"Es gibt die Angst, zu gläsern zu sein"

Für Peter Stöger ist der 1. FC Köln die erste Station im Ausland als Trainer
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Peter Stöger hat auf seiner ersten Auslandsstation Erfolg als Trainer beim 1. FC Köln. Im Interview spricht der Österreicher über Brillen, seine radikale Veränderung als Trainer und Ängste in Deutschland.

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SPOX: Herr Stöger, Sie gelten als Brillenfan und nennen zahlreiche Modelle in unterschiedlichen Farben Ihr Eigen. Woher kommt dieser Tick?

Peter Stöger: Das hat sich einfach ergeben. Als Spieler konnte ich noch ohne Kontaktlinsen spielen, mittlerweile trage ich seit rund zwölf Jahren eine Brille - und war darüber zu Anfang nicht wahnsinnig glücklich. Ich habe dann einen Optiker in Wien kennengelernt, einen Austria-Fan, der mir das eine oder andere witzige, aber auch bequeme Modell gemacht hat. Jetzt habe ich Modelle in blau, schwarz, violett, rot und auch in neutralen Farben.

SPOX: Was auch ungewöhnlich ist: Während Ihrer Zeit als Trainer in der österreichischen Regionalliga schