Der grausamste Sport der Welt

Von Für SPOX in Royal Lytham & St. Annes: Florian Regelmann
Das war wohl nix: Adam Scott verspielte bei den Open einen großen Vorsprung
© Getty
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5. Die Putter-Diskussion: Keegan Bradley gewann die PGA Championship 2011 mit dem Belly Putter. Webb Simpson gewann die US Open 2012 mit dem Belly Putter. Ernie Els hat jetzt die Open Championship 2012 mit dem Belly Putter gewonnen. Und Adam Scott benutzt ebenfalls einen langen Putter.

Einfache Frage: Gehören die langen Putter verboten? Wir hören Padraig Harrington: "Die Jungs würden sie nicht benutzen, wenn sie mit ihnen nicht besser putten würden. Es ist ganz klar: Wenn morgen jemand den Belly Putter erfinden würde, würde er nicht zugelassen werden. Der einzige Grund, warum die langen Putter erlaubt wurden, hat mit Sympathie zu tun. Es gab Spieler, die vor 20 Jahren damit gespielt haben und am Ende ihrer Karriere angekommen waren. Niemand wollte die Karriere von Bernhard Langer beenden und ihm sagen, dass er den Putter so nicht halten kann."

Harrington steht sicher nicht alleine da mit seiner Meinung. Es bleibt abzuwarten, ob ein Verbot irgendwann kommt oder nicht.

4. Collabi Scottie: Kollaps, lateinisch collabi, "zusammenbrechen". Adam Scott ist seit der Open Championship Teil eines illustren Klubs, dem auch Jean Van de Velde, Phil Mickelson oder Ed Sneed angehören.

In diesen Klub kommt nur derjenige, der es fertig bringt, einen sicheren Major-Sieg aber mal so was von jesusmäßig zu vergeigen. Van de Velde erledigte sich 1999 in Carnoustie mit seinem legendären Triple-Bogey am letzten Loch, Scott verblutete langsamer. Bogey 15. Bogey 16. Bogey 17. Bogey 18.

Ein paar schnöde Pars, Vijay Singh spielte am Sonntag gleich 18 Stück davon, hätten Scott locker gereicht. Doch es kam die Implosion. Scott ist nach Van de Velde erst der zweite Spieler in der Geschichte, der nach 54 Löchern mit mindestens vier Schlägen Vorsprung geführt und noch verloren hat. Und SPOX fühlt sich ein bisschen schuldig.

Kurz bevor Scott an der 16 seinen ganz kurzen Par-Putt hatte, murmelte der Autor dieses Textes nicht weit vom 16. Grün entfernt in die Runde: "Achtung, der lippt jetzt aus." Was er ja dann auch tat und was der Anfang vom Ende sein sollte.

Zuvor hatte die pure Anwesenheit des Autors schon gereicht, um Marcel Siem an Tag eins zu einem Bogey-Bogey-Bogey-Finish zu verhelfen. Und auch die sagenhafte 82 des Schotten Martin Laird kam wohl nicht von ungefähr. Nur um ein paar Beispiele zu nennen. Sorry dafür.

3. Halt die Fresse! Wenn jemand ein Vorbild sucht, wie man im schlimmsten Moment seiner Karriere nach der ultimativen Herzzerreißung mit Würde und Anstand verliert, der sollte sich an Adam Scott ein Beispiel nehmen.

Wie Scott sich im Anschluss an seinen soeben erlebten Albtraum verhielt, war ganz große Klasse. Jeder hätte es verstanden, wenn er kurz angebunden gewesen wäre, wenn er keine Lust mehr auf Fragen gehabt hätte. Aber im Gegenteil, er war fast schon zu höflich. Denn am Ende seiner Pressekonferenz bekam Scott eine der unfassbar lächerlichsten und peinlichsten Fragen überhaupt gestellt.

"Kamen Ihre Eltern ursprünglich aus Freckleton und hatte ihre Großmutter ein Haus mit Blick auf den Platz?" Hä? Freckleton? Guter Zeitpunkt für diese überaus interessante Frage...

"Nein, meine Eltern stammen aus Australien. Es sind die Cousins meines Vaters, die aus Freckleton kommen. Und ich glaube, seine Tante lebte einmal hinter dem neunten Grün", antwortete Scott.

Ernie Els bekam den Claret Jug und entschuldigte sich beinahe dafür, Adam Scott bekam Freckleton. Ganz im Ernst, er hätte auch einfach in bester Ahmet-Öner-Manier antworten können: "Halt die Fresse!" Schon allein wegen seines Verhaltens in der Niederlage muss jeder Scott wünschen, dass sein großer Tag noch kommen wird. Und dass ihn diese Niederlage nicht erst mal brechen wird.

