Wunder von Medinah: Kaymer wird zum Helden!

Von Florian Regelmann
Martin Kaymer lochte den entscheidenden Putt für die Europäer
© Getty

Europa verteidigt nach einem unfassbaren Comeback in den Singles den Ryder Cup und besiegt Team USA im Medinah Country Club am Ende sogar noch mit 14,5:13,5. Der Wahnsinn: Ausgerechnet Martin Kaymer locht den entscheidenden Putt und wird zum Matchwinner. Es ist ein Sport-Moment für die Ewigkeit.

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Die Matches des Tages

12 Singles: 3,5:8,5

Bubba Watson vs. Luke Donald Europe wins 2&1

Captain Jose Maria Olazabal beauftragte Donald damit, als Leader an der Spitze der Singles vorneweg zu marschieren und den ersten Punkt aufs Scoreboard zu bringen. Und Donald erfüllte die Aufgabe mit Bravour. Der Engländer kontrollierte das Match dank hervorragender Eisenschläge von Beginn an und lag nach der 9 2 auf. Mit Lochgewinnen an der 11 und 12 baute Donald die Führung auf 4 auf aus. Watson zögerte das Ende dank dreier Birdies in Folge ab der 14 (darunter ein irrer Chip-in) zwar noch hinaus, an der 17 war das Match dann aber vorbei. Donald (insgesamt -4) machte den Sack mit einem brillanten Bunkerschlag zu.

Webb Simpson vs. Ian Poulter Europe wins 2up

Poulter startete nach seinen 5 Birdies in Folge vom Samstag sofort mit einem Chip-in-Birdie an der 1, aber Simpson erwies sich als der erwartet harte Brocken. Der US-Boy führte über weite Strecken, aber beunruhigen konnte einen das aus europäischer Sicht trotzdem nicht. Nicht bei Poulter. Es war irgendwie klar, dass Poulter das schon noch biegen würde. Und so kam es dann auch. Als Simpson an der 17 aus dem Bunker das Par nicht retten konnte, lag Poulter zum ersten Mal in Führung. An der 18 verzog der Engländer seinen Abschlag weit nach rechts, spielte dann aber einen sensationellen Recovery Shot aufs Grün. Das reichte, da Simpson sich keine echte Birdie-Chance mehr erarbeiten konnte. Poulter war wieder mal zur Stelle für Europa.

Keegan Bradley vs. Rory McIlroy Europe wins 2&1

Der eigentliche Hammer ereignete sich vor dem Match. McIlroy kam erst 11 Minuten vor seiner Tee Time am Platz an, weil er die Zeitzonen durcheinander gebracht hatte. Unfassbar. Es hatte aber keinen negativen Effekt. McIlroy übernahm mit drei Birdies in Folge ab der 4 das Kommando. Bradley wirkte nach seinen Heldentaten an den ersten beiden Tagen beinahe zu voll mit Adrenalin und zeigte Schwächen. Dennoch biss er sich in das Match hinein und stellte an der 12 wieder auf All Square. So richtig bekam er das Momentum aber nicht auf seine Seite. McIlroy (insgesamt -5) schlug mit Birdies an der 14 und 15 zurück und brachte den Sieg nach Hause.

Phil Mickelson vs. Justin Rose Europe wins 1up

Eines der Swing-Matches, das am Ende den Unterschied gemacht hat. Es schien schon vieles für einen Mickelson-Sieg zu sprechen. Rose musste an der 16 einen schwierigen Tester lochen, um nicht 2 down zu gehen. Er tat es. An der 17 lochte Mickelson beinahe einen unmöglichen Chip, hatte aber Pech. Dafür lochte Rose aus knapp 14 Metern zum Birdie - es war definitiv einer der größten Putts der Ryder-Cup-Geschichte. So ging das Match A/S auf die 18. Mickelson verzog seinen zweiten Schlag nach rechts, dafür setzte Rose (insgesamt -5) seinen Ball 4 Meter an die Fahne und lochte den Birdie-Putt zum Sieg. Eine Sensations-Performance von Rose am Ende.

Brandt Snedeker vs. Paul Lawrie Europe wins 5&3

Überraschend sah der FedEx-Cup-Champion gegen Lawrie überhaupt kein Land. Lawrie lochte an der 4 einen Chip überragend zum Birdie und legte an der 5 mit einem ebenso überragenden Eagle nach. Gegen einen schwachen Snedeker gewann Lawrie später auf der Back Nine drei Löcher in Folge. Nach der 13 lag er schon 5 auf - die Sache war früh gelaufen.

