"Ein bisschen mehr Papa sein"

Von Interview: Bärbel Mees
Lars Christiansen wurde 2008 mit der dänischen Nationalmannschaft Europameister
© Getty

Lars Christiansen gehört zu den besten Handballern der Welt. Seit 14 Jahren spielt er als Linksaußen für die SG Flensburg-Handewitt und führte sein Team zum Meistertitel und drei Pokalsiegen. Nach der Saison geht er zurück nach Dänemark. Im Interview mit SPOX spricht der Däne über seinen Lieblingsfilm "Herr der Ringe", die Lieblingssportarten seines Sohnes und die Gründe für seinen Wechsel.

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SPOX: Herr Christiansen, Sie sind ja schwer zu erreichen.

Lars Christiansen: Ja, mich zu erreichen, ist nicht so einfach. Ich habe gerade so viel zu tun. Ich ziehe um und ein bisschen hat es auch mit meiner privaten Situation zu tun. Deswegen bin ich zurzeit auch sehr viel mit meinem Sohn Frederik zusammen. Und gerade, als Sie angerufen haben, war ich mit meinem Sohn im Kindergarten. Der wird an Weihnachten vier Jahre alt.

SPOX: Sie ziehen also um? Und wohin geht's?

Christiansen: Ich ziehe in eine neue Wohnung in Flensburg. Deswegen habe ich gerade so viel zu erledigen. Aber ich ziehe ja nur für acht Monate dahin und dann gehe ich für meine Familie zurück nach Dänemark. Dort werde ich zwei bis drei Jahre noch ein bisschen Handball spielen. Ich war jetzt 14 Jahre in Flensburg, da sollte mal was Neues passieren. Jetzt ist die Zeit dafür da. Ich merke, dass ich das gegeben habe, was ich geben kann.

SPOX: Aber Sie verlassen Flensburg nach der Saison bestimmt auch mit einem weinenden Auge, oder?

Christiansen: Klar, irgendwie schon. Flensburg ist meine Heimat. Ich kam als kleiner Junge in diese Stadt und habe ein ganz spezielles Verhältnis und Gefühl zu Flensburg. Deswegen bin ich auch immer dem Verein treu geblieben. Das ganze Umfeld, die Fans, die Freunde - es wird ein harter Schlag von hier wegzugehen. Die Menschen in Flensburg waren immer für mich da und jetzt ist die Geschichte zu Ende und man muss das Buch zuschlagen. Aber ich habe ein ganz gutes Gefühl damit und mir ist es lieber, dass ich die Entscheidung treffe, als dass der Verein sagt, dass er mich nicht mehr haben möchte. Mir geht es ganz gut mit der Entscheidung und ich bin bereit für einen neuen Lebensabschnitt. Ich habe mir das schon längere Zeit überlegt.

SPOX: Man darf ja nicht vergessen, dass Sie auch schon 37 Jahre alt sind. Merken Sie so langsam das Alter?

Christiansen: (lacht) Nein, ganz ehrlich nicht. Ich bin noch topfit. Ich habe auch immer Glück gehabt und bin ohne schwere Verletzungen durch meine Karriere gekommen. Deshalb geht es mir echt gut. Ich habe auch keine Bedenken, dass ich noch zwei, drei Jahre lang in Dänemark mit Vollgas spielen kann. Ich bin noch nicht bereit, komplett mit dem Handball aufzuhören.

SPOX: Aber der Hauptgrund für Ihren Wechsel nach Dänemark ist Ihre Familie?

Christiansen: Ja, ich möchte vor allem mehr Zeit mit meinem Sohn verbringen. Ich bin jetzt an einem Punkt, wo ich Prioritäten setzen muss. Und ich möchte, dass mein Sohn auch merkt, dass der Papa da ist. Das große Problem ist, dass man in Deutschland einige Tage von zu Hause weg ist, wenn man ein Spiel hat.

SPOX: Und in Dänemark ist das anders?

Christiansen: Ja, für ein Spiel brauchst du maximal drei Stunden, weil du an einem Tag hin- und zurückfährst. Das ist ein ganz anderes Leben dort, und ich freue mich darauf, dass wieder mehr Normalität einkehrt. In Dänemark trainiert man außerdem früher am Tag, so dass der Abend frei ist. Das ist für Familien natürlich optimal.

SPOX: Wie werden Sie dann Ihre neu gewonnene Freizeit nutzen?

Christiansen: Ich werde ein bisschen mehr Papa sein und ich will auch mehr mitkriegen von meinem Sohn. Zum Beispiel will ich einfach mal auf eine Tour mit dem Kindergarten mitfahren. Es geht um ganz einfache Sachen. Dass man abends ganz normal wie eine Familie zusammensitzen kann und das Abendessen zusammen verbringt. Oder sonntags mit meinem Sohn zum Sport zu gehen. Momentan ist das sehr schwer, weil ich die Zeit dafür nicht habe.

SPOX: Ihre Frau spielte auch in der dänischen Handball-Nationalmannschaft und Sie sind zudem ausgebildeter Sportlehrer. Da macht ihr Sohn doch bestimmt auch schon Sport, oder?