2. Plötzlich ist The Big Easy wieder da! Der Zusammenbruch von Adam Scott hat es ermöglicht, aber die Art und Weise, wie Ernie Els sich letztlich den Titel holte, war gigantisch. Nach neun Löchern lag Els für die Finalrunde zwei über Par - der Zug schien abgefahren.

Doch dann legte der Südafrikaner eine überragende Back Nine mit vier Birdies und keinem einzigen Bogey hin. Nachdem der Putter die ganze Woche lang nicht sonderlich heiß gelaufen war, fielen jetzt einige Putts für Els. Es hätten aber sogar leicht noch mehr sein können. Dass sein gelochter Birdie-Putt an der 18 letztlich der Putt zum Sieg war, hätte er selbst nicht gedacht.

Aber es war so. Der Champion Golfer of the Year heißt Ernie Els. Wir haben den 16. unterschiedlichen Major-Sieger in Folge. Auch wenn sich Els in dieser Saison wieder stärker gezeigt hat, vor allem seit er zum Belly Putter gewechselt ist, wirklich angedeutet hat sich sein Sieg nicht.

Für Els ist es sein vierter Major-Sieg (US Open 1994, 1997, Open Championship 2002), aber sein letzter lag eben volle zehn Jahre zurück. Damals setzte sich Els in Muirfield im Stechen gegen Thomas Levet, Steve Elkington und Stuart Appleby durch. Die zehn Jahre zwischen seinen beiden Open-Siegen sind der zweitlängste Abstand der Geschichte. Sir Henry Cotton hält mit elf Jahren (1937-1948) den Rekord.

Dass Els, der 2004 auch noch im Playoff von Troon am unvergleichlichen Todd Hamilton scheiterte, Royal Lytham & St. Annes liegt, wusste man. 1996 war er an gleicher Stelle schon einmal Zweiter hinter Tom Lehman, 2001 belegte er beim Sieg von David Duval Rang drei.

Jetzt hat Els, der sich in der Weltrangliste von Rang 40 auf Platz 15 verbessert, mit seinem Sieg gleich mehrere bemerkenswerte Leistungen vollbracht. Els ist erst der sechste Spieler (Jack Nicklaus, Tiger Woods, Walter Hagen, Bobby Jones, Lee Trevino), der die US Open und die Open Championship je zweimal gewonnen hat.

Dazu ist er nach Duval (2001 auch in Royal Lytham) der zweite Spieler, der seit 1995 ein Major gewinnt, obwohl er nach 36 Löchern mit mindestens sieben Schlägen zurück lag. Els lag sieben Schläge hinter Halbzeit-Leader Brandt Snedeker.

Els ist außerdem auch erst der achte Spieler, der in drei verschiedenen Jahrzehnten ein Major für sich entschieden hat. Und: Er ist nach Darren Clarke der zweite 42-Jährige nacheinander, der die Open Championship gewinnt. Scheint das richtige Alter zu sein.

1. Geil... aber grausam: Wieder ist ein Major vorbei - und wieder stellt man fest, wie unfassbar Golf ist. Wie unfassbar fesselnd, wie unfassbar schön, und eben auch wie unfassbar fies.

Da hat eigentlich schon jeder Adam Scott in Gedanken gratuliert, ja sein Name stand sogar schon auf der Championship-Medaille, und dann entwickelt sich solch ein Drama. Die Woche hatte schon verrückt begonnen, als Brandt Snedeker meinte, die ersten 41 Löcher einfach mal komplett ohne Bogey absolvieren zu müssen.

Brandt Snedeker? Das ist ja der Typ, der bei einer Open Championship noch nie was gerissen hatte und sich mal beim Husten eine Rippe brach. Und der jetzt die Open anführte und selbst genauso geschockt war wie der Rest der Golf-Welt.

Schockierend war auch der zweite Schlag von Graeme McDowell am Finaltag an der Elf. G-Mac war wie schon bei der US Open in der letzten Gruppe, spielte aber erneut eine schwache Schlussrunde. Mit dem negativen Höhepunkt an der Elf, als er den Ball links in die Büsche kloppte, wie es kein Amateur auf dieser Welt hätte schlechter machen können. Ein abenteuerlich mieser Golfschlag eines Superstars.

Abenteuerlich gut war dafür der zweite Schlag von Els an der 16. Vom Weg weit rechts neben dem Grün spielte Els den Ball zwischen den Bunkern flach durch und ließ ihn per Bounce in Richtung Fahne rollen. Ein überragender Golfschlag.

Und das von jemandem, der im März noch "ausgelacht" wurde, wie Els hinterher anmerkte. Dem viele Leute rieten, doch zurückzutreten. Weil er doch eh nichts mehr drauf haben und nichts mehr gewinnen würde. Einige Monate später ist alles anders. Verrückt.

Geoff Ogilvy (Australiens letzter Major-Champion/2006 US Open) fasst die Gefühlslage vieler noch mal für uns zusammen: "Ich freue mich für Ernie. Aber jetzt ist mir schlecht.

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