"Nicht jede freie Sekunde aufs Handy geguckt"

Sebastian Boenisch wechselte im Herbst zu 1860 München
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SPOX: Dennoch waren Sie im Sommer zum zweiten Mal vereinslos.

Boenisch: Ja, leider. Es ist nicht so, dass keine Anfragen da waren. Auch einige Bundesligaklubs haben sich gemeldet, aber nichts hat mich überzeugt. Ich trage auch Verantwortung für meine Familie. Es gab Angebote, die zwar finanziell sehr gut, aber für den Zeitpunkt meiner Karriere und meines Lebens nicht das Richtige waren. Wenn die Sommerpause zu Ende ist und die Vereine ihre Planungen abschließen, merkst Du, dass die Zeit gegen Dich läuft. Aber ich habe immer an meine Qualität geglaubt.

SPOX: Die Vorzeichen Ihrer zweiten Vereinslosigkeit waren dadurch, dass Sie mittlerweile Familienvater sind, andere. War es sogar eine glückliche Fügung, ein paar Monate Elternzeit zu haben?

Boenisch: Man verbringt dadurch schon deutlich mehr Zeit mit seinem Kind und sieht, wie es sich weiterentwickelt. Ich bin zwar Fußballer und gehöre auf den Platz, aber das hat die Situation auf jeden Fall einfacher gemacht.

SPOX: Wie muss man sich Ihren Alltag in den vereinslosen Monaten vorstellen? Wie hält man sich fit? Wie viel Kontakt hat man zu seinem Berater?

Boenisch: Es war nicht so, dass ich jede freie Sekunde auf mein Handy geguckt habe, ob mein Berater anruft. Da hatte ich vollstes Vertrauen in mein Management. Aber ich habe mich schon mit Vertrauten zusammengesetzt, um mir ein optimales Trainingsprogramm zusammenzustellen. Ich habe jeden Tag trainiert, weil ich wusste, die Chance wird kommen. Und die hat mir 1860 dann gegeben, wofür ich sehr dankbar bin.

SPOX: Was waren die ausschlaggebenden Punkte für Ihren Wechsel zum TSV 1860?

Boenisch: Es ging alles ziemlich schnell. Den ersten Kontakt gab es zwei Tage vor der Vertragsunterschrift. Man hat mir aufgezeigt, was hier in der nächsten Zeit alles geplant ist, welche Spieler schon da sind, welche Spieler vielleicht noch kommen werden. Das Gesamtpaket hat mich überzeugt. Man muss ja nur einmal schauen, was alleine in den letzten Monaten hier passiert ist.

SPOX: Und zwar?

Boenisch: Wir haben zwei sehr gute, neue Trainingsplätze und bekommen noch einen neuen Fitnessraum. Man spürt, dass hier etwas wächst. Ich wollte ein Teil davon sein, den Verein nach vorne bringen und mit meiner Erfahrung den jungen Spielern helfen. Die Stadt ist sowieso super. München ist Lebensqualität pur. Vor allem ging es aber darum, wieder Fußball zu spielen, weil ich da absolut geil drauf war und bin.

SPOX: Sie haben angesprochen, dass es auch Angebote von Bundesligisten gab. Was macht einen Verein wie Sechzig interessanter als einen Bundesligaklub aus dem unteren Tabellendrittel?

Boenisch: Ob das interessanter ist, weiß ich nicht. Da will ich keinem anderen Klub zu nahe treten. Aber bei Sechzig habe ich sofort gemerkt: Die wollen Dich, die bemühen sich um Dich. Diese Wertschätzung ist für einen Spieler das Wichtigste. Die Gespräche mit dem Trainer und dem Sportdirektor waren sehr positiv. Und meine Frau kommt aus Wien, was ja auch nicht so weit weg ist.

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SPOX: War bei Ihrer Entscheidungsfindung ein Faktor, dass München kulturell an Wien etwas näher dran ist als Leverkusen?

Boenisch: Ja, klar. Meine Frau hat Jahre lang mein Leben mitgelebt. Das bleibt nicht aus, wenn man mit einem Fußballer verheiratet ist. Aber wenn ich meiner Frau ermöglichen kann, etwas näher an zu Hause zu sein, passt das optimal.

SPOX: Welches Bild hatten Sie in den letzten Monaten und Jahren von den Löwen und hat sich dieses in Ihrer Anfangszeit hier bestätigt?

Boenisch: In den letzten Jahren habe ich das nicht so engmaschig verfolgt, aber was man mitbekommen hat, war, dass schon meist eine gewisse Unruhe geherrscht hat. Bislang habe ich jedoch den Eindruck, dass man hier gut arbeiten kann. Die Strukturen sind professionell, das Trainerteam und alle drum herum leisten sehr gute Arbeit.

SPOX: Was erwarten Sie sich von den kommenden Wochen bei den Löwen?

Boenisch: Für uns ist es wichtig, Kontinuität und Stabilität hineinzubringen. Es tut keiner Mannschaft gut, wenn man fünf Spiele hintereinander nicht punktet. Das macht keinen Spaß. Wir haben zuletzt Schritte in die richtige Richtung gemacht, aber wir sind noch lange nicht, wo wir hinwollen. Wir müssen uns weiter verbessern und mit guten Leistungen, Ergebnissen und Punkten das Umfeld nicht nur kurz-, sondern langfristig beruhigen.

SPOX: Sie hatten in Ihrer Karriere bereits mehrere längerfristige Verletzungen und zwei vereinslose Phasen. Macht man sich da automatisch Gedanken über die Zeit nach der aktiven Laufbahn?

Boenisch: Natürlich denkt man darüber nach. Ich werde im Februar 30. Ich weiß, dass die Karriere nicht ewig dauern wird. Ich habe den Anspruch, noch vier, fünf Jahre auf höchstem Niveau zu spielen. Nichtsdestotrotz muss man sich damit beschäftigen, was man nach der Karriere machen möchte. Das Leben geht ja weiter. Wir haben schon ein paar Weichen gestellt, aber einen finalen Plan gibt es noch nicht, weil sich in ein paar Jahren so viel verändern kann. Man lernt immer wieder Leute kennen, die einem die eine oder andere Türe aufstoßen können.

SPOX: Aber erst einmal der volle Fokus auf Fußball?

Boenisch: Auf jeden Fall! Das ist das, was ich schon als kleiner Junge machen wollte und ich habe bis hierher eine sehr gute Karriere gehabt, in der ich auch ein bisschen etwas gewonnen habe. Darauf kann man stolz sein, zumal viele nach solchen schweren Verletzungen gar nicht mehr zurückkommen. Ich war immer ein Kämpfer und werde das auch bleiben.

Sebastian Boenisch im Steckbrief

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