"Ich hätte nie Bock, beim FC Bayern zu spielen"

Von Interview: Benno Seelhöfer
Marius Ebbers erzielte insgesamt 108 Treffer in der ersten und zweiten Bundesliga
© getty
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SPOX: Gab es in Ihren über 15 Jahren als Profi auch Situationen, über die Sie sich im Nachhinein ärgern?

Ebbers: Ja, auf jeden Fall. Zum Beispiel in meiner Anfangszeit, in den ersten Wochen bei den Profis des MSV Duisburg. Als ich noch Amateur war, hätte ich damals im Kader für ein Auswärtsspiel der ersten Mannschaft sein sollen. Die Chancen auf einen Einsatz gingen gegen Null - und dann hatte ich plötzlich Achillessehnenprobleme. (lacht)

SPOX: Was war wirklich los?

Ebbers: Es war einfach eine gute Party am Wochenende, die wollte ich nicht verpassen. Da war ich wohl noch nicht ganz bereit, wirklich diesen Schritt zum Profifußball zu machen. Ich weiß jetzt nicht, ob das meine Karriere großartig beeinflusst hat. Vielleicht wäre ich dann ja auch Nationalspieler geworden, keine Ahnung.

SPOX: Sie waren doch Nationalspieler: im Kleinfeldfußball.

Ebbers: Stimmt, aber da habe ich mich nicht unbedingt über Leistung qualifiziert, sondern eher durch meine Karriere. Der Kontakt kam über einen Bekannten von Viva con Agua zustande. Anschließend spielten wir eine WM in den USA und eine EM in Kroatien.

SPOX: Wie lief's?

Ebbers: Die WM war praktisch eine andere Sportart, weil die das Kleinfeld anders als in Europa spielen. Dort wird quasi auf einem Eishockey-Feld mit abgerundeten Banden gespielt. Deshalb hatten wir dort nicht die geringste Chance. Bei der EM sind wir dagegen einfach unglücklich ausgeschieden.

SPOX: Sie haben in Ihrer Karriere ziemlich viel miterlebt, nicht nur die klassischen Episoden wie Auf- oder Abstiege. Machte das für Sie den Reiz aus, dass Erfolg und Misserfolg oft so nah beieinander liegen?

Ebbers: Klar. Ich hätte nie Bock, beim FC Bayern zu spielen, weil die immer Erfolg haben. (lacht) Im Nachhinein hätte ich mir schon gewünscht, noch ein bisschen erfolgreicher zu sein. Trotzdem war's eine geile Zeit.

SPOX: Ein wichtiges Spiel in Ihrer Karriere fand am 10. April 2012 mit St. Pauli gegen Union Berlin statt. Erinnern Sie sich noch?

Ebbers: Habe ich da meinen hundertsten Treffer erzielt?

SPOX: Nein. Sie haben nach dem Spiel die DFB-Auszeichnung "Fair ist mehr" bekommen, weil Sie bei ihrem Treffer zum vermeintlichen 2:1 auf Nachfrage von Schiedsrichter Tobias Welz ein Handspiel zugegeben haben. Hätten Sie diese Entscheidung bereut, wenn das Spiel nicht doch noch gewonnen worden wäre?

Ebbers: Nein. Natürlich ist es am Ende noch perfekt gelaufen, Fin Bartels traf kurz vor Schluss zum 2:1. Ich bin auch nicht aktiv auf den Schiedsrichter zugegangen und habe gesagt: 'Schiri, das war Hand!' Ich habe aus dem Bauch heraus geantwortet, als er mich gefragt hat. Ich sagte ihm, dass alles sehr schnell ging und ich den Ball mit dem Kopf und der Hand berührt habe. Letztlich war es seine Entscheidung. Es ist schön, diese Auszeichnung erhalten zu haben. Das Drumherum fand ich aber dann doch etwas übertrieben.

SPOX: Hätten Sie anders geantwortet, wenn das ohnehin nicht unwichtige Spiel damals noch existenzieller gewesen wäre?

Ebbers: Wenn es das letzte Saisonspiel gewesen wäre und wir einen Sieg für den Klassenerhalt benötigt hätten, dann hätte ich bestimmt gesagt: 'Nee, alles in Ordnung.' Da bin ich ganz ehrlich. Wenn es um einen Abstieg und um Jobs geht, also auch um die auf der Geschäftsstelle und so weiter, dann wäre das wohl etwas anderes gewesen. Ich kann mir zumindest gut vorstellen, dass ich dann von einem regulären Tor gesprochen hätte. Grundsätzlich kommt eine solche Nachfrage auch auf die Situation an. Wenn der Schiedsrichter den Spieler fragt und dieser lügt sozusagen für den Verein, weil es um wirklich viel geht, dann steht der Spieler am Pranger. Ich weiß daher nicht, ob es immer die richtige Entscheidung ist, die Spieler zu fragen.

SPOX: Eine ähnliche Situation, die viele Gemüter erhitzte, war die Schwalbe von Timo Werner gegen Schalke.

Ebbers: Die Kameras zeichnen alles auf und dadurch kommt am Ende sowieso die Wahrheit ans Licht - ganz egal, was man nach dem Spiel erzählt. Was soll man da auch sagen? Es gibt so viele Spieler, die Schwalben machen. Letztlich gehört es wohl zum Fußball dazu. Würden wir keine Schwalben mehr sehen, könnte auch niemand mehr diskutieren - und das wäre ja langweilig. Solche Dinge passieren in jedem anderen Sport auch, nur sieht es da nicht jeder. Auch in der Diskussion um den Videobeweis hoffe ich, dass man eine Regelung findet, die den Sport so lässt, wie er ist.

SPOX: Woran denken Sie dabei?

Ebbers: Es darf nicht so weit kommen, dass alle zehn Minuten ein Videobeweis gefordert wird. Der Sport lebt auch von Fehlentscheidungen, sowohl von Schiedsrichtern als auch von Spielern. Deshalb glaube ich auch nicht an einen Bayern-Bonus. Auch das Foul kürzlich gegen Hertha war ein paar Sekunden nach der regulären Nachspielzeit. Ich weiß nicht, ob ein Schiedsrichter dann sagen kann: 'Den Freistoß aus einer gefährlichen Zone, den lasse ich nicht mehr ausführen, weil die Nachspielzeit vorbei ist.' Gott sei Dank bin ich kein Schiedsrichter. (lacht) Würde immer alles regulär ablaufen, hätte die Presse auch nichts mehr zu schreiben.

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