Jahrhunderttalent auf Metallicas Spuren

Von Thomas Ziemann
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© Imago

Gestatten: Oscar Carlen, 20 Jahre, Jahrhunderttalent. Der schwedische Neuzugang ist die große Hoffnung der SG Flensburg-Handewitt. Noch bevor er überhaupt ein Spiel für seinen neuen Arbeitgeber bestritten hatte, wurde er mit Vorschußlorbeeren nur so überhäuft.  

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"Für sein Alter ist er schon unglaublich weit. So wie Nikola Karabatic damals", erklärte SG-Manager Fynn Holpert vor Saisonbeginn, und setzte sogar noch einen drauf:  "Er ist das größte Talent der Welt."

Die schwedische Presse bezeichnet ihren neuen Liebling gar als "Jahrhunderttalent". Viel Lob für einen 20-Jährigen, das dieser aber erst bestätigen muss.

Mittlerweile hatte Carlen die Chance dazu. In den ersten drei Spielen der neuen Saison trug er sich zwölf Mal in die Torschützenliste ein. Ein passabler Einstand.

Wie der Vater so der Sohn

Freilich, Carlen kann und muss noch nicht der spielentscheidende Akteur sein, der er in seiner Heimat Schweden gewesen ist, doch sein Können ließ der Halblinke ein ums andere mal aufblitzen.

Überragende Shooter-Qualitäten, beeindruckendes Eins-gegen-Eins-Spiel und für einen 20-Jährigen mit brillianter Übersicht ausgestattet. Carlen besitzt alles, was ein kompletter Rückraumspieler heutzutage mitbringen sollte.

Und das Talent kommt nicht von irgendwo, es wurde ihm sprichwörtlich in die Wiege gelegt. Sein Vater, Per Carlen, ist einer der erfolgreichsten Handballer Schwedens.

Weltmeister, Europameister, zwei olympische Silbermedaillen - in 329 Spielen für die Tre Kronor hat der Kreisläufer fast alles gewonnen, was es im Welthandball zu gewinnen gibt.

Debüt in der Tre Kronor mit 18

Sein Sohn deutet nun an, die Erfolgsgeschichte fortzuführen. Mit zarten 18 Jahren hat Carlen junior für sein Land debütiert. Im Halbfinale der Scandinavian Open erzielte er zwei Tore. Was aber deutlich mehr beeindruckte, war sein forsches Auftreten.

In den hektischen, sehr kampfbetonten Schlussminuten des Spiels überzeugte der Debütant durch glänzende Abwehrarbeit.

"Vor dem Spiel war ich schon ein wenig nervös, als ich aber den Ball das erste Mal in den Händen hielt, war alles verflogen", hatte er hinterher erklärt.

Es ist genau diese Art, die ihn ins Scheinwerferlicht zahlreicher Top-Klubs gerückt hat. Doch Oscar Carlen ist auch ein Spieler mit einem anderen Gesicht. Ein weniger beliebtes.

Auf Metallicas Spuren

Während einer Länderspielreise im Juli zerlegte er gemeinsam mit zwei Mitspielern in bester Rockstar-Manier ein Hotelzimmer. Mehrere Möbel sollen dabei zu Bruch gegangen sein.

Schwedischen Medienberichten zufolge feierten Carlen, Sebastian Seifert und Fredrik Petersen den Sieg über Deutschland mit reichlich Bier. Kostenpunkt der Party: Knapp 8000 Euro.

Schwedens Coach Ingemar Linnell strich das Trio daraufhin aus dem Aufgebot. "Ich kann nicht akzeptieren, was passiert ist. Immerhin haben sich die Spieler entschuldigt", so Linnell.

Weg vom Babyface-Image

So komisch es klingen mag, der Zwischenfall hatte auch sein Gutes - Carlens Image bekam erste Kratzer.

Nicht wenige SG-Fans bezweifelten, dass der Junge mit dem Babyface den Sprung in die stärkste Liga der Welt überhaupt auf Anhieb schaffen würde. Letzte Bedenken, dass er zu weich sein könnte, hat er damit wohl aus der Welt geräumt.

Im Verein ist das Thema lange vom Tisch. Sein neuer Coach Kent-Harry Andersson kommentierte den Vorfall mit der nötigen Gelassenheit. "Wenn man jung ist, kann so etwas einmal passieren. Aber auch nur ein Mal."

Mach's noch einmal Kent

Mit dem 59-Jährigen Landsmann verbindet Carlen sowieso eine besondere Geschichte. "Als ich vier Jahre alt war, wurde Ystad schwedischer Meister, und Trainer Kent-Harry Andersson spielte auf der Gitarre. Das möchte ich bei der SG noch mal erleben", sagt er.

Die Meisterschaft für ein paar Akkorde auf der Gitarre? Sein Trainer dürfte wohl wenig dagegen haben. Bis dahin ist es allerdings noch ein langer Weg. Andersson muss in Flensburg einen Neuaufbau gestalten. Zur Unterstützung bekam er einen neuen Co-Trainer an die Seite gestellt: Per Carlen.

"In zwei Jahren einer der besten Spieler"

Der Vater des Hoffnungsträgers soll sich bei der SG um das individuelle Training der Spieler kümmern. Vornehmlich der jungen Spieler, zu denen auch sein Sohn zählt. Für Oscar Carlen nichts Neues. Über zehn Jahre war sein Vater auch im Handball-Gymnasium in Ystad sein Trainer.

Mit großem Erfolg. In der vergangenen Saison erzielte er 135 Tore in 25 Spielen für Ystad und wurde zum besten Spieler der schwedischen Elitserie gewählt.

Nun soll der nächste Schritt auf der Karriereleiter folgen. Der Durchbruch in der härtesten Liga der Welt. Andersson hat keine Zweifel daran, dass ihm das gelingt: "In rund zwei Jahren hat die SG einen der besten Spieler der Welt." Na dann. Willkommen Oscar Carlen.

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