Vom Tiger zum Riddler

Von Marco Kieferl
Tiger Woods wirft viele Fragezeichen auf
© getty

Tiger Woods ist längst eine Legende des Golfsports und für nicht wenige sogar der beste Spieler aller Zeiten. Die jüngste Absage für das US Masters in Augusta (Ab Donnerstag im LIVETICKER) befeuert die Gerüchte um seinen Gesundheitszustand weiter. Für den 14-fachen Majorsieger geht es längst um mehr, als die Jagd nach dem Rekord von Jack Nicklaus.

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Als ein gewisser Eldrick Tont Woods, genannt Tiger, 2010 am ersten Abschlag des US Masters in Augusta aufteet, atmet die gesamte Golfwelt auf. Quälend lange 20 Wochen hatte sich der beste Spieler der Welt im Zuge des berüchtigten Sex-Skandals aus dem Turniergeschehen zurückgezogen. Ticketpreise und TV-Quoten waren in der Folge um mehr als 20 Prozent eingebrochen. Golf ohne Tiger - damals unvorstellbar.

Wenn Tiger Woods die Driving Range betritt, drehen sich alle Köpfe nach ihm um. Das galt vor sieben Jahren und das gilt auch heute noch in einer Zeit, in der er auf Rang 757 in die Niederungen der Weltrangliste abgerutscht ist.

Woods ist nach wie vor das Gesicht des Sports. Jordan Spieth war einer seiner Nachfolger auf dem Golfthron und schwärmt dennoch stellvertretend für die heutige Generation: "Für uns geht es darum, sich mit den besten Spielern aller Zeiten zu messen. Gegen einen Tiger Woods in Topform anzutreten ist etwas, das man seinen Enkelkindern später einmal erzählt."

Woods ist nicht "turnier-fit"

Und so kommt es nicht von ungefähr, dass die Frage nach seinem Comeback die Massen in den Wochen vor dem Masters mehr beschäftigte als die beeindruckende Siegesserie von Dustin Johnson, der neuen Nummer 1 der Welt. Erste Comeback-Versuche scheiterten zu Saisonbeginn im Dezember und Januar. Wie passend wäre da ein zweites Comeback auf dem Augusta National?

Doch seitdem Woods am 3. Februar im Rahmen der Dubai Desert Classic verletzungsbedingt aufgeben musste, herrscht in der Golfwelt kollektives Rätselraten. Wie ernst steht es um die Spasmen im Rücken? Wird Tiger jemals wieder der Alte? Kann er in Augusta aufteen?

Zumindest letztere Frage ist seit vergangenem Freitag geklärt - zur Enttäuschung aller Fans. Tiger Woods verzichtet auf den Start beim ersten Major des Jahres. Die lebende Legende ist "nicht turnier-fit".

Ein ungewöhnlicher Vergleich

Der 41-Jährige erläuterte seine Absage mit für ihn typisch gewordenen Worten: "Ich habe keinen Zeitplan für meine Rückkehr, aber ich werde weiterhin alles daran setzen, mich vollständig zu erholen und so schnell es geht auf den Platz zu kommen." Wie es genau um seinen von Operationen gescholtenen Rücken steht, scheint er im Moment selbst nicht zu wissen.

Die Diskussionen um Woods Gesundheitszustand gehen somit ununterbrochen weiter. Gary Williams, Moderator beim Golfchannel, griff angesichts dessen zu einem ungewöhnlichen Vergleich: "Früher war Tiger Batman. Wisst ihr, was er jetzt ist? Der Riddler - ein einziges Fragezeichen!"

Vier Operationen im linken Knie und drei Eingriffe im Rückenbereich kennzeichnen Tigers unglaubliche Verletzungshistorie. Längst stellt sich nicht nur die Frage, wann, sondern ob ihm sein Körper noch einmal einen Angriff auf die Weltspitze erlauben wird.

