Holy- oder Hollywood?

Von Marco Kieferl
Rory McIlroy schien beim WGC-Turnier in Texas nicht immer hundertprozentig zufrieden
© getty

Rory McIlroy galt als legitimer Nachfolger von Tiger Woods auf dem Golfthron, 2015 wurde der Dominator der letzten Jahre gestürzt. Jason Day und Jordan Spieth haben den Nordiren eingeholt. Schlägt der Celtic Tiger ausgerechnet in Augusta (ab 15 Uhr im LIVETICKER) mit dem Karriere-Grand-Slam zurück?

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Sport ist in diesen Tagen ein schnelllebiges Geschäft - da macht auch Golf keine Ausnahme. Rory McIlroy hat das oft genug erlebt. Der 26-Jährige Nordire aus dem schönen Örtchen Holywood wurde schon im Teenageralter als nächster Tiger Woods gepriesen.

2014 schien McIlroy nach seinem Back-to-Back-Majortriumph bei den British Open und den PGA Championship endgültig zum Alleinherrscher der Golfwelt aufgestiegen zu sein, anderthalb Jahre später hat sich das Machtgefüge verschoben. Jordan Spieth und Jason Day sind an McIlroy vorbeigezogen. Der "Celtic Tiger" ist mit einem Schlag nur noch Verfolger.

An der Spitze des Golfsports ist ein Dreikampf ausgebrochen. McIlroy konnte sich der Attacke durch den doppelten Majorchampion Spieth und dem endlich vollendeten Day nicht erwehren. Schuld war eine verhängnisvolle Fußballpartie mit Freunden am 4. Juli. McIlroy zog sich einen Bänderriss zu und musste seine Titelverteidigung bei den British Open absagen, für eine Antwort im späteren Verlauf des Jahres fehlte wohl die hundertprozentige Fitness.

Cross-handed zurück an die Spitze?

McIlroy geht als Nummer Drei der Welt in die entscheidende Phase des Supergolfjahres 2016. Vier Majors, Olympia und der Ryder Cup warten - so etwas hat der Golfsport seit über hundert Jahren nicht mehr erlebt.

Der 26-Jährige gehört nach wie vor zur absoluten Weltklasse, doch einem wie McIlroy reicht das nicht. Nicht zuletzt deswegen veränderte McIlroy im Winter sein Putting und greift den Schläger nun cross-handed. McIlroy galt immer als einer der besten, wenn nicht sogar der beste Ballstriker auf der PGA Tour. Das größte Steigerungspotenzial liegt daher im kurzen Spiel.

"Meine Eisen ins Grün und meine Drives waren in diesem Jahr eigentlich nie das Problem. Ich muss mich beim Scrambling und beim Putten steigern", gab der Nordire bereits zu Beginn der Saison zu bedenken.

Putting steigerungsfähig

Ausgerechnet jenem Bereich, in dem Jason Day und Jordan Spieth die Elite des Sports bilden. Jordan Spieth war im vergangenen Jahr Führender der Puttstatistiken und liegt auch in diesem Jahr unter den Top3. Day verwandelt endlich die wichtigen Putts und liegt auch dank eines Top10-würdigen Puttings derzeit an der Spitze der Weltrangliste. Und McIlroy? Der Nordire findet sich auf Position 69 dieser Rangliste. Nicht schlecht, aber keineswegs ausreichend für einen Spieler seines Kalibers.

Die Umstellung auf cross-handed braucht Zeit, trägt aber bereits erste Früchte. Man darf nicht vergessen, dass McIlroy das mit Superstars gespickte Feld der WGC-Cadillac-Championship drei Tage lang dominierte, ehe ihn der Putter nach beeindruckenden Leistungen auf dem Grün am letzten Tag im Stich ließ.

Auch bei der WGC Dell Matchplay Championship rückte McIlroy bis ins Halbfinale gegen Jason Day vor. Der Australier gewann das Match mit einem gelochten Vier-Meter-Putt am letzten Loch mit 1UP, McIlroy hatte an der 17 eine noch bessere Chance zum Ausgleich verpasst. Die Unterschiede sind minimal, im Moment aber entscheidend.

"Bin etwas angepisst"

In jenem Match krönte sich Day erneut zur Nummer Eins der Welt. Vielleicht gab McIlroy auch deswegen Minuten nach dem letzten Putt zu Protokoll: "Ich stehe hier und bin ehrlich gesagt etwas angepisst."

McIlroy definiert sein Spiel über den Driver und sagt von sich selbst, er fühle sich erst richtig wohl auf dem Platz, wenn er den Ball vom Abschlag weit und genau ins Spiel bringt. Lang ist der Nordire nach wie vor, dafür bringt er aber nur knapp 58 Prozent seiner Drives auf die Bahn.

Er weiß, wo er sich verbessern muss und nahm nicht ohne Grund eine Woche vor dem Masters eine Auszeit, um an seinem Spiel zu feilen. Das Grundgerüst für die großen Turniere steht, das lange Spiel zeigte in den letzten Wochen deutliche Fortschritte. Auch deswegen schlug McIlroy nach dem Match mit Day etwas versöhnlichere Töne an: "Ich bin nicht wütend auf mein Spiel. Ich bin einfach nur enttäuscht, dass ich die Chancen gegen Jason nicht nutzen konnte, die ich mir erarbeitet hatte."

Auf der Suche nach Augusta 2011

Kleinigkeiten trennen McIlroy derzeit von einem Turniersieg. Der Nordire hat 2016 erst an fünf Events auf der PGA Tour teilgenommen und zeigt mit jedem weiteren Turnier Fortschritte. Für das Masters zählt er neben Titelverteidiger Spieth und den Doppelsiegern Scott und Day nicht umsonst zu den Topfavoriten.

Ausgerechnet jenem Major, das er bis heute als einziges nicht gewinnen konnte und bei dem er in Führung liegend 2011 so schrecklich auf den Back Nine einbrach. McIlroy verbindet eine Geschichte mit diesem Turnier, in den letzten beiden Jahren landete er zweimal in den Top10, verbaute sich die Siegchancen aber durch schwache Auftaktrunden.

Für das grüne Jacket lässt sich McIlroy eine besondere Taktik einfallen: "Ich werde den Par-3-Wettbewerb in diesem Jahr nicht spielen. 2011 hatte ich meine beste Chance auf einen Sieg und hatte dieses Event ebenfalls ausfallen lassen, vielleicht wirkt sich das auch heuer zu meinem Vorteil aus."

Back on top?

Augusta liegt McIlroy, das lässt sich von der Konkurrenz um die ehemaligen Champions Spieth, Scott und Watson aber auch behaupten. Dennoch würde es geradezu perfekt zur filmreifen Bilderbuchkarriere des einstigen Wunderkinds passen, wenn er ausgerechnet am Ort seiner größten Niederlage im Dreikampf um die Golfkrone zurückschlagen würde.

Spielt McIlroy sein bestes Golf, ist er vielleicht nach wie vor der beste Spieler dieses Planeten. Seine Spielweise ist spektakulär, seine Mentalität bei den jetzt erst kommenden Saisonhighlights sollte man nie unterschätzen. Trotz der Vorlagen der Konkurrenz ist McIlroy am Ende eben noch McIlroy, mehr Hollywood denn Holywood. Vielleicht trifft das ja schon auf das Golfmekka Augusta zu.

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