Dustin Johnson vs. Nicolas Colsaerts USA wins 3&2

Extrem unglückliches Match für Colsaerts. Johnson lag den Großteil der Front Nine vorne, aber der Belgier stellte mit einem Birdie an der 9 wieder auf A/S und hatte an der 10 sogar die Chance, zum ersten Mal selbst in Führung zu gehen. Doch Colsaerts schob nicht nur den kurzen Birdie-Putt vorbei, er lochte auch den Rück-Putt nicht, kassierte das Bogey und verlor das Loch noch. Ein Killer. Colsaerts gab dann sofort auch die 11 ab, ehe ihn Bogeys von Johnson an der 12 und 13 noch ein weiteres Mal ins Match zurückkommen ließen. Dann war es allerdings DJ, der im Duell der Bomber mit Birdies an der 14 und 15 die entscheidenden Schritte zum Sieg machte.

Zach Johnson vs. Graeme McDowell USA wins 2&1

Ein Match, das aus europäischer Sicht leider zur Woche von McDowell passte. Es ging so ziemlich nichts zusammen. Die 1 gab G-Mac sofort mit einem Bogey ab, schon nach der 4 lag er 3 down, ohne dass sein Gegner allzu viel dafür tun musste. McDowell kam zwar mit einem Birdie an der 9 noch einmal heran, aber auf der Back Nine tat sich in diesem Match gar nichts mehr. Beide spielten nur noch Pars sowie ein Bogey an der 13. Für McDowell (insgesamt +2) einfach zu wenig.

Jim Furyk vs. Sergio Garcia Europe wins 1up

Neben Rose vs. Mickelson das zweite ganz große Swing-Match, das Europa auf dramatische Weise für sich entschied. Furyk, der Garcia 1999 schon einmal besiegt hatte, ging mit einem Birdie an der 14 1 auf. An der 16 schaute Furyks Birdie-Putt schon ins Loch, fiel aber irgendwie nicht rein. Statt 2 auf blieb es bei 1 auf - und wie Mickelson gab auch Furyk dann die 17 und 18 ab, um das Match noch zu verlieren. Doch während Mickelson sagen kann, dass ihm ein wahnsinniger Rose den Sieg entriss, muss Furyk die Schuld bei sich selbst suchen. An der 17 schaffte er das Up-and-Down aus dem Bunker nicht, an der 18 schob er einen Par-Putt aus knapp 3 Metern vorbei und schenkte Garcia so den Sieg. Der Spanier lag im gesamten Match nur 2 Löcher vorne, aber wen interessiert es. Er lag an der 18 vorne.

Jason Dufner vs. Peter Hanson USA wins 2up

Dufner war auf der Front Nine in the zone. Nach einem Eagle an der 5 spielte der Rookie am nächsten Par 5 (7) den nächsten grandiosen Schlag, es wurde ein geschenktes Eagle. Dann noch ein Birdie an der 8, schon war Dufner 4 auf. Als man das Match schon fast abgehakt hatte, machte Dufner plötzlich Fehler (Bogey 11, Bogey 12). Hanson gewann drei Löcher in Serie und war wieder dran. Danach ging es hin und her. Dufner konterte mit einem Birdie an der 13 und war wieder 2 auf. Hanson verkürzte an der 14. Dufner konterte wieder mit einem Birdie an der 15 und war erneut 2 auf. Hanson verkürzte dann noch ein weiteres Mal an der 17 (Bogey Dufner), an der 18 musste der Schwede allerdings ein Bogey hinnehmen und konnte so keinen halben Punkt mehr herauskratzen.

Matt Kuchar vs. Lee Westwood Europe wins 3&2

Nach seiner so enttäuschenden Leistung an den ersten beiden Tagen steigerte sich Westwood und lag am Ende drei unter für seine Runde. Das reichte zum Sieg, zumal Kuchar mehrere kurze Putts vorbei schob und seinem Gegner das Leben so ziemlich leicht machte. Durch zwei Kuchar-Bogeys an der 12 und 13 ging Westwood 2 auf - ein Birdie an der 15 war dann der endgültige Killer für den Amerikaner.

