"Hamburg ist im Vorteil"

Von Interview: Felix Götz
Stefan Lövgren (r.) spielte von 1999 bis 2009 für den THW Kiel
© Imago

In Kiel ist Stefan Lövgren längst eine lebende Legende. Der Schwede trug insgesamt zehn Jahre lang das Trikot des THW, wurde mit den Norddeutschen sieben Mal Deutscher Meister, vier Mal Pokalsieger und gewann 2007 die Champions League. Zum Ende der vergangenen Saison beendete der 39-Jährige seine Karriere und zog mit seiner Familie zurück nach Schweden. SPOX sprach mit dem 268-maligen Nationalspieler über das Titelrennen seines Ex-Klubs mit dem HSV Hamburg und sein neues Leben.

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Wieso hat Kiel in dieser Saison solche Probleme - und warum kann Hamburg nicht immer davon profitieren? SPOX sprach mit der Kieler Legende Stefan Lövgren über Vorteile des HSV, einen THW im Umbruch und sein neues Leben ohne den Profi-Handball.

SPOX: Herr Lövgren, seit neun Monaten sind Sie wieder in Schweden. Wie geht es Ihnen und wie lebt es sich ohne Profi-Handball?

Stefan Lövgren: Mir geht es sehr gut. Ich kommentiere für das schwedische Fernsehen die Bundesliga und die schwedische Liga. Zudem trainiere ich Jugendliche in einem Handball-Gymnasium. Von daher muss ich, auch wenn ich nicht mehr selbst spiele, nicht ganz ohne Handball auskommen.

SPOX: Macht das Unterrichten Spaß?

Lövgren: Das macht unheimlich viel Spaß. Ich arbeite mit 19-Jährigen zusammen und es ist toll, deren individuelle Entwicklung zu verfolgen.

SPOX: Haben Sie dabei schon einen zweiten Stefan Lövgren entdeckt?

Lövgren (lacht): Ich weiß ja nicht, wie ich in dem Alter ausgesehen habe. Das ist schon so lange her. Es sind schon einige Talente dabei, aber eine genaue Entwicklung kann man nie vorhersagen.

SPOX: Sie haben zudem mit dem ehemaligen THW-Spieler Martin Schmidt eine Spielerberater-Agentur. Wie sehr füllt Sie das aus?

Lövgren: Das läuft ganz gut. Wir betreuen Spieler aus Skandinavien und Deutschland. Vor allem sind das jüngere Spieler, manche sind aber auch bereits bei Spitzenvereinen. Zudem beraten wir ein paar Vereine in Sachen Marketing.

SPOX: Verraten Sie uns ein paar Namen, die zu Ihren Klienten gehören?

Lövgren: Nein. Das sollen die Spieler selbst machen, falls sie das wollen.

SPOX: Vermissen Sie die Zeit als Aktiver?

Lövgren: Ich war gut auf die Zeit danach vorbereitet. Ich bin mit meiner Entscheidung aufzuhören, zufrieden. Obwohl ich zugeben muss, dass es immer noch ein wenig kribbelt, wenn man die Topspiele sieht.

SPOX: Waren Sie seit Ihrem Abschiedsspiel im vergangenen August mal wieder in Kiel?

Lövgren: Ja, schon ein paar Mal. Ich habe auch Spiele vom THW gesehen. Handball ist nach wie vor ein großer Teil meines Lebens.

SPOX: Damit wären wir auch schon bei Ihrem Ex-Verein. Der THW Kiel strahlt nicht mehr dieselbe Dominanz wie beispielsweise in der vergangenen Saison aus. Hat der Klub schon versucht, Sie zum Comeback zu überreden?

Lövgren (lacht): Nein. Die Kieler wissen, dass es kein Comeback geben wird. Aber im Ernst: Der Verein befindet sich im Umbruch. Mit Nikola Karabatic und mir sind zwei Spieler, die lange im Verein waren, gleichzeitig gegangen. Das ist nicht so einfach. Zudem hat die Konkurrenz ordentlich zugelegt.

SPOX: Hat man in Kiel die Folgen des Umbruchs ein wenig unterschätzt?

Lövgren: Der THW wusste, dass es schwer wird. Sie haben das sicher nicht unterschätzt und haben auch gute Spieler geholt. Ich sehe das nicht so dramatisch. Schließlich ist Kiel immer noch oben dabei.

SPOX: Also wird der THW noch Meister?

Lövgren: Die Möglichkeit besteht nach wie vor, obwohl Hamburg natürlich im Vorteil ist.

SPOX: Haben der HSV und Kiel so ausgeglichene Kader, dass es auf die Tagesform ankommt, oder hat da ein Team die Nase vorn?

Lövgren: Der HSV hat den Vorteil, dass sie schon länger zusammen spielen. Insgesamt weiß ich aber nicht, was ich noch glauben soll. Der HSV lässt hier Punkte liegen, der THW dann wieder da. Beide Teams sind nicht richtig konstant. Das direkte Duell wird vermutlich den Ausschlag geben. Es wird das Spiel der Spiele.

SPOX: Ein Typ wie Sie könnte den Unterschied ausmachen. Alfred Gislason hat kürzlich gesagt, der 19-jährige Isländer Aron Palmarsson sei Ihnen sehr ähnlich. Was halten Sie von ihm?

Lövgren: Ich war in Arons Alter noch nicht so weit. Und er hat auch mehr Talent als ich. Er hat wirklich alles, was man braucht. Er macht das sensationell. Aber ...

SPOX: Ja, bitte.

Lövgren: Man muss Alfred schon mal fragen, was er eigentlich damit meint, wenn er sagt, wir seien uns ähnlich. Der eine hat blonde Haare, der andere hat dunkle Haare. Aron ist jung und ich bin alt. Wir sind uns also gar nicht so ähnlich.

SPOX: In der Bundesliga bleibt es also spannend. Was die Nationalteams betrifft, haben sowohl Ihre langjährige Wahlheimat Deutschland als auch Schweden Probleme. Sie kennen den Handball in beiden Ländern ganz genau. Warum tun sich diese beiden Handball-Nationen in letzter Zeit so schwer?

Lövgren: Bei beiden Mannschaften findet derzeit ein großer Umbruch statt. So was ist immer mit Leistungsschwankungen verbunden. Aber ich muss schon sagen, dass mich bei der EM die Spielidee und die Taktik beider Teams enttäuscht hat.

SPOX: Wofür die Trainer verantwortlich sind...

Lövgren: Zunächst sind dafür auch die Spieler mitverantwortlich. Aber es hängt natürlich davon ab, ob der Trainer es schafft, nach so einem Turnier eine neue Spielidee zu entwickeln. Gelingt das nicht, muss man sich als Verband überlegen, ob man handelt.

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