"Ich hatte über 80 Rechtschreibfehler"

Von Interview: Johannes Rohrmaier
Giuliano Modica verpasste in der Aufstiegssaison kein Spiel für Dynamo
© getty

Giuliano Modica hat in der vergangenen Saison kein Spiel für Dynamo Dresden verpasst und spielt mit dem Aufsteiger auch dieses Jahr eine starke Saison. Im Interview spricht er über seine veränderte Situation als frisch gebackener Vater, seine schwierige Jugend und sein persönliches Erfolgsgeheimnis.

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SPOX: Herr Modica, Sie sind vor nicht allzu langer Zeit Vater geworden. Wie hat sich diese neue Rolle auf ihr Leben als Profi ausgewirkt, schaffen Sie es trotz weniger Schlaf, immer topfit zu sein?

Giuliano Modica: Zuerst muss ich sagen, dass ich froh und dankbar bin, eine Frau an meiner Seite zu haben, die mich immer unterstützt. Außerdem hatten wir uns zuvor einen Hund angeschafft, was uns ein wenig auf die Situation vorbereitet hat. (lacht) Aber ein Kind ist natürlich etwas ganz anderes. Es gibt keine Mittagspause mehr, ich kann mich nicht mehr auf die Couch legen und Pause machen, wann ich will. Aber ganz klar: Sobald die Kleine lacht, vergesse ich alles, den ganzen Stress und die Müdigkeit.

SPOX: Lassen Sie uns beim Thema Fitness bleiben. In dieser Saison haben Sie schon zweimal aufgrund von Verletzungen länger gefehlt, in der Spielzeit zuvor standen Sie jedes Spiel für Dynamo auf dem Platz und waren ein Garant für den Aufstieg. Woran liegt das?

Modica: Das hat keinen speziellen Grund, das waren einfach unglückliche Situationen. Das war ja auch nichts Dramatisches, ich habe ja trotzdem schon 17 Spiele gemacht.

SPOX: Wie ist es für Sie mental, wenn sie verletzt sind und zuschauen müssen. Bangen Sie um ihren Stammplatz?

Modica: Ich hatte schon immer ein gesundes Selbstbewusstsein und mein Motto ist es, immer hart zu arbeiten und mehr zu machen als die anderen, um dem Trainer das Leben so schwer wie möglich zu machen.

SPOX: Diese Einstellung speist sich sicherlich auch aus Ihrer schweren Kindheit in Argentinien.

Modica: Meine Erlebnisse in der Kindheit haben mich geprägt und zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Meine Mutter hatte keinen Job und wir haben bei Freunden gelebt, weil wir uns selbst keine Wohnung leisten konnten. Ich musste dort auf dem Boden schlafen.

SPOX: Sie waren zwölf Jahre alt, als Sie mit Ihrer Mutter nach Deutschland kamen. Wie ist das gelaufen?

Modica: Ein Onkel hatte in Offenbach eine Eisdiele. Meine Mutter hat die Chance ergriffen, hat alles verkauft, was wir noch hatten und ist mit mir nach Deutschland gegangen. Wir haben zwei Jahre in einem kleinen Zimmer über der Eisdiele gelebt, meine Mutter hat Tag und Nacht gearbeitet, bis wir uns eine eigene Wohnung leisten konnten.

SPOX: Zuwanderung ist in Deutschland ein sehr aktuelles Thema. Was war für Sie die größte Schwierigkeit?

Modica: Definitiv die Sprache. Ich bin zuerst in einen Deutschkurs gekommen, in dem ich mich gut entwickelt habe, danach aber direkt in die fünfte Klasse, was sehr schwer war. In meinem ersten Diktat hatte ich über 80 Rechtschreibfehler.

SPOX: Wurden Sie gut aufgenommen oder haben Sie in dieser Zeit auch negative Erfahrungen gemacht?

Modica: Die einzig negative Erfahrung war, dass ich manchmal ausgelacht wurde. Gerade in der Oberstufe, als die ganzen Philosophen durchgenommen wurden, wurde es für mich extrem schwer. An sich habe ich aber keine schlimmen Erfahrungen gemacht, was aber vielleicht auch mit mir als Persönlichkeit zusammenhängt. Ich bin ein einfacher Typ und mit Menschen immer gut zurechtgekommen.

SPOX: Sie haben sowohl die italienische, als auch die argentinische Staatsbürgerschaft und leben nun schon lange in Deutschland. Wo fühlen Sie sich zugehörig?

Modica: Ich fühle mich definitiv als Argentinier. Was ich dort erlebt habe, werde ich nie vergessen. Ich weiß aber nicht, ob ich aktuell zurückkehren wollen würde. Ich fühle mich sehr wohl in Europa, vor allem in Deutschland.

SPOX: Wie haben Sie als leidenschaftlicher Argentinier in Deutschland das WM-Finale 2014 erlebt?

Modica: (lacht) Das war natürlich sehr bitter, denn ich war schon für Argentinien. Aber wenn man sich den Turnierverlauf anschaut, hatte Deutschland den Sieg verdient.

Die Opta-Statistik von Giuliano Modica in der Saison 2016/2017

SPOX: Trotz aller Schwierigkeiten stand für Sie Fußball immer an erster Stelle. Wann haben Sie daran geglaubt, dass Sie den Sprung zum Profi schaffen können?

Modica: Die entscheidende Saison war für mich vor zwei Jahren, als ich mit Kickers Offenbach Meister in der Regionalliga Südwest wurde. Wir sind dann zwar in der Relegation gescheitert, die Saison war für mich persönlich aber sehr erfolgreich, weil ich auch als Innenverteidiger einige Tore gemacht habe. Dadurch habe ich den Sprung zu Dynamo Dresden geschafft.

SPOX: Haben Sie sportlich ein Vorbild?

Modica: Ich hab natürlich großen Respekt vor Leuten wie Lionel Messi. Für mich sind aber Spieler wie Javier Mascherano oder Javier Zanetti fast noch wichtiger. Das sind Typen, die alles auf dem Platz lassen, jedes letzte Prozent an Kraft. Mascherano ist für mich ein absolutes Vorbild, weil er immer alles gibt und in jeder Situation vorangeht.

SPOX: Als Aufsteiger mischt Dynamo auch in der 2. Liga oben mit. Ist der Durchmarsch in die Bundesliga machbar?

Modica: Die 2. Liga ist kein Zuckerschlecken, aber wir können jeden Gegner schlagen. Die nächsten Spiele sind für uns sehr wichtig und wir wollen natürlich jedes Spiel gewinnen. Dennoch sind wir immer noch ein Aufsteiger und fangen gar nicht an zu träumen.

SPOX: Dresden ist für seine enthusiastischen Fans bekannt. Ist diese Unterstützung für Sie persönlich auf dem Platz wichtig und spürbar?

Modica: Auf jeden Fall. Die Unterstützung der Fans gibt uns zusätzlich Kraft. Es ist unglaublich, wie viele Fans uns auch bei Auswärtsspielen unterstützen, das ist sicher einmalig.

SPOX: Ihr Vertrag läuft am Saisonende aus. Gibt es überhaupt Gründe dafür, den Verein zu verlassen?

Modica: Wir befinden uns in Gesprächen und das Gesamtpaket muss für mich und meine Familie stimmen. Es gibt auch andere Anfragen, aber Dynamo Dresden ist ganz klar mein erster Ansprechpartner.

Giuliano Modica im Steckbrief

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