"Werde immer schmerzen haben"

Glaubt man seinem Ex-Trainer Hank Haney, hat Woods selbst Anteil an den nicht enden wollenden Beschwerden. Mit seinem exzessiven Trainingsstil formte er sich selbst zum Athleten und dominierte mit seinem explosiven Schwung eine Generation, die Golf noch mehr als Spiel denn als Sport begriff.

Den Preis dafür bezahlte er mit seiner Gesundheit. Tigers Coaching Staff versucht weitere Verletzungen zu vermeiden, indem man mit kleineren Schwungumstellungen Druck von den lädierten Körperstellen nimmt. Im Alter von 41 Jahren ist das kein leichter, aber offensichtlich ein erforderlicher Schritt.

Umso mehr, wenn man Tigers bedenkliche Aussagen aus dem Februar im Hinterkopf hat. "Um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass ich mich nach all den Operationen jemals wieder großartig fühlen werde. Ich werde immer Schmerzen haben", gab der Mann aus Kalifornien im Rahmen seines Comebackversuchs zu: "Solange ich aber funktionieren, und damit meine ich auf hohem Level funktionieren kann, ist das für mich in Ordnung."

Comeback oder Abschiedstour?

Davon ist Woods im Moment offenbar noch weit entfernt. "Nicht turnier-fit", die übliche Begründung für eine Turnierabsage, ist dabei ebenso nebulös wie typisch. Bereits in der Vergangenheit war es Tiger nicht genug, gesund auf die PGA Tour zurückzukehren. Woods will erst auf den Platz, wenn er sich selbst in der Lage sieht, das anstehende Turnier zu gewinnen.

Ein Prozess der trotz aller Beteuerungen noch Monate dauern könnte. Oder gar noch länger, wie sein College-Rivale Pat Perez zuletzt öffentlich spekulierte: "Er weiß, dass er nicht mehr alle schlagen kann. Ich persönlich glaube nicht, dass wir Tiger in diesem Jahr noch einmal sehen werden. Wenn er in Augusta nicht spielt, war es das."

Letztes Ziel: Nicklaus' Rekord

Trotz dieser dramatischen Prognose sollte man nie die Rechnung ohne die Willensstärke eines Champions wie Tiger Woods machen. Noch immer jagt er mit seinen 14 Majortiteln den Rekord von Jack Nicklaus (18), noch immer fehlen drei Turniersiege zum Uraltrekord von Sam Snead für die meisten Erfolge auf der PGA Tour. In der ewigen Diskussion um den größten Golfer aller Zeiten sind das Argumente, die der 41-Jährige nur zu gerne auf seiner Seite hätte.

Angefangen hat die Rekordhatz einst beim US Masters. Vielleicht auch deswegen klang Tiger in seinem Statement vergangene Woche etwas wehmütig: "Ich bin besonders enttäuscht, weil es für mich ein ganz besonderes Jubiläum in Augusta gewesen wäre, mit dem ich tolle Erinnerungen verbinde. Ich kann nicht glauben, dass der Gewinn meines ersten Green Jacket bereits 20 Jahre zurückliegt."

Damals düpierte er mit gerade einmal 21 Jahren die komplette Weltelite, als er sich mit einem Rekordvorsprung von 12 Schlägen zum jüngsten Masters-Sieger aller Zeiten krönte. Drei weitere Siege auf dem Augusta National sollten folgen.

Neun Jahre ohne Majorsieg

"Finish the race", Tigers Credo für die Schlussrunde wurde zum Motto seiner gesamten Karriere. Diesen Satz gab ihm sein verstorbener Vater mit auf den Weg. Er trieb ihn auch bei seinem bislang letzten von 14 Majortiteln an, als er trotz zweier Stressfrakturen im Bein die US Open 2008 gewann.

Woods muss jetzt selbst herausfinden, ob er noch zu solchen Taten fähig ist. Nur er kann wissen, ob sein Rennen langsam zu Ende geht oder erst die Glocke zur Schlussrunde erklungen ist.

Die Golf-Weltrangliste im Überblick

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