"Man kann die Tage runterzählen"

Von Interview: Jan-Luc Treumann
Tayfun Korkut ist derzeit Trainer beim 1. FC Kaiserslautern
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SPOX: Der Start in der Pfalz verlief sehr holprig, zuletzt hat sich das Team aber gefangen und drei Siege am Stück eingefahren. Inwiefern ist dies dennoch ein kritischer Punkt in Ihrer Karriere?

Korkut: Kritische Momente hat man immer wieder als Trainer. Es gibt nur ganz wenige Trainer, die das nicht erleben. Man kann die Tage runterzählen, wenn man seine Unterschrift unter einen Vertrag setzt. (lacht) Selten läuft für einen Trainer alles glatt. Daher ist das für mich auch kein Problem. Ich denke nur an das, was ich auch täglich beeinflussen kann. Die Freude ist dafür umso größer, wenn man solche Momente als Team übersteht und gestärkt herauskommt.

SPOX: Beeinflussen kann man zum Beispiel die Art und Weise, wie Ihre Mannschaften spielen sollen. Wie würden Sie den idealen Fußball skizzieren, den Sie sich wünschen?

Korkut: Um den Fußball spielen lassen zu können, den man sich vorstellt, müssen bestimmte Faktoren zusammenkommen. Für mich sind das drei Säulen. Säule 1: Die zur Verfügung stehenden Spielertypen und ihre Eigenschaften. Säule 2: Die Identität und Fußballkultur des Vereins. Die dritte Säule ist dann die Idee des Trainers. Im Idealfall sollten diese drei Säulen zusammenkommen und sich respektieren. Bloße Ideen sind nicht überall umsetzbar.

SPOX: Was ist, wenn die Säulen eben nicht zusammenkommen?

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Korkut: Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man holt die zur Idee passenden Spieler oder geht zu einem Verein, dessen Spielidee zur eigenen passt. Die größte Schwierigkeit ist jedoch, dass man sich Vereine und Spieler nicht immer aussuchen kann. Die Vereine suchen die Trainer aus. Es ist daher wichtig, dass ein Verein ganz genau weiß, wen er als Trainer holt und welche Spieler er verpflichtet.

SPOX: Wie also sähe die von Ihnen bevorzugte dritte Säule genau aus?

Korkut: Vom Grundgedanken bevorzuge ich einen Fußball, der sich nicht aufs Abwarten beschränkt: Agieren statt zu reagieren, lieber einen Schritt nach vorne als nach hinten machen. Meine Mannschaften sollen die Sache offensiv wie defensiv selbst in die Hand nehmen - und zwar mit allen Risiken, die dazu gehören.

SPOX: Es gibt auch Trainer, die sich nur sehr wenig an die Begebenheiten anpassen und "ihren" Fußball ohne Wenn und Aber durchdrücken.

Korkut: Das muss jeder Trainer für sich selbst entscheiden. Das sind dann eher die Trainer, die sich Verein und Mannschaft aussuchen können, aber davon gibt nur sehr wenige auf der Welt - und selbst die brauchen dann Zeit. Es gibt nicht besonders viele Klubs, die die Möglichkeiten haben, für ihren Trainer alles zu ändern. Deswegen ist es für mich wichtig, als Trainer die nötige Anpassungsfähigkeit zu haben.

SPOX: Sie haben als Spieler und Trainer in Spanien und der Türkei gearbeitet. Welchen Einfluss hatte das dortige Spiel auf Ihre Sicht des Fußballs?

Korkut: Ich habe überall einiges mitgenommen. In der Türkei war es die mutige und emotionale Komponente, der spielerische Aspekt und die Struktur kommen aus Spanien, Entschlossenheit und Disziplin sind aus Deutschland eingeflossen. Diese Erfahrungen schon als Spieler gemacht zu haben war für mich sehr wertvoll und hat mich auch als Trainer geprägt. Natürlich kommt es dann auch darauf an, wo man gerade arbeitet, um das Landestypische nicht zu vernachlässigen. Und so kann sich dann die eigene Idee eben mit den Jahren und Erfahrungen entwickeln und ändern.

SPOX: Joachim Löw, Vicente del Bosque und Carlos Alberto Parreira waren Weggefährten von Ihnen, die Sie am meisten geprägt haben sollen. Weshalb?

Korkut: Sie alle zeichnet die Souveränität und Ruhe aus, die sie jeweils ausstrahlen. Das hat mir unglaublich imponiert. Sie konnten in jeder Situation mit dem Druck umgehen. Das hat man als Spieler spüren können. Ich versuche, dies nun auch als Trainer umzusetzen.

Tayfun Korkut im Steckbrief

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