Steve Stricker vs. Martin Kaymer Europe wins 1up

Es war ein brutal enges Match. Kein Spieler lag zu einem Zeitpunkt mehr als 1 auf. Stricker holte sich mit einem Birdie an der 2 die Führung, gab sie mit einem Bogey an der 6 aber wieder ab. Dank eines Birdies an der 9 ging Kaymer 1 auf, Stricker konterte aber sofort an der 10. Die 11 wurde mit Bogeys geteilt, an der 12 leistete sich Stricker sogar noch ein Bogey. Die Führung Kaymers hielt aber wieder nicht lange, weil er seinen Tee Shot an der 13 ins Wasser schlug. An der 14 ging Kaymer mit einem Birdie zum dritten Mal 1 auf, aber wieder kam die Antwort von Stricker. Besser gesagt: Kaymer vergeigte die kurze 15, indem er einen kurzen Par-Putt nicht lochte. Es wurde zu einem reinen Nervenkrieg. An der 17 verpasste Stricker seinen 2-Meter-Par-Putt, Kaymer war etwas näher dran und lochte! Der Deutsche ging 1 auf an die 18. Seinen Abschlag verzog er zwar in den rechten Fairway-Bunker, von dort spielte er aber einen starken Eisenschlag in die Mitte des Grüns. Nachdem Stricker einen starken Par-Putt gelocht hatte, war der Moment für Kaymer gekommen. Er hatte einen 2-Meter-Putt, um das Match zu gewinnen, den 14. Punkt zu holen und damit den Ryder Cup zu verteidigen. "Kaymer to retain the Cup" - und Kaymer lochte. Danach brach es aus dem sonst so ruhigen Deutschen heraus. Als erstes sprang er Garcia in die Arme. Was für ein Moment.

Tiger Woods vs. Francesco Molinari Halved

2010 gewann Woods in Celtic Manor 4&3 gegen Molinari, diesmal war es eine andere Geschichte. Der Italiener führte früh 2 auf nach 3, gab den Vorsprung aber mit Bogeys an der 4 und 6 wieder her. Ein Molinari-Birdie an der 10 sorgte wieder für die Führung des Europäers, doch es folgten Bogeys an der 12 und 13. Woods war jetzt zum ersten Mal vorne, an der 14 stellte Molinari mit einem Birdie aber wieder auf A/S. An der 17 leistete sich Molinari sein fünftes Bogey des Tages, Woods ging 1 auf zum 18. Tee. Hätte Kaymer seinen Putt nicht gelocht, hätte Woods den Ryder Cup für die USA gewinnen können. So war die 18 bedeutungslos. Und es war dennoch bezeichnend, dass Woods zum Abschluss noch einen kurzen Par-Putt vorbei schob, Molinari den Par-Putt schenkte und das Match teilte. Woods spielte im gesamten Match nur ein einziges Birdie (insgesamt +1) und beendete den Ryder Cup mit einer desaströsen 0-3-1-Bilanz.

Reaktionen:

Jose Maria Olazabal (Captain Europa): "Dieser Sieg gehört ganz Europa. Seve wird immer Teil dieses Teams sein. Er war ein großer Faktor für dieses Event für das europäische Team. Als wir letzten Abend unser Meeting hatten, haben die Jungs verstanden, dass es das Wichtigste ist, daran zu glauben. Ich denke, das haben sie getan."

Davis Love III (Captain USA): "Wir sind alle irgendwie fassungslos. Es ist ein bisschen schockierend. Wir haben so gut gespielt. Wir dachten, es spielt keine Rolle, in welcher Reihenfolge wir sie rausschicken. Ein paar Matches in der Mitte haben sich gedreht, das hat uns den Sieg gekostet."

Martin Kaymer: "Es ist unbeschreiblich. Es ist ein Gefühl, das ich zuvor noch nie gespürt habe. Am Freitag habe ich mich mit Bernhard (Langer) zusammengesetzt und mich mit ihm ein bisschen über den Ryder Cup unterhalten, weil meine Einstellung nicht die richtige war. Aber jetzt weiß ich, wie wichtig der Ryder Cup ist."

Ian Poulter: "Kann ich jetzt zwei Jahre Pause machen und dann einfach beim nächsten Ryder Cup zurückkommen? Ich brauche jetzt Urlaub."

Steve Stricker: "Ich bin enttäuscht, dass ich 11 andere Spieler und die Captains im Stich gelassen habe."

Rory McIlroy: "Ich bin ganz entspannt aus meinem Hotelzimmer gelaufen, als ich einen Anruf bekommen habe, dass ich noch 25 Minuten Zeit habe, bis ich abschlagen muss. Zum Glück war ein Polizist vor dem Hotel, der mich eskortieren konnte. Ohne ihn wäre ich nicht pünktlich da gewesen."