Christiansen: Er ist noch zu jung. Obwohl, er spielt Fußball, das ist einfach, wenn man so klein ist. Und er springt ein bisschen auf dem Trampolin herum. Jeder sagt natürlich, dass er bei diesen Eltern Handball spielen soll. Aber das soll er selbst bestimmen. Die Zeit kommt, wenn sie kommt. Ich werde nichts sagen und er soll machen, worauf er Lust hat. So bin ich auch selber groß geworden. Ich hatte die Freiheit, viele Sachen zu probieren. Und so wird es auch bei uns sein.

SPOX: Lassen Sie uns über die Saison sprechen: Es läuft ganz gut für Flensburg. In Ihrem Steckbrief sagen Sie, Ihr Ziel ist Erfolg. Was bedeutet das konkret für diese Saison?

Christiansen: In Flensburg war es immer so, dass wir ganz oben mitgespielt haben. Aber im letzten Jahr waren wir kein Favorit mehr, und wir sind es auch in dieser Saison nicht. Es stimmt, dass wir einen guten Start hatten, aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass wir um die ersten drei Plätze mitspielen können. Das ist nicht realistisch.

SPOX: In der vergangenen Saison sprang am Ende Rang fünf heraus. Sie sagen selbst, dass auch diese Saison nicht viel mehr drin ist. Wie schwer ist es, das realistisch einzuschätzen?

Christiansen: Es gibt einfach ein paar Mannschaften, die unglaublich stark sind. Wir stehen eine Stufe unter ihnen. Das ist natürlich auch für mich als Spieler schwer, damit zu leben. Da spielt man immer ganz oben mit und dann findet man sich im Mittelfeld wieder - und damit soll man dann zufrieden sein. Ich bin nicht zufrieden, aber es ist eben die Realität.

SPOX: Wie wird denn die Mannschaft Ihren Weggang nächstes Jahr verkraften?

Christiansen: Das weiß ich nicht, das muss man sehen. Einfach wird es nicht, schließlich gehöre ich wie ein Stempel auf dem Papier zu Flensburg. Aber alles endet irgendwann. Ich habe auch selbst von Anfang an meinen Nachfolger mit ausgewählt und empfohlen, dass man Anders Eggert verpflichten soll. Ich glaube er hat alles, was man braucht, um diese Position zu übernehmen. Es ist auch klar, dass er am Anfang immer mit mir verglichen werden wird, aber er hat den Charakter, um das zu überleben.

SPOX: Sie haben Ihre Einstellung zum Handball angesprochen: Woher nehmen Sie die Motivation, so viele Jahre auf Top-Niveau zu spielen?

Christiansen: Die Spiele motivieren mich und die ganze Party. Handball ist eine Show. Du bekommst diesen Kick, wenn du aufs Feld läufst und die Fans schreien und die Gegner gegen dich sind. Was mich aber am meisten motiviert, ist, dass ich immer versuche, besser zu werden. Man kann ein ausgereifter Handballer sein, aber man kann sich immer selbst noch ein bisschen provozieren. Man braucht aber auch die Freiheit, das im Spiel ausprobieren zu können. Ich hatte immer das Glück, Trainer zu haben, die das geduldet haben. Dieses Frechsein, dieses Ausleben auf dem Feld. Das gibt mir den Kick und die Motivation und das genieße ich. Außerdem ich bin ein sehr sozialer Mensch. Für mich ist das ein Traum, dass man eine Mannschaft ist. Man macht alles zusammen, man versucht 16 Individualisten als Mannschaft zu formen und das Maximale herauszukitzeln.

SPOX: Flensburg ist zwar nicht dabei, aber Sie werden es trotzdem verfolgen: Wer ist Ihrer Meinung nach der Favorit für die Champions League in diesem Jahr?

Christiansen: Zu allererst ganz klar Kiel. Der THW hat wieder eine super Mannschaft. Die Kieler holen immer das Maximale aus sich raus. Sie werden wieder Meister werden und in der Champions League ins Finale kommen, wo sie dann auf Barcelona treffen werden. Ciudad Real darf man auch nicht vergessen, aber ich glaube, dass sie mit Olafur Stefansson einen großen Verlust gehabt haben. Deswegen sind Barcelona und Kiel meine Topfavoriten auf den Titel.

SPOX: Letzte Frage: Ihr größtes Hobby sind Filme. Welchen haben Sie denn zuletzt gesehen?

Christiansen: Der letzte Film? Da muss ich mal nachdenken. Ich war im Kino, aber was für einen Film habe ich denn geschaut, ich muss überlegen...

SPOX: ...so gut kann er dann ja nicht gewesen sein.

Christiansen: Doch, er war richtig gut. Aber ich gucke sehr viele Filme, vor allem wenn wir mit der Mannschaft im Bus unterwegs sind. Aber was habe ich im Kino gesehen? Ich weiß es wirklich nicht mehr. Grundsätzlich schaue ich alle Genres. "Herr der Ringe", fand ich zum Beispiel sehr gut. Ich habe gehört, dass "Inglorious Bastards" von Tarantino Wahnsinn sein soll, aber den habe ich noch nicht gesehen. Aber in zwei Tagen muss ich ins Kino, denn da läuft "Das Mädchen, das mit dem Feuer spielt". Das ist ein schwedischer Film, der drei Teile hat. Den ersten habe ich schon gesehen, der war unglaublich. Und jetzt ist gerade der zweite in Dänemark rausgekommen - da werde ich reingehen.

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