Europas Männer-Handball im Reformstau

SID

Leipzig - Europas Männer-Handball steckt in einem Dilemma. Zwischen dem allseits geforderten Schutz der Spieler einerseits und dem Festhalten an bewährten Meisterschafts-Terminen mit hohen finanziellen Erlösen aus der Vermarktung andererseits hat sich ein Reformstau gebildet.

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"Es gibt einen Widerspruch zwischen Marketing- und Gesundheitsaspekten", sagte der Franzose Jean Brihault. Damit fasste der Vize-Präsident der Europäischen Handball-Föderation (EHF) zum Ende der Wettkampf-Konferenz in Wien die ganze Bredouille zusammen.

Nun sollen sich die Verbands-Kommissionen bis zum EHF-Kongress im September in Wien mit der Problematik befassen und Lösungen suchen.

Mit einer alarmierenden Studie hat der renommierte Sportmediziner Hans Holdhaus auf die prekäre Situation der Spieler aufmerksam gemacht. Bei der EM zu Jahresbeginn in Norwegen standen nach acht Spielen in elf Tagen 21 mittlere und schwere Verletzungen zu Buche.

Drei Viertel aller Verletzungen ereigneten sich in der zweiten Halbzeit. "Die Gründe dafür sind neben Fouls vor allem Ermattung sowie nachlassende Kondition und Koordination", erklärte der Österreicher Holdhaus, der auch Vorsitzender der Anti-Doping- Kommission des Handball-Weltverbandes (IHF) ist.

EM und WM im September

Holdhaus untermauerte die Forderung, zum Schutz der Spieler EM und WM vom Januar in den September zu verlegen und mehr Ruhetage zwischen den Spielen zu organisieren.

"Aus medizinischer Sicht ist das notwendig. Die Unterbrechung der Wettkampfperiode im Januar für eine Meisterschaft ist gefährlich für die Spieler", erklärte er. Für den September spreche, dass wegen der unverrückbaren Olympia-Termine im August eine Periodisierung möglich sei. Mit seinem Vortrag rüttelte Holdhaus zahlreiche Funktionäre wach.

"Nachdem ich das gehört habe, favorisiere ich auch den September. Da müssen die Verbände im Marketing eben etwas abgeben", sagte Ulrich Strombach, Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB).

Infront plädiert für Januar-Termin

Vor allem EHF-Vermarktungspartner Infront Sports & Media AG plädiert für die Beibehaltung des Januar-Termins. Die Schweizer Agentur hat noch bis 2010 die Fernseh- und Werberechte für Männer- und Frauen-EM.

Strombach ist ein eifriger Verfechter davon, den Wettkampf- Kalender zu bereinigen und von fünf auf vier Meisterschaften pro Olympia-Zyklus auszudünnen. Doch weder EHF noch IHF sind derzeit bereit, vom Zwei- auf einen Vier-Jahres-Rhythmus für EM und WM zu wechseln.

Der Gummersbacher ist trotzdem davon überzeugt, dass die diskutierte Reduzierung kommen wird. "Ich gehe davon aus, dass es so kommt. Ich denke, die EHF hat das schon akzeptiert", sagte der Jurist.

Kompromiss zwischen EHF und IHF angestrebt

Nun müsse nur noch die IHF überzeugt werden. Dafür präsentierte er einen Kompromissvorschlag: Jeweils im Wechsel sollten pro Olympia-Zyklus entweder zwei EM und eine WM oder umgekehrt stattfinden.

Sollte sich die vom umstrittenen Ägypter Hassan Moustafa geführte IHF dennoch weiterhin allen Reformplänen verweigern, würde Strombach auch weniger diplomatische Maßnahmen für möglich halten.

"Wir haben die Bekenntnisse von Hassan Moustafa zur Kooperation gehört. Er will ja als Präsident wiedergewählt werden. Da bekommt er die Zustimmung Europas unter Umständen nur, wenn es Zustimmung zu einem Wechsel gibt", erklärte der DHB-Chef.