Nach einer Aufsichtsratssitzung am Dienstag in Hamburg mit Vertretern des Liga-Verbandes und THW-Manager Uwe Schwenker schienen die Vorwürfe gegen den Branchenprimus bereits entkräftet. "In der Sitzung hat es keinerlei Anhaltspunkte gegeben, dass irgendwas an den Vorwürfen dran ist. Damit ist die Sache für uns erledigt", gab Schwenker bekannt.
Wenige Stunden später hörte sich das Ergebnis der Krisensitzung aus dem Mund von Aufsichtsratschef Manfred Werner jedoch ganz anders an. "Der Aufsichtsrat hat ausführlich diskutiert und sieht noch weiteren Informationsbedarf", sagte er. HSV-Präsident Andreas Rudolph, ebenso Mitglied des Aufsichtsrats, fügte hinzu: "Der Sachverhalt ist noch nicht geklärt. Wir wissen nicht, ob eine Bestechung vorliegt. Wir müssen erst mal feststellen: Sind die Vorfälle berechtigt und woher kommen sie?"
Dem THW Kiel wird die Manipulation von Spielen auf dem internationalen Parkett seit 2000 vorgeworfen, unter anderem steht das Champions-League-Finale von 2007 gegen die SG Flensburg Handewitt im Fokus. Der THW soll sich den Sieg für 50.000 Euro erkauft haben. Ein "Worst Case Scenario", das plötzlich wieder ganz nah scheint.
Enormer Imageschaden
Ungeachtet der weiteren Entwicklungen steht eines bereits jetzt fest: Die Diskussionen um angebliche Spielmanipulationen des deutschen Rekordmeisters haben dem Handballsport erheblichen Image-Schaden zugefügt. So erklärte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann vielsagend: "Ich hätte mir eine interne Aufarbeitung der Vorwürfe gewünscht."
Diese Schelte richtet sich ganz offensichtlich gegen Aufsichtsratmitglied Dieter Matheis, der brisanterweise zugleich Gesellschafter des Liga-Konkurrenten Rhein-Neckar Löwen ist. Statt das explosive Thema bei einer Aufsichtsratssitzung auf den Tagesplan zu bringen, hatte Matheis den öffentlichen Weg gewählt.
Mit der Aufforderung an Schwenker, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen, hatte er die Lawine ins Rollen gebracht.
PR-Kampagne der Rhein-Neckar Löwen?
Auch die Konkurrenz hat kein Verständnis für die Vorgehensweise Matheis' und spekuliert über eine mögliche PR-Kampagne der Löwen. Auch wenn der Gescholtene selbst beteuert, er habe ausschließlich in seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied gehandelt.
"Dass man nicht versucht hat, so etwas im stillen Kämmerlein erst einmal zu prüfen, bevor es an die Öffentlichkeit gelangt, wundert mich schon. Gerade die Rhein-Neckar Löwen, der THW Kiel, gerade wieder Noka Serdarusic. Da fragt man sich, ob da Methode dahinter steht", sagte der Manager der SG Flensburg-Handewitt Fynn Holpert zu SPOX.
Er selbst habe von derartigen Verdachtsmomenten, wie sie Matheis zu Ohren gekommen waren, noch nie gehört. "Natürlich wird in der Handball-Szene immer mal gemunkelt", sagte Holpert. Dies liege aber vorrangig daran, dass IHF-Präsident Hassan Moustafa sich seit Jahren mit Bestechungsvorwürfen konfrontiert sieht.
"Aber hier in Handball-Europa kenne ich keinen Vorwurf und auch keinen Verdacht. Ich kann ganz klar verneinen, dass ich weiß, dass es hier so ein Gebaren bisher gegeben hat."
Rache für Karabatic?
Böse Zungen könnten gar von einem Rachefeldzug der Löwen gegen den THW sprechen. Nachdem der geschasste Noka Serdarusic als Trainer in Mannheim unterschrieben hatte, setzte der Verein alles daran, Welthandballer Nikola Karabatic aus Kiel loszueisen. Der Transfer scheiterte bislang jedoch an utopischen Ablöseforderungen des Rekordmeisters. Grund genug, um Unruhe zu stiften? Zumindest kursiert das Gerücht, Serdarusic sinne nach seiner Entlassung in Kiel auf Rache.
Holpert glaubt daran jedoch nicht. "Das ist alles Spekulation. Das möchte ich nicht kommentieren, weil ich die Zusammenhänge nicht kenne."
Dennoch sieht der Manager der Flensburger den Retorten-Klub im Abseits. "Das ist definitiv so. Eine Behauptung einfach so zu veröffentlichen, schadet unserer Sportart und sicherlich auch den Rhein-Neckar Löwen, die ja eh kein gutes Image haben."
Unsympathische Löwen
Vor allem die aggressive Medienarbeit des Neulings widerstrebt dem 42-Jährigen.
"Es wird dort alles so laut gemacht. Es wurde vermeldet, dass Holger Glandorf verpflichtet wurde, dann ist er doch nach Lemgo gegangen. Dann die Sache mit Noka Serdarusic und Nikola Karabatic. Natürlich erlangt man so eine Bekanntheit. Und wenn das alles ein PR-Konzept gewesen ist, dann hat es sicherlich auch seine Berechtigung. Aber in einer so traditionsbehafteten Sportart gibt es für einen Verein auch andere Möglichkeiten. Das hat beispielsweise der HSV besser gemacht - und sympathischer."
Löwen-Gesellschafter bekräftigt Vorwürfe
Die Löwen fühlen sich in ihrer Rolle als Prügelknaben jedoch offensichtlich wohl. So goss der dänische Gesellschafter Jesper Nielsen in einem TV-Interview erneut Öl ins Feuer: "Wir wissen, dass es rund um die Champions-League-Spiele des THW Kiel Unregelmäßigkeiten gegeben hat." Dieses Wissen basiere auf Aussagen von "Schlüsselpersonen innerhalb des THW Kiel und aus dessen Umfeld".
Dieser Sachverhalt - und nicht die kommunizierten gesundheitlichen Gründe - soll laut Nielsen auch der wahre Grund für Serdarusics Vertragsauflösung bei den Löwen gewesen sein.