Kehrmann: "Die Dänen haben auch Probleme"

Von Interview: Daniel Börlein
Bei der EM 2008 scheiterte Deutschland im Halbfinale an Dänemark
© Getty

Der Krimi gegen Norwegen plus der anschließende Wutausbruch von Bundestrainer Heiner Brand ist gerade so verdaut. Nun geht es für die DHB-Auswahl gegen Dänemark (17.15 Uhr im LIVE-TICKER) um den Halbfinal-Einzug. Ohne Spielmacher Michael Kraus und womöglich auch ohne Pascal Hens. Mit einem Sieg steht das deutsche Team sicher in der Runde der letzten vier Teams, bei einem Remis oder einer Niederlage muss Deutschland auf den Ausgang der anderen Partien schauen.

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Florian Kehrmann weiß, wie man gegen Dänemark gewinnt, der 212-malige Nationalspieler hat gegen die Skandinavier allerdings auch schon bittere Niederlagen kassiert.

Im SPOX-Interview spricht der Welt- und Europameister über die letzten Sekunden gegen Norwegen, den wild gewordenen Heiner Brand und erklärt, wer Mimi Kraus ersetzt und wie man gegen Dänemark bestehen kann. Dabei hat er eine große Hoffnung.

SPOX: Herr Kehrmann, Sie sind dieses Mal bei der WM nicht als Aktiver dabei. Wie aktiv waren Sie in den Schlusssekunden gegen Norwegen zu Hause auf der Couch?

Kehrmann: Ich habe ganz gemütlich bei Freunden geguckt. Und natürlich haben wir uns im ersten Moment auch richtig aufgeregt. Aber dass wir das Spiel wahrscheinlich verlieren werden, war meiner Meinung nach, schon früh abzusehen.

SPOX: Weshalb?

Kehrmann: Weil wir einfach zu viele Chancen liegen gelassen haben und nicht konsequent genug gespielt haben. Dass man am Ende noch mal die Chance bekommt, war dann doch eher Zufall.

SPOX: Diese letzte Chance haben die Schiedsrichter dem deutschen Team dann allerdings zunichte gemacht. Hinterher gab es fast Tumulte, Markus Baur warf den Unparteiischen vor, während der WM gerne in Kneipen unterwegs zu sein.

Kehrmann: Ob da wirklich was dran ist, weiß ich nicht. Das hat er wohl eher aus der Emotion heraus gesagt. Er hat sicher Recht, dass die Schiedsrichter insgesamt bei dieser WM keine guten Leistungen bringen. Gegen Norwegen war die Schiedsrichterleistung meiner Meinung nach aber bis auf die letzten 30 Sekunden okay. Kurz vor dem Ende wäre dann sicher mehr Fingerspitzengefühl gefragt gewesen.

SPOX: Heiner Brand stürmte unmittelbar nach dem Schlusspfiff mit erhobener Faust auf den Schiedsrichter zu. Haben Sie ihn schon mal so gesehen?

Kehrmann: So extrem habe ich ihn wirklich noch nicht erlebt. Als wir mal bei einem Freundschaftsturnier gegen Polen angetreten sind und die so hart gespielt haben, dass sich bei uns Spieler verletzt haben, war er auch sehr aufgebracht gegen Polens Trainer Bogdan Wenta. Aber so wie jetzt war das natürlich nicht.

SPOX: Gegen Norwegen haben sich nun mit Michael Kraus und Pascal Hens ja auch zwei Spieler verletzt. Ist Brand vielleicht auch deshalb so ausgerastet?

Kehrmann: Da kam sicher alles zusammen. Ich denke, dass ihn vor allem erbost hat, dass Hens immer wieder in der Luft angegangen wurde. Bei Mimis Verletzung muss man ehrlich sagen, dass es ein Allerweltsfoul war. So etwas passiert immer wieder. Da kann man dem Abwehrspieler keinen Vorwurf machen.

SPOX: Mit Kraus fällt nun der Kapitän und Spielmacher aus. Wie kann man seinen Ausfall kompensieren?

Kehrmann: Eins zu eins wird das schwierig. Ich hoffe, dass sein Ersatz, Martin Strobel, an die Leistungen der letzten beiden Spiele anknüpfen kann. Als er zuletzt in die Partie kam, war das Spiel meiner Meinung nach immer ein bisschen solider, nicht ganz so hektisch. Mimi hatte in den letzten beiden Begegnungen auch nicht immer das ganz glückliche Händchen. Allerdings werden seine Torgefahr und das Überraschungsmoment sicher fehlen. Bei Strobel muss man abwarten, ob er das über 60 Minuten durchstehen kann.

SPOX: Wer könnte ihn denn entlasten?

Kehrmann: Ich denke, dass Dominik Klein auch mal in der Mitte spielen kann und dann etwas mehr Spielanteile bekommt. Eventuell könnte man noch Holger Glandorf nach innen ziehen und Michael Müller auf halbrechts.

SPOX: Hinter Pascal Hens' Einsatz steht noch ein Fragezeichen.

Kehrmann: Sein Ausfall würde sehr wehtun. Die Dänen spielen eine klassische 6-0-Deckung. Da ist Pascal einer der wenigen im deutschen Team, der aus dem Rückraum gefährlich ist. Lars Kaufmann hat sicher schon einige gute Ansätze gezeigt, aber in den entscheidenden Phasen auch einige einfache Fehler gemacht.

SPOX: Neben Kraus würde mit Hens ein weiterer Führungsspieler fehlen. Wer muss nun in die Bresche springen?

Kehrmann: Das wird auf mehrere Schultern verteilt, einen Chef muss es da nicht geben. Man muss sich nun eben noch ein bisschen mehr am Riemen reißen. Viele schreiben uns auf Grund der Ausfälle schon ab, ich sehe das nicht so dramatisch. Die Dänen haben auch Probleme. Denen hat auch Torwart Kasper Hvidt häufig den Sieg gerettet.

SPOX: Die Erinnerungen an Spiele gegen Dänemark sind nicht besonders gut. Ein Nachteil, oder vielleicht ein zusätzlicher Motivationsschub?

Kehrmann: Das verlorene EM-Halbfinale vom letzten Jahr spielt sicher eine Rolle. Aber es ist nun wieder eine neue Situation. Man muss in die Köpfe rein bekommen, wie es ist, die Dänen zu schlagen und raus kriegen, wie es war, als man gegen sie verloren hat.

SPOX: Und wie kann man die Dänen schlagen?

Kehrmann: Die 6-0-Deckung der Dänen sollte uns eigentlich sehr liegen. Die Rückraumspieler müssen viele Würfe nehmen, man muss mutig aufs Tor gehen. Und dann muss man hoffen, dass Kasper Hvidt keinen guten Tag erwischt.

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