Der Star des Tages: Martin Kaymer. Wenn man Team USA in den Singles mit 8,5:3,5 killt, gibt es logischerweise viele Männer des Tages. Natürlich wieder Ian Poulter, der auch sein viertes Match in dieser Woche auf beeindruckende Weise gewann und ohne Zweifel der MVP der Europäer ist. Natürlich auch Luke Donald, der die europäische Aufholjagd ins Rollen brachte. Natürlich vor allem auch Justin Rose und Sergio Garcia, die ihre Matches an der 17 und 18 noch drehten. Für das Finish von Rose gibt es nur ein Wort: göttlich. Wenn man sich einen Putt aussuchen will, an den man sich noch lange Zeit erinnern wird, dann ist es die Rose-Bombe an der 17. Aber: Zur entscheidenden Figur wurde letztlich eben Kaymer. Ausgerechnet Kaymer. Nach einer extrem schwierigen Saison kommt Kaymer zum Ryder Cup, spielt am Freitag in seinem Fourball-Match nicht ein einziges Birdie, wird am Samstag komplett draußen gelassen - und locht dann den Putt zur Titelverteidigung. Es ist kaum zu fassen. Kaymer spielte auch gegen Stricker nicht sonderlich stark (Even Par), aber er lochte den wichtigsten Putt seines Lebens. Das alleine zählt.

Der Flop des Tages: Steve Stricker/Tiger Woods. Stricker und Woods haben im gesamten Ryder Cup 2012 tatsächlich nicht einen einzigen Punkt für Team USA beigesteuert. Jeder andere US-Spieler hat mindestens für einen Punkt gesorgt. Stricker verlor alle 4 Matches, Woods hatte am Ende einen lächerlichen halben Punkt auf dem Konto. Macht zusammen eine Bilanz von 0-7-1. Katastrophal. Zugegeben, Woods hatte an den ersten beiden Tagen auch seine guten Phasen und spielte auf der Back Nine viele Birdies, aber in seinem Singles-Match gegen Molinari war seine Leistung absolut enttäuschend (nur 1 Birdie). Strickers Vorstellung war während der ganzen Woche erschreckend schwach. Stricker ist ohne Zweifel einer der besten Putter auf der Welt, umso schockierender war es, wie viele Putts er in Medinah nicht lochte. Bezeichnend für den US-Kollaps, dass es Stricker war, der das entscheidende Match gegen Kaymer verlor.

Die Analyse: Fast zwei komplette Tage lang war der Ryder Cup 2012 ein schmerzhafter europäischer Albtraum. Team USA dominierte, Team USA lochte einen Putt nach dem anderen - und ein frustriertes Team Europe war auf bestem Wege, eine vernichtende Niederlage zu kassieren.

Die Amerikaner führten 10-4, als noch zwei Matches auf dem Platz waren. In einem lagen die US-Boys vorne, im anderen holten Woods und Stricker gerade auf. Es ist , dass die Amerikaner von diesem Zeitpunkt an nur noch 3,5 Punkte zustande brachten. Es ist ein Kollaps, den sie so schnell nicht vergessen werden.

Europa reichte eine Stunde, in der dank der Ian-Poulter-Show (5 Birdies in Folge) plötzlich die Hoffnung und das Feuer zurück kam. Statt 4-12 oder 5-11 stand es "nur" 6-10, das Momentum hatte sich leicht auf die europäische Seite gedreht. Der Glaube an das Wunder von Medinah war da. Vor allem, weil der verstorbene Severiano Ballesteros am Sonntag irgendwie dabei zu sein schien. Die Europäer trugen sein marineblaues Seve-Outfit, sie hatten seine Silhouette auf dem Arm, und sie hatten seinen kongenialen Partner als Captain. Wenn man es schaffen konnte, dann jetzt.

Olazabals Plan, seine stärksten Spieler sofort rauszuschicken, ging perfekt auf. Europa gewann die ersten 5 Matches gegen die stärksten Amerikaner und baute damit zum ersten Mal in der Woche richtigen Druck auf. Auf US-Seite muss sich Love III fragen lassen, ob es so klug war, seinerseits auch seine besten Spieler an die Spitze zu stellen. In gewisser Weise "vergeudete" er Bradley, Mickelson oder Simpson. Auch die Entscheidung Mickelson/Bradley in den Fourballs am Samstag zu schonen, sieht jetzt unglücklich aus.

1999 in Brookline hatten die Amerikaner einen 6:10-Rückstand noch gedreht, jetzt hat sich Europa also revanchiert. Und das auswärts, was das Ganze definitiv zum größten Comeback der Geschichte macht. Zumal es anders als damals keine eindeutigen Angelegenheiten in den frühen Matches gab. Dieses Mal war fast jedes Match ein Krimi. 6 der 12 Matches gingen am Sonntag auf die 18 - die Amerikaner gewannen nur eines davon.

Was soll man dazu groß sagen? Es war ein Comeback für die Ewigkeit und einer der größten Momente in der Golfgeschichte. Mit einem Deutschen als Helden, der dafür gesorgt hat, dass Europa jetzt 7 der letzten 9 Ryder Cups gewonnen hat. Magischer geht es nicht.

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