Dunkle Schatten über der Liga

Von Interview: Daniel Paczulla
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© Imago

München - Die Empörung über den letzten Spieltag hallte wie ein Donnerwetter durch die Republik. Die Bundesliga-Saison 2007/2008 verabschiedet sich mit einem ganzen faden Beigeschmack in die Sommerpause.

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Durch den sensationellen Auswärtssieg von GWD Minden bei der SG Flensburg-Handewitt sicherten sich die Ostwestfalen noch den Klassenerhalt. Durch den Erfolg des krassen Außenseiters beim Top-Team muss die TuS Nettelstedt-Lübbecke direkt in die 2. Liga.

Für TuSEM Essen heißt es nun Relegation gegen die HSG Düsseldorf. Im SPOX.com-Interview sprechen TuS-Coach Zlatko Feric (im Bild) und Essens Trainer Kristof Szargiej über die Dramatik des Spieltags und ihre große Empörung über Flensburg.

SPOX: Haben Sie die Ereignisse des letzten Spieltags schon verdaut?

Zlatko Feric: Natürlich ist man riesig enttäuscht und frustriert von den Ergebnissen. Wir haben sehr viel Energie investiert, sind mit vielen Emotionen und Hoffnungen an die Sache herangegangen. Sicherlich haben wir uns selber in diese Lage gebracht. Wir haben es nicht geschafft, mehr Zähler als unsere Konkurrenten zu holen und sind wegen unserer schlechten Tordifferenz (-145, Anm. d. Red.) abgestiegen.

Kristof Szargiej: Das ist sehr bitter für Nettelstedt. Deren Frust und Enttäuschung kann ich genauso wie bei uns nachvollziehen. Sie müssen in die 2. Liga, obwohl sie machtlos waren.

SPOX: Trotz des Sieges von Nettelstedt gegen Berlin ist der Abstieg besiegelt. Essen hätte mit einem Sieg den Klassenerhalt dagegen perfekt gemacht und sich die Relegation erspart.  

Szargiej: Wir konnten gewinnen, aber nach dem Verlauf des Spiels ist das 35:35 leistungsgerecht. Aber wenn man 35 Tore erzielt, muss man die Partie auch gewinnen. Jedoch Hut ab vor Melsungen, das ihre Leistung abgerufen haben.

SPOX: Dennoch hätten die Ergebnisse gereicht, wenn nicht Minden in Flensburg gewonnen hätte.

Feric: Ich will die Leistung der Mindener überhaupt nicht schmälern. Allerdings ist es unverständlich, dass Flensburg am letzten Spieltag so ein Spiel abliefert.

Szargiej: Ich habe mir das Spiel angeschaut. Das war kein normales Ergebnis und nicht in Ordnung. Wenn man von der weltbesten Liga spricht, kann es nicht sein, dass ein Team gespickt mit Weltklasse-Leuten und Titel-Ansprüchen zu Hause gegen Minden verliert. Das ist merkwürdig.

SPOX: Ist es denn unmöglich für ein Team wie Minden in Flensburg zu gewinnen?

Feric: Natürlich kann man sagen, dass jeder jeden schlagen kann. Allerdings ist die Differenz zwischen den letzten und ersten fünf Mannschaften der Liga so enorm, dass man keine Hoffnungen schöpfen kann, dort zu gewinnen. Ein Ausrutscher kann passieren, aber das kann ich schwer glauben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das die optimale Leistung des Meisterschaftsaspiranten war.

Szargiej: Flensburg hat 14 Spieler im Kader. Jeder von ihnen würde bei uns ein Leistungsträger sein. Da kann es nicht sein, dass sie sich so präsentieren.

Feric: Wir haben in Hamburg gespielt und waren krasser Außenseiter. Wir haben in der ersten Halbzeit mitgehalten. Aber nach der Pause kam ein ganz anderer HSV auf das Feld. Innerhalb von zehn Minuten haben sie mit elf Toren geführt. Das ist der Qualitätsunterschied.

SPOX: War das Wettbewerbsverzerrung?

Szargiej: Es sah so aus, als ob die Spieler wirklich lustlos gespielt haben. Erfahrene Spieler verwerfen Bälle beim Gegenstoß oder begehen haarsträubende Fehlpässe frei vor dem Tor. Ich kann leider nichts beweisen, sondern nur sagen, was ich auf dem Video gesehen habe. Das war mehr oder weniger ein Freundschaftsspiel.

Feric: Wir haben am 33. Spieltag Minden dominiert (33:27-Auswärtssieg, Anm. d. Red.). Der Gedanke, dass unser Mitkonkurrent bei einem Spitzenteam, wie sie sich bezeichnen, gewinnt, ist schwer nachzuvollziehen.

SPOX: Wie können sie sich die Leistung der Flensburger erklären?

Szargiej: Gar nicht. Wir sind Profis und verdienen mit dem Sport Geld. Da bin ich verdammt noch mal verpflichtet, bis zur letzten Minute mich einzusetzen. Vor dem Spiel kamen die Spieler mit einem Transparent auf das Feld und bedankten sich für die tolle Unterstützung der Fans. Allein durch diese Aktion ist man verpflichtet, eine solide Leistung abzuliefern.

Feric: Ich will niemandem etwas unterstellen. Ein, zwei Spieler können durchaus unmotiviert spielen, aber das sich eine gesamte Mannschaft so präsentiert? Die Qualität muss während der 60 Minuten irgendwann zum Vorschein kommen.

SPOX: Flensburgs Trainer Kent-Harry Andersson sprach nach dem Spiel auch davon, dass die Motivation eine große Rolle spielte.

Szargiej: Wenn ich als Trainer die Spieler nicht motivieren kann, dann muss ich überlegen, was ich da noch suche.

SPOX: Herr Szargiej, Sie haben nach dem Spiel GWD-Manager Horst Bredemeier und Andersson direkt angegriffen.

Szargiej: In der PK habe ich einen Fehler gemacht und die Namen von Horst Bredemeier und Andersson genannt. Dafür habe ich mich entschuldigt. Vielleicht war auch die Aussage "Sie haben uns verarscht!" zu brutal. Aber kampflos Punkte abzugeben, damit bin ich nicht einverstanden.

SPOX: Welche Auswirkungen hat dieser Vorfall für die Liga?

Feric: Das wirft einen dunklen Schatten auf den Ruhm der stärksten Liga der Welt.

Szargiej: Dieser Vorfall hat der Bundesliga sehr geschadet. Dafür müssen die Leute Verantwortung tragen. Bislang hat aber noch keiner Stellung genommen. Das gehört nicht in das Profigeschäft.