"Ich dachte ans DFB-Team, klar"

Michael Fink (l.) spielte unter Mustafa Denizli mit Besiktas in der Champions League
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SPOX: Wie groß war die kulturelle Umstellung auf die Türkei für Ihre Familie und Sie?

Fink: Sehr groß. Die türkische Mentalität bringt es mit, dass die Menschen dort teils sehr forsch sind. Als Spieler einer der drei großen Vereine kann man weder ungestört in ein Restaurant noch einkaufen gehen. Jeder hat mich erkannt, weil die Menschen dort einfach so fußballverrückt sind.

SPOX: Wie hat Ihre Familie darauf reagiert?

Fink: Alle waren sehr auf mich fixiert. Wenn ich beispielsweise mit meiner Frau unterwegs war, wurde sie zumeist links liegen gelassen. Das war für sie nicht einfach, auch wenn wir uns daran gewöhnt haben.

SPOX: Sie absolvierten mit Besiktas unter anderem im Old Trafford Ihre ersten Champions-League-Spiele und kämpften in der Liga um die Meisterschaft. Dachten Sie damals, es als Fußballer jetzt wirklich zu etwas gebracht zu haben?

Fink: Auf jeden Fall. Solche Spiele treiben einen an. Trotz des Sieges in Manchester, schaut man auch in diesem Moment bereits ein wenig in die Zukunft. Ich hätte mir gewünscht, dass die Zeit länger andauern würde.

SPOX: Welche Dimension haben die Stadtderbys auf und neben dem Spielfeld angenommen?

Fink: Die Istanbul-Derbys sind schon etwas Einzigartiges, die Brisanz kann man nicht ansatzweise mit der in Deutschland vergleichen. Etwas wie diese Spiele habe ich noch nie erlebt. Für viele Fans geht es da eher um Leben und Tod als um Fußball. Gewinnt man das Derby, kann man auch gegen andere Mannschaften drei Partien hintereinander verlieren.

SPOX: Mit der Zeit wurden Ihre Perspektiven bei Besiktas schlechter. Wie kam es dazu?

Fink: Der Hauptgrund war der Trainerwechsel. Mustafa Denizli, der mich holte, war sehr überzeugt von mir. Unter ihm durfte ich regelmäßig spielen. Er musste leider wegen gesundheitlicher Probleme den Verein verlassen.

SPOX: Es folgte Bernd Schuster.

Fink: Mit ihm bin ich nie richtig warm geworden. Er hatte eine ganz andere Vorstellung von der Art und Weise, wie die Mannschaft zu spielen hat. Er wollte zudem viele Spieler aus seiner Zeit in Spanien bei Besiktas haben. Wir hatten letztlich einige Portugiesen in der Mannschaft.

SPOX: Zumal dann ja auch die Ausländerregelung eingeführt wurde.

Fink: Das kam erschwerend hinzu, einige Spieler mussten aussortiert werden. Ich habe ein halbes Jahr lang im Training versucht, Schuster zu überzeugen, aber mir fehlte auch die Einsatzzeit. Er hat lieber seine Spieler eingesetzt und ich habe leider keine Chance mehr bekommen.

SPOX: Nach einem kurzen Leihgeschäft bei Borussia Mönchengladbach gingen Sie zu Samsunspor. War es Ihr Wunsch, in der Türkei zu bleiben?

Fink: Hätte es eine gute Option gegeben, wäre ich wohl zurück nach Deutschland gekommen. In der Türkei gab es dagegen einige Angebote. Da ich das Land und die Mentalität lieben gelernt hatte, ging ich nach Samsun.

SPOX: Dort stand am Ende der Abstieg. Sie hatten keinen Vertrag für die 2. Liga und waren deshalb ab Juli vereinslos. Wieso kam es zu keiner weiteren Einigung?

Fink: Die Situation war kompliziert, nach dem Abstieg herrschte dort das absolute Chaos. Vorstand und Trainer sind recht zügig gegangen und es war ungewiss, wie es weitergeht. Ich wollte dann einfach nicht so lange warten, bis sich etwas ergibt.

SPOX: Ihr Engagement in Aue kam dann allerdings erst im Dezember 2012 zustande. Sie waren also fünf Monate ohne Verein.

Fink: Das Problem war, dass sich die Geschichte in Samsun so lange hinzog. Ich wollte nicht auf Anhieb gehen, so dass leider einige interessante Angebote verstrichen sind. In der Folge kam dann nichts Interessantes mehr herein. Mir war zudem klar, dass die Chancen im Winter wieder größer werden. Deshalb entschied ich mich, darauf zu warten.

SPOX: Wie schwer war diese Zeit der Ungewissheit?

Fink: Es gibt dann schon einige Schwankungen und Selbstzweifel. Ich fing an, mich zu fragen, ob meine Leistungsfähigkeit noch ausreicht - auch wenn ich nie ans Karriereende gedacht habe. Wenn aber als noch nicht so alter Sack die Angebote ausbleiben, macht man sich eben seine Gedanken (lacht).

SPOX: Letztlich ging es in die 2. Liga zu Aue. Wie kam das Engagement im Erzgebirge zustande?

Fink: Über Karsten Baumann. Er hat mich hierhin eingeladen und wir haben Gespräche geführt. Ich war froh, wieder zu spielen.

SPOX: Aue hat keine 20.000 Einwohner, Istanbul über 13 Millionen. Inwiefern war die Umstellung auf die neue Umgebung ebenso eine Herausforderung wie damals der Umzug in die Metropole?

Fink: Das war ehrlich gesagt gar kein Problem. Teilweise war in Istanbul für meinen Geschmack fast schon zu viel los, all diese Menschen und Autos...(lacht). Meine Hunde freuen sich über Aue, für sie ist das Erzgebirge super. Ich selbst genieße bei den Spaziergängen mit ihnen ebenfalls die Landschaft und Natur.

SPOX: Sie sind jetzt 32. Schaut man sich den Verlauf Ihrer Karriere an, so ging die Kurve zunächst steil nach oben und seit der Leihe nach Gladbach senkt sie sich nach unten. Ist diese Sicht für Sie nachvollziehbar?

Fink: Das kann man schon so sehen, ja.

SPOX: Wann folgte für Sie der Bruch?

Fink: Bis zum Wechsel nach Istanbul war ich sehr zufrieden mit meiner Karriere. Der Schritt ins Ausland birgt ja auch immer eine gewisse Gefahr in sich. Im ersten Jahr lief es noch ausgezeichnet, dann ging es bergab. Jetzt spiele ich zweite Liga, bin aber dennoch mit meiner Karriere zufrieden und dankbar.

Seite 1: Fink über seinen Aufstieg als Spieler und den Wechsel in die Türkei

Seite 2: Fink über den Istanbul-Wahnsinn und Hunde im Erzgebirge

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