim THW Kiel
© Getty

Dank einer fulminanten zweiten Halbzeit besiegte der THW Kiel im Champions-League-Finale den FC Barcelona mit 36:34 und setzte sich zum zweiten Mal nach 2007 Europas Krone auf. Bei SPOX spricht Dominik Klein über den Wendepunkt im Spiel, die Feier danach und er erklärt, warum er unbedingt eine Gastrolle im Stromberg-Film haben möchte.

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SPOX: Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn der Champions League. Wie geht es Ihnen einen Tag danach?

Dominik Klein: Sehr gut, aber Sie hören vielleicht an meiner Stimme, dass ich mit der Mannschaft das ein oder andere Liedchen angestimmt habe. Wir hatten wenig Schlaf, deshalb muss ich nach diesem Interview dringend wieder ins Bett.

SPOX: Wie hat das Team den Abend nach dem Triumph verbracht?

Klein: Es ist ja so: Entweder zieht man solche Feiern konsequent durch und geht gar nicht schlafen oder man macht für ein oder zwei Stunden die Augen zu. Ich habe Letzteres versucht, aber jetzt bin ich trotzdem noch gerädert. Dabei waren wir nur zusammen essen und haben versucht, das Ganze ein bisschen sacken zu lassen. Aber im Ernst: Man kann es gar nicht fassen. Selbst jetzt, da ich zuhause angekommen bin, schüttle ich noch den Kopf. Wir wurden bei unserer Ankunft vom Verein empfangen und die Fans haben sich bei uns für das tolle Wochenende bedankt.

SPOX: Zeitweise lag Kiel mit sechs Toren zurück - haben Sie irgendwann den Glauben daran verloren, dass Sie das Spiel noch einmal umbiegen können?

Klein: Wenn wir den Glauben verloren hätten, hätten wir es nicht umbiegen können. Wir haben wieder einmal gezeigt, was für charakterstarke Spieler wir in unseren Reihen haben. Jeder gibt alles für den Verein, alles für die Mannschaft. Wir haben wirklich unser letztes Hemd für diesen Sieg zerrissen.

SPOX: Wie haben Sie die letzten Kräfte mobilisiert?

Klein: Ich kann es Ihnen nicht sagen. Wir haben uns nach dem Spiel angeschaut und sagten uns: "Was ist denn hier gerade passiert? Wie haben wir das denn noch herumgerissen?" Jeder, der von der Bank kam, hat etwas Positives dazu beigetragen, dass die Mannschaft nach vorne kam. Entscheidend war, dass Thierry Omeyer die Kiste zugenagelt hat. Dadurch kamen wir wieder ins Spiel. Die letzten zehn Minuten stand die Halle Kopf - ich glaube, kein einziger Zuschauer saß mehr auf seinem Platz.

SPOX: Welchen Anteil hatten die Fans am Sieg?

Klein: Das lässt sich nicht in Worte oder Werte fassen. Es ist ein Geben und ein Nehmen, eine Art Wechselwirkung zwischen dem, was die Zuschauer geben und dem, was man selbst leistet. Wenn wir emotional präsent sind, dann spüren das die Fans und geben viel zurück. Aber dass wir nach dem Halbfinale nochmals so eine Energieleistung abliefern konnten, hätte keiner für möglich gehalten und da haben unsere Fans schon den einen oder anderen Prozentpunkt aus uns herausgekitzelt.

SPOX: Was wurde in der Halbzeit im Team besprochen?

Klein: Wir wussten, dass wir in der ersten Hälfte nicht gut gespielt haben, aber auch, dass wir es noch schaffen können. Leider sah es nach der Pause erst mal nicht so aus, als könnten wir das Spiel noch drehen, doch das ist eben der Charakter der Mannschaft.

SPOX: Das unfassbare Tor von Christian Zeitz nach dem Freiwurf zum 29:29 war eine Szene des Spiels - einfach ein immens wichtiges Tor. War das der entscheidende Impuls?

