"Ich trage ja auch ein wenig Bauch"

Torsten Mattuschka spielt seit Juli 2005 für den 1. FC Union Berlin
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Torsten Mattuschka spielt seine neunte Saison für den 1. FC Union Berlin und ist bei den Eisernen unumstrittener Publikumsliebling. Im Interview spricht der 33-jährige Kapitän über einen Container als Kabine, den Spagat zwischen Kult und Kapitalismus sowie die Aufstiegsambitionen des Hauptstadtklubs.

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SPOX: Unter Ede Geyer feierten Sie bei Energie Cottbus Ihr Debüt in Liga 1 und waren damals auch nach dem Abstieg fester Bestandteil des Teams. Woran lag es, dass Sie sich damals nicht noch mehr etablieren konnten?

Torsten Mattuschka: Ich war damals sehr jung und hatte natürlich noch nicht die Erfahrung, die ich heute habe. Ede Geyer hat mich aus den Niederungen der Landesklassen Brandenburgs direkt zu den Profis von Cottbus geholt. Das ist natürlich eine andere Welt. Bei Cottbus hat es dann wohl nicht sollen sein. Mit der Zeit wuchs mein Erfahrungsschatz, den habe ich wohl gebraucht.

SPOX: Sie unternahmen dann einen ungewöhnlichen Schritt und wechselten im Sommer 2005 vom Zweitligisten Cottbus in die Oberliga Nordost zu Union Berlin.

Mattuschka: Mir fehlte bei Energie die Perspektive. Die habe ich dann bei Union gesehen. Dass wir so einen Weg gehen werden, hätte ich nicht zu träumen gewagt. Was ich damals schon wusste war, dass Union ein positiv verrückter Verein ist. Die Fans sind unglaublich, sowas gibt es nicht oft. Als Typ passte ich schon damals sehr gut zu diesem Umfeld, sportlich habe ich dann noch eine Weile gebraucht.

SPOX: In Cottbus gehörten Sie zu den jungen Spielern, das Verhältnis zwischen Alt und Jung war noch ein anderes als heutzutage. Wie sind Sie damals als junger Kicker zurechtgekommen mit den Ansagen der Älteren?

Mattuschka: Man muss sich immer anpassen im Leben, aber nicht verbiegen. Wenn du als junger Spieler in eine Mannschaft mit gestandenen Profis kommst, musst du dich halt unterordnen. Ab und an mal das Ballnetz zu tragen oder die Hütchen wegzuräumen, schadet auch niemandem. Das hat sich bis heute nicht verändert. Jungen Spielern fällt das ja auch viel leichter als mir mit meinen 33 Jahren.

SPOX: Bei Union hat auch immer ein wenig die mangelnde Infrastruktur einen Teil des Charmes des Vereins ausgemacht. Es gab veraltete Kabinen, ein unmodernes Stadion oder einen nicht mehr zeitgemäßen Kraftraum. War das damals auch für Sie ein Teil des Reizes, den der Verein bei Ihrem Wechsel nach Berlin auf Sie ausgeübt hat?

Mattuschka: Union ist anders, aber doch nicht mit Absicht schlechter. Manches braucht eben seine Zeit und das war für mich nie ein Problem. Mittlerweile haben wir auch ein modernes Stadion, aber es ist der Vereinsführung gelungen, den Charme der Alten Försterei zu erhalten. Das ist doch geil so. Und so "romantisch" es in unserem alten Container auch war: Jetzt nach einem Spiel in die Sauna oder ins Entmüdungsbecken zu hüpfen, ist einfach überragend.

SPOX: Seit Sie in Köpenick spielen ist der Verein parallel mit Ihrer persönlichen Entwicklung als Fußballer stetig mitgewachsen. Erzählen Sie doch bitte einmal von Ihrer Anfangszeit in Berlin!

Mattuschka: Wie ich eben schon sagte: Wir haben uns in Containern umgezogen, Sauna oder Entmüdungsbecken gab es nicht. Flutlicht gab es immerhin im Stadion, aber an eine Rasenheizung war nicht zu denken. Es war alles sehr einfach, aber man braucht auch nicht viel, um Fußball zu spielen. Genug Klamotten, Bälle und Schuhe waren jedenfalls da.

SPOX: Wie wichtig war es, dass davon mittlerweile nur noch wenig übrig ist?

Mattuschka: Der Verein hat den Erfolg der letzten Jahre richtig gut genutzt und an vielen Stellen Dinge verbessert. Es ist eben nicht nur in die Mannschaft investiert worden, sondern auch ins Stadion und in die Geschäftsstelle. Das hat alles Substanz und verfliegt nicht, wenn es sportlich mal nicht so laufen sollte.

