Hey Zypresse, gib den Ball zurück!

Von Florian Regelmann
Wer findet diesen verdammten Ball? Die verlorenen Bälle in den Cypress Trees waren zum Staunen
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5. Liebeserklärung an G-Mac: Ganz klar, Jim Furyk hat den Sieg weggeschmissen. Der Abschlag an der 16, ein klassischer Duck-Hook, den der Autor dieser Zeilen im Schlaf genauso nachspielen kann, war wohl der schlechteste Schlag seines Lebens. Und der Eisenschlag an der 18 war kaum besser. Furyks Finish war bitter, aber SPOX gibt ehrlich zu, dass es mehr mit Graeme McDowell gefiebert hat.

G-Mac ist seit dem letzten Ryder Cup ohnehin für alle Ewigkeit ein europäischer Held - und in dieser Woche hat der Nordire wieder alles demonstriert, was ihn so brutal lässig macht. Sein Birdie-Putt an der 17, sein Blick danach auf der 18, diese wilde Entschlossenheit jetzt noch das Stechen zu erreichen, obwohl er den ganzen Tag praktisch nie auf dem Fairway lag - das war schon beeindruckend.

Dass er sich dann beim Putt übel verlesen hat - shit happens. Es war auch so ein großes Turnier von McDowell, nachdem er seit seinem US-Open-Sieg 2010 ein ziemliches Tal durchwandern musste. Aber gut, dass G-Mac im Ryder-Cup-Jahr wieder da ist. Europe wird ihn brauchen.

4. Loch 1-6 - sadistischer Spaß: Wenn man im Lake Course am 1. Tee steht, dann weiß man genau: Jetzt wird's dreckig.

Es gibt auf der ganzen Welt keine schwierigeren ersten sechs Löcher als im Olympic Club. Es ist der pure Überlebenskampf, getreu dem Motto: irgendwie zur 7 kommen und noch nicht zerlegt worden sein, ach wäre das schön.

Die Wochen-Bilanz der Horror-Löcher: 943 Bogeys, 129 Doppel-Bogeys und 12 schlimmere Unfälle. Heißt: Das Feld lag für die ersten 6 Löcher weit über 1000 über Par. Un-fass-bar!

3. Tiger, Du nervst! Ganz im Ernst: Was soll man zu Tiger noch sagen? Nach dem starken Memorial-Sieg denkt man: Jetzt ist es soweit, jetzt ist es wieder der alte Tiger. Jetzt gewinnt er sein 15. Major. Nach den ersten beiden Runden denkt man: Ja, jetzt ist es ja echt soweit. Jetzt gewinnt er sein 15. Major.

Und dann? Dann schießt Tiger am Tag mit den günstigsten Bedingungen aus dem Nichts eine 75, liegt am Finaltag nach der 6 +6 für die Runde und ist völlig weg vom Fenster. Ein unerklärbarer Wahnsinn. Ein Hauptgrund für Tigers Probleme: sein kurzes Spiel. Nur 2/11 Sand Saves ist zu schwach, sein Putter hat ihn außerdem auch wieder im Stich gelassen.

"Ich ziehe viel Positives aus der Woche. Ich habe den Ball richtig gut getroffen. Leider bin ich bis zum letzten Tag nicht mit der Geschwindigkeit der Grüns zurecht gekommen", sagte Woods (jetzt 0/49 wenn er nach Tag 3 nicht führt). Positives will er also da rausziehen? Wirklich?

Wann er seine Major-Durststrecke (2008 US Open) beendet? Ob er noch den Jack-Nicklaus-Rekord (18 Majors) bricht? Keine Ahnung. Aber es nervt ein wenig, dass Tiger ein ganz normaler Golfer geworden ist. Ein ganz normaler Golfer, bei dem sein Spiel von jetzt auf gleich einfach mal sagt: Mach's gut, ich bin dann mal weg...