Klein: Ich habe das Tor leider gar nicht gesehen, denn ich war noch mit den Fans und der Mannschaft auf der Bank beschäftigt. Aber es war ein wahnsinnig emotionaler Moment. Die Routine von Christian Zeitz sieht man besonders an diesem Tor. Wir alle wissen, was wir an ihm haben und was er seit Jahren für den Verein leistet. Er kann ein Spiel drehen - und das hat er eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

SPOX: Sie haben auch fünfmal getroffen. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Leistung am Wochenende?

Klein: Ich kriege gerade Gänsehaut, wenn ich an die Spiele zurückdenke. Letztendlich ist es nicht wichtig, wer die Treffer erzielt. Ich habe versucht, durch meine Präsenz auf dem Feld zu helfen. Das ist mir gelungen und es freut mich natürlich sehr, auch einen Teil zum Sieg beigetragen zu haben.

SPOX: Sie haben das Ritual, dass Sie vor jedem Spiel kalt duschen. Hat offenbar geholfen...

Klein: (lacht) Das haben Sie sich gut gemerkt. Aber das Ritual ist inzwischen etwas verflogen. Ich versuche eher, mich auf meine mentale Stärke zu besinnen. Es ist nur noch tagesformabhängig, ob ich davor kalt dusche oder nicht.

SPOX: Auf Kiel wartet eine harte Woche. Der THW muss die letzten beiden Bundesliga-Spiele gewinnen, um Meister zu werden. Ist der Champions-League-Sieg eine zusätzliche Motivation?

Klein: Wir haben das ganze Jahr für die Meisterschaft trainiert und uns den Arsch aufgerissen, von daher begnügen wir uns jetzt nicht mit dem Gewinn der Champions League. Wir haben den Titel selbst in der Hand und wollen jetzt natürlich noch eins oben draufsetzen. Keiner zieht die Handbremse an, alle fokussieren sich auf die letzten beiden Spiele.

SPOX: Wie sehr geht der Stress an die Substanz?

Klein: Vor allem nach diesem Wochenende merkt man es extrem: Wir haben zwei spanische Top-Mannschaften niedergekämpft - und das zehrt natürlich. Aber wir haben einen guten Kader, den wir für die letzten beiden Spiele auch noch einmal ausschöpfen werden.

SPOX: Was macht Kiel so außergewöhnlich stark?

Klein: Jeden, der so eine Frage stellt, möchte man am liebsten hierher einladen, damit er das Team mal kennenlernt. Es ist ein unglaublicher Mannschaftsgeist, der hier herrscht. Außerdem haben wir sehr großen Respekt untereinander. Hier steht jeder auf einer Ebene.

SPOX: Unternehmen Sie denn auch privat etwas miteinander?

Klein: Natürlich, wir gehen zusammen essen und versuchen, die Freundschaften auch außerhalb des Spielfeldes zu pflegen.

SPOX: Welche Ziele und Träume bleiben noch?

Klein: Es ist die absolut höchste Motivation, am Saisonende mit 20.000 Fans gemeinsam zu feiern. Wir hatten einen kleinen Vorgeschmack mit ein paar hundert Fans. Das wollen wir nächste Woche noch einmal toppen.

SPOX: Wie belohnen Sie sich nach der Saison selbst?

Klein: Urlaub ist das größte Wort, das sich ein Handballer während der Saison vorstellen kann. Ich werde auf der AIDA liegen und mich entspannen. Das wird meine größte Belohnung in diesem Sommer.

SPOX: Also Kreuzfahrtschiff anstatt ein Filmdreh. Sie wollten bei Stromberg mal eine kleine Rolle spielen. 2011 soll der Film rauskommen. Sie spielen also nicht mit?

Klein: Von dem Film höre ich zum ersten Mal, aber wenn ich meine Bewerbung noch irgendwo abgeben kann, mache ich das sofort. Innerhalb der Nationalmannschaft haben wir uns die Staffeln gemeinsam angeschaut. Es ist einfach ein Humor, über den man gerne lacht.

Kiel gewinnt die Champions League