SPOX: Gibt es für Sie so etwas wie eine Obergrenze des Vereinswachstums? Also in der Hinsicht, dass der Verein sozusagen Gefahr laufen könnte, eines Tages zu modern zu werden und damit einen Teil seiner Identität zu verlieren?

Mattuschka: Nein, das glaube ich nicht. Wir alle im Verein wissen, wo wir herkommen und was Union ausmacht. Ich denke, es sind die richtigen Leute am Werk, um auch weiterhin gute Entscheidungen zu treffen. Gegen Modernität hat, glaube ich, niemand etwas einzuwenden. Und die Gefahr, dass wir in den nächsten Jahren die Champions League gewinnen, besteht ja nicht.

SPOX: Wie wichtig ist es für Union bereits jetzt - aber auch in Zukunft - den Spagat zwischen Kult und Kapitalismus zu meistern? Es gibt ja mittlerweile eine neue Haupttribüne, Logen im Stadion, auch der Aufstieg in die Bundesliga ist kein Tabuthema mehr.

Mattuschka: Fußball ist Sport und da will man nun mal Erfolg haben. Es ist doch klar, dass man den Traum hat, mal in der höchsten Spielklasse zu spielen. Mit dem Erfolg wächst natürlich das Interesse am Verein und das ist doch cool. Hier ist auch keiner so blauäugig zu glauben, dass sowas ohne Sponsoren und Partner ginge. Was die Tribüne angeht: Ich habe den Eindruck, die ist auch bei den Fans auf den Stehplätzen total akzeptiert. Die Leute sind stolz auf ihr Stadion, weil sie es selbst gebaut und zum Teil auch finanziert haben. Außerdem ist die Anzahl der Stehplätze ja dreimal so hoch wie die der Sitzplätze. Vom Charakter ist die Sache doch ganz klar - die Alte Försterei ist ein Stehplatzstadion.

SPOX: Nur zur Erklärung: Als dem Verein 2008 das nötige Geld für die umfassende Sanierung der Alten Försterei fehlte, legten die Fans selbst Hand an und machten das Stadion in 140.000 freiwilligen Arbeitsstunden wieder ligatauglich.

Mattuschka: Das ist eine einmalige Geschichte in der Welt des Fußballs. Was die Jungs und Mädels da geleistet haben, ist nicht in Worte zu fassen. Die Unioner haben sich ihr Stadion so gebaut, wie sie es haben wollten. Mehr Identifikation kannst du gar nicht schaffen als mit so einem Projekt.

SPOX: Die Ziele von Union sind ambitioniert, der Aufstieg in die 1. Liga scheint möglich. Wie groß sind die Hoffnungen, gegen Ende Ihrer Karriere doch noch einmal im Oberhaus auflaufen zu dürfen?

Mattuschka: Wir wissen, dass wir mit der Spitzengruppe der 2. Liga mithalten können. Natürlich wäre es für alle im Verein und für mich persönlich eine unglaubliche Geschichte, sollten wir wirklich den Aufstieg packen. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Das Schöne ist: Wir haben keinen Druck, unbedingt aufsteigen zu müssen. Trotzdem wollen und werden wir in den verbleibenden Spielen der Rückrunde alles raushauen. Ob wir am Ende Grund zum Feiern haben, sehen wir dann. Wenn es was zu Feiern gibt, werden das sicherlich berauschende zwei, drei Wochen. Dann können sich alle anschnallen.

SPOX: Sie gelten bei Union als absoluter Publikumsliebling und Identifikationsfigur. Wie erklären Sie sich, dass die Fans ausgerechnet Sie zum Publikumsliebling auserkoren haben?

Mattuschka: Das können die Fans natürlich besser beantworten. Ich glaube, dass ich mit meiner Art einfach zu Union passe. Ich bin mir immer treu geblieben, habe immer einen lockeren Spruch auf den Lippen. So bin ich eben. Aber ich bin auch ein Kämpfer und lasse mich nie hängen. Das versuche ich auch Spiel für Spiel auf den Platz zu übertragen. Sobald der Schiedsrichter anpfeift, gebe ich Vollgas für den Verein. Außerdem trage ich, wie die meisten Fans, ja auch ein wenig Bauch (lacht). Aber mal im Ernst, ein paar ganz gute Spiele habe ich ja schon gemacht. Das hilft sicher auch.

Torsten Mattuschka im Steckbrief