"Ich war für die Medien eine Zielscheibe"

Von 2003 bis 2014 war Cacau für den VfB Stuttgart im Einsatz - dabei gelangen ihm 109 Treffer
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SPOX: Sie selbst saßen vor eben jener Meistersaison mit ein paar Kollegen zusammen und sprachen von einer Saison im Abstiegskampf. Was gab damals den Ausschlag für diese phänomenale Geschichte?

Cacau: Das war mit Fernando Meira und Pavel Pardo. Wir sprachen davon, dass es diese Saison sicher gegen den Abstieg gehen würde. Aber eine Spielzeit ist auch immer eine Entwicklung. Wir sind damals schlecht aus den Startlöchern gekommen. Auswärts waren wir gut, Zuhause weniger. Irgendwann kamen wir in einen Lauf, die Automatismen griffen, das nötige Glück kam dazu. Am wichtigsten war aber dieser extreme Zusammenhalt. Wir waren eine Einheit, es gab keinen wirklichen Star oder herausragende Einzelspieler. Diese Saison ging nur über Teamwork. Eine Grundlage, die für Vereine wie den VfB die einzige Möglichkeit ist, eine solche Leistung zu vollbringen.

SPOX: Und warum konnte man in den letzten Jahren diese negative Tendenz nicht abwenden?

Cacau: Abgesehen von den angesprochenen Punkten hat einfach die Achse gefehlt. Ein fester Kern. Damals hatten wir ein festes Gerüst mit einer echten Mannschaft. Und mit Blick auf die aktuelle Situation: Das Trainerteam, der Manager lassen sich nicht täuschen von den ersten Erfolgen, das war nicht immer so. Inzwischen wird hier selbstkritisch gearbeitet und immer wieder auf die noch vorhandenen Schwachstellen hingewiesen.

SPOX: Hannes Wolf ist ein weiteres junges Gesicht auf der Trainerbank eines Profiklubs. Sie haben mit zahlreichen Trainern zusammen gearbeitet. Welche Rolle spielt überhaupt das Alter bei einem Coach?

Cacau: Mit einem so jungen Trainer habe ich nicht gearbeitet, aber meiner Meinung nach kommt es vor allem darauf an, wie ein Trainer auf die Spieler zugeht. Man muss mit Glaubwürdigkeit und einem klaren Plan seine Ideen vermitteln. Erfahrung spielt sicher auch eine Rolle, aber wenn man diese nicht vermitteln kann, bringt die ganze Erfahrung nichts. Die Kommunikation muss einfach stimmen. Jeder Spieler sollte das Gefühl haben, dass der Trainer selbst die kleinsten Dinge im Training sieht und anerkennt.


SPOX: Wer konnte das in Ihrer Karriere am besten?

Cacau: In Japan hatte ich einen brasilianischen Trainer, das hat schon vieles einfacher gemacht. Zudem hatte er einen klaren Plan im Kopf und eine Philosophie, mit der ich mich sehr gut identifizieren konnte. In Deutschland würde ich Christian Gross nennen. Er hat die perfekte Mischung aus Distanz und Nähe vermittelt, war klar in seinem Auftreten. Das hat einfach gepasst.

SPOX: In Stuttgart erarbeiteten sie sich über die Jahre eine ganz besonderes Standing bei den Fans. Können Sie sich noch daran erinnern, als es zwischen Ihnen und dem Publikum endgültig gefunkt hat?

Cacau: Das war nicht immer so, gerade wenn es nicht so gut lief. Auch weil ich irgendwann der einzige deutsche Nationalspieler war, lange schon für den Verein gespielt hatte und für die Medien eine einfache Zielscheibe war. Ich habe in erster Linie immer alles für das Team gegeben und das haben die Fans gesehen. Die Schlüsselszene kam aber erst spät in meiner VfB-Karriere. Im Spiel gegen Leverkusen, als sich Bernd Leno mit der Cannstatter Kurve angelegt hat und ich dazwischen bin. Da haben die Fans wohl gemerkt: 'Da ist jemand, der unsere Farben verteidigt.' Da hat die Kurve, die nicht immer so einfach zu kriegen ist, ganz klar ihre Zuneigung gezeigt. Das war ein schöner Moment.

SPOX: Kann sich diese Kurve dieses Jahr über den Aufstieg freuen?

Cacau: Ich habe ein gutes Gefühl. Doch in der Bundesliga ist anschließend Geduld gefragt. Es wird Jahre dauern, bis der Verein wieder dort ist, wo er vor fünf, sechs Jahren war. Man braucht ein gutes Händchen bei Transfers, muss Spieler aus der eigenen Jugend verstärkt einbinden und Leistungsträger halten. Dafür muss dann natürlich auch finanziell etwas mehr investiert werden, um weitere Qualität zu gewinnen. Bleiben die Fans und der Verein ruhig und geduldig, dann ist hier einiges möglich.

SPOX: Und sieht man Sie irgendwann auch wieder in irgendeiner Funktion beim VfB?

Cacau: Ich nehme jetzt erstmal meine Rolle beim DFB wahr, studiere Sportmanagement und will nächstes Jahr meinen A-Schein machen. Allerdings nur, um eine sporttheoretische Grundlage zu bekommen. Mich zieht es auf jeden Fall in Richtung Management. Ansonsten ist es aber erstmal schön, auch mal bei den Kindern zu sein, sie von der Schule abzuholen, beim Fußball dabei zu sein. Diese Zeit genieße ich aktuell sehr.

SPOX: Noch ein kurzer Blick nach Brasilien: Die Tragödie um das brasilianische Team Chapecoense ist nun einige Wochen her. Wie würden sie die aktuelle Stimmung in Brasilien beschreiben?

Cacau: Diese traurige Geschichte hat das ganze Land bewegt und man spürt den Schock nach wie vor. Auch weil Fußball immer noch mit weitem Abstand die populärste Sportart und zentraler Bestandteil des brasilianischen Alltags ist. Dazu kommen die dramatischen Hintergründe: Ein Spieler wusste erst seit Kurzem, dass er bald Vater werden würde, der andere hätte bald heiraten sollen. Das hat die ganze Nation berührt und es wird wohl noch lange dauern, bis wirklich wieder Alltag in Brasilien bzw. im brasilianischen Fußball einkehrt.

Cacau im Steckbrief

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