Muirfield: Schönes, verfluchtes Biest

Von Thomas Gaber
Der Golfklub Muirfield liegt 30 Kilometer entfernt von Edinburgh
© getty

Zum 16. Mal wird in Muirfield der British-Open-Champion gesucht. Der Platz ist die heimliche Nummer eins Großbritanniens. Miurfield ist atemberaubend schön, kann aber sehr verletzend sein. Selbst Tiger Woods erlebte dort sein größtes Waterloo.

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Ted Ray hatte keinen sonderlich eleganten Schwung, wobei schon der Begriff "Schwung" eigentlich nicht zulässig ist für die Art und Weise, wie Ray auf den Golfball einprügelte.

Als wollte er jegliche detaillierte Lehrbucheinträge über die richtige Vorgehensweise beim Handling mit dem kleinen weißen Ball ad absurdum führen, drosch der groß gewachsene, kräftige Ray Anfang des 20. Jahrhunderts seine Abschläge bis zu 270 Meter weit.

Dabei stand er im Finish nur auf dem rechten Bein, während das linke in der Luft baumelte. Mit seiner höchst unkonventionellen Art wurde Ray Vorfahr von Bubba Watson oder Dustin Johnson : der erste Longhitter im Golfsport.

Ohne Pfeife keine Schläge

Dass seine Drives meist jenseits der Fairways landeten, stellte für Ray kein Problem dar. Mit Hilfe seines Mashie Niblick, einer Mixtur aus Holz und Wedge mit der Loftneigung eines Eisen 7, befreite er sich aus den übelsten Lagen verblüffend einfach.

Auf den Grüns konnte sich der Mann, der stets mit Hut und Pfeife zwischen den Zähnen über den Platz ging und das Rauchutensil auch während seiner Schläge nicht ablegte, auf sein beständig gutes Putten verlassen.

Mit diesem bemerkenswerten Potpourri aus Golfschlägen gewann Ray in seiner Karriere zwar nur zwei Turniere, dafür aber keine ganz unbedeutenden: die Open Championship 1912 und die US Open 1920.

Sieg gegen Kumpel Vordon

Die Favoriten auf den Titel bei der Open Championship 1912 waren andere. In erster Linie Rays dicker Kumpel Harry Vordon, der wie Ray von der Ärmelkanalinsel Jersey kam. Vordon hatte bis dato bereits fünf Mal bei der Open Championship triumphiert. Doch Ray spielte sich an den ersten drei Tagen in einen wahren Rausch und ging mit acht Schlägen Vorsprung auf die Schlussrunde.

Obwohl Vordon mit 71 Schlägen die mit Abstand beste Runde am Wochenende spielte, konnte er Ray nicht mehr gefährden.

"In dem Moment, als Teds letzter Putt im Loch verschwand, stürmten schon seine Freunde auf ihn zu und trugen ihn auf den Schultern von dem Ort seines größten Triumphs", zitiert die offizielle Open-Webseite (theopen.com) eine von damals überlieferte Quelle.

Muirfield: Damen, nein danke

Ray profitierte bei seinem Sieg von der für damalige Verhältnisse enormen Verlängerung der geheimen Nummer eins aller Open-Plätze: Muirfield. Nach dem Sieg von James Braid 1906 wurde der von 1891 von Old Tom Morris designte Kurs auf etwa 5.900 Meter ausgedehnt.

Bis Mitte der 1930er Jahre wurde Muirfield an mehreren Stellen umgebaut, ehe Harry Colt den Auftrag bekam, den Platz rundzuerneuern. Mit zusätzlichen 50 Hektar baute Colt 14 neue Löcher und überarbeitete die restlichen.

Muirfield ist gleichzeitig die Heimat der "The Honourable Company of Edinburgh Golfers". Der Golfclub der "ehrenwerten Gesellschaft" in der schottischen Ortschaft Gullane/East Lothian, 30 Kilometer entfernt von Edinburgh, wurde 1744 gegründet und formulierte 1754 die ersten 13, bis heute bestehenden Regeln des Golfspiels.

Noch immer dürfen Damen nur mit männlicher Begleitung auf den Platz, im Clubhaus haben sie gar keinen Zutritt. Die Herren absolvieren in der Regel keine Einzelrunden, sie bevorzugen den klassischen Vierer.

Eisen 3 für 150 Meter

Im Gegensatz zu anderen Linksplätzen läuft der Muirfield-Par 71-Kurs nicht direkt am Meer, sondern zieht sich in zwei entgegengesetzt verlaufenden Schleifen entlang eines Hügels. Da maximal drei aufeinander folgende Löcher in dieselbe Richtung verlaufen, spielt der Wind in Muirfield eine noch größere Rolle als auf anderen Open-Plätzen.

"Die Windrichtung wechselt ständig. Es kann sein, dass du an einem Loch für 150 Meter ein Eisen 3 brauchst, am nächsten dafür ein Pitching Wedge 190 Meter weit schlagen kannst", sagt Dustin Johnson, der 2011 geteilter Zweiter bei der Open Championship in Royal St. Georges wurde.

In diesem Jahr ist Muirfield zum 16. Mal Austragungsort des ältesten Golfturniers der Welt. Die erste Ausgabe 1892 gewann der englische Amateur Harold Hilton. 1929 holte mit Walter Hagen (USA) erstmals ein Spieler, der nicht von den britischen Inseln kam, den Titel.

Seitdem trugen sich ausnahmslos Spieler der obersten Kategorie in die Siegerliste ein. Henry Cotton (1948), Gary Player (1959), Jack Nicklaus (1966), Lee Trevino (1972), Tom Watson (1980 mit dem Rekordergebnis von 13 unter Par), Sir Nick Faldo (1987 und 1992) und zuletzt Ernie Els (2002).

Perle aller Open-Plätze

Faldos Liebe zu Muirfield ist so stark, dass sich der sechsmalige Major-Champion Ende letzten Jahres entschied, seine 2010 beendete Karriere mit einem weiteren Gang über die Fairways der "Perle aller Open-Plätze" (Faldo) zu verlängern. Ein Engagement für eine Whiskey-Marke half dem 56-Jährigen dabei.

"Ich habe einen Werbespot für Glenmorangie gedreht, indem ich meinen Lieblings-Golfplatz kreieren sollte. Da kam mir sofort ein Haufen Löcher von Muirfield in den Sinn. Da habe ich überlegt, nochmal anzutreten, was nicht so leicht ist, wenn man drei Jahre lang keinen Golfschlag mehr in einem Turnier gemacht hat", sagte Faldo.

Für Major-Rekordsieger Jack Nicklaus ist Muirfield schlichtweg der "beste Platz Großbritanniens". "Er ist an Eleganz kaum zu überbieten", sagt Nicklaus.

Lee Trevino verglich Muirfield mit einer schönen Frau: "Du verliebst dich Hals über Kopf und bist geblendet von so viel Schönheit. Aber es kann auch passieren, dass du ziemlich verarscht wirst."

2002: Waterloo für Tiger Woods

Einer, der am eigenen Leib erfahren hat, was für ein Biest Muirfield sein kann, ist Tiger Woods. 2002 wurde er in Runde drei regelrecht weggefegt.

"Das waren die schlimmsten Bedingungen, in denen ich je Golf gespielt habe. Mein erster Regenschirm wurde vom Wind schon am zweiten Loch zerfetzt, der Regen peitschte 13, 14 Löcher lang waagrecht ins Gesicht", erinnert sich Tiger.

Mit einer 81, seiner schlechtesten Profirunde überhaupt, schoss sich Woods damals raus aus dem Traum, nach dem Masters und der US Open auch das dritte Majorturnier des Jahres zu gewinnen.

Charakteristisch für Muirfield sind die optisch auffällig designten Bunker, die nicht einfach nur mit steilen Kanten versehen sind. Man findet Halbmonde in allen möglichen Sichelvarianten oder Bunker, in denen der Sand einen Bauch aus Gras umrandet.

Den Driver braucht's nicht

Das hohe Rough hat schon manchen Spieler zur Weißglut getrieben. 1966 wurde der Amerikaner Doug Sanders sensationell Zweiter mit nur einem Schlag Rückstand auf den Golden Bear Jack Nicklaus.

Den Sieg verspielte Sanders mit ein paar wilden Schlägen auf den zweiten Neun der Finalrunde. "Das Preisgeld können sie behalten, ich hätte lieber die Lizenz zum Heumachen", sagte er anschließend.

In diesem Jahr misst der Platz 6573 Meter. So richtig knackig wird es auf den letzten fünf Löchern mit drei Par 4s jenseits der 400-Meter-Länge und dem letzten Par 5, der 17 mit knapp 530 Metern.

Auf Länge kommt es aber nur bedingt an, zumal das konstant schöne Wetter in ganz Europa den Platz zu einem knüppelharten Ungetüm gemacht hat. Viele Spieler werden den Driver gar nicht erst ins Bag stecken.

Muirfield hat sich rausgeputzt für eine weitere legendäre Open-Woche. Titelverteidiger ist Els. The Big Easy, der eben auch die letzte Open-Ausgabe in Muirfield 2002 gewann. Els ist für seine Eleganz bekannt, ganz im Gegensatz zu dem Mann, der vor 101 Jahren in Muirfield triumphierte.

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