2. Golfballabducterus! "Zypressen-Arten findet man in allen warmen Klimazonen der nördlichen Hemisphäre, so im Westen Nordamerikas...", heißt es bei Wikipedia. Und weiter erfahren wir im Netz: "Sie gilt als Baum des Todes und der Trauer." Stopp, hier sind wir richtig. Zypressen-Arten findet man in der Tat im Westen Nordamerikas. Zum Beispiel im Olympic Club. Und sie sorgen in der Tat für Trauer.

Es müsste ein Warnschild geben am Tee: Vorsicht, wenn du deinen Ball in den Baum haust, könntest du ihn NIE WIEDER sehen. Stichwort: Golfballabducterus, wie es "Golf.com" so treffend beschrieb. Es war der frühe Donnerstagmorgen, als Phil Mickelson seinen Tee-Shot an der 9 in die Bäume rechts vom Fairway schlug.

Sein Ball kam nie wieder runter. Mickelson musste zurück ans Tee, erwischte einen schlimmen Start ins Turnier, kassierte noch weitere 20 Bogeys und spielte nie mehr eine Rolle.

Und da war unser Freund Lee Westwood. Der beste Spieler ohne Major-Sieg, der grundsätzlich in den Top 10 landet, aber nie gewinnt. In der Finalrunde war er wieder mal dran und schnupperte am ersehnten Triumph, doch dann kam Loch 5. Abschlag in die Zypresse, Ball weg, Doppel-Bogey, sayonara, Lee.

Der betende Webb Simpson - oder 9 in Folge! Es ist wie immer: Wer das Ding am Ende hochhält, hat es auch verdient. IMMER. Das gilt auch und insbesondere für Webb Simpson. Der 26-Jährige war in der Finalrunde der einzige Spieler in den letzten neun Gruppen, der unter Par blieb. Und außerdem hat der Junge am Wochenende zweimal eine 68 nach Hause gebracht. Das ist einfach bärenstark.

Dazu ist Simpson ja wahrlich kein Überraschungssieger. Seine Saison 2011 war mit 2 Siegen, 12 Top-10-Ergebnissen und 21 Top-25-Ergebnissen in 26 Starts wahnsinnig gut. Sein erster Major-Sieg kommt nicht von ungefähr. Dass er aber ausgerechnet jetzt kommt, wo Simpson zuletzt die Cuts bei der Players Championship und beim Memorial verpasst hatte, zeigt mal wieder die Unberechenbarkeit im Golf.

Bemerkenswert: Mit Simpson hat zum 9. Mal in Folge ein Spieler seinen ersten Major-Sieg gefeiert. Wenn man weiter zurückgeht, lautet die Bilanz der First-Time-Winners sogar 12/13. Mickelson ist mit seinem Masters-Sieg 2010 die Ausnahme. Simpson ist auch der 15. unterschiedliche Sieger in den letzten 15 Majors. Das muss man kurz wirken lassen.

Wie stark er den Druck gespürt hat? Nun ja, Simpson fühlte seine Beine auf der Back Nine kaum noch. Hat er so gesagt. Auf den letzten drei Löchern hat er dann so viel gebetet wie noch nie in seinem Leben zuvor. Und Simpson ist sehr gläubig, das will was heißen. Kurzum: Es waren wieder legendäre US Open.

Zwischenzeitlich kamen einem Gedanken wie ein mögliches Stechen zwischen Beau Hossler und Alistair Presnell in den Kopf. Kranke Gedanken. Zum Abschluss noch mal die Jungs, die an den 4 Tagen die besten Runden notiert haben.

Tag 1: Michael Thompson (66). Tag 2: Hunter Hamrick (67). Tag 3: Casey Wittenberg (67, gemeinsam mit Westwood). Tag 4: Michael Thompson (67). Thompson, Hamrick, Wittenberg, Hossler - wer sind die? Das gibt es nur im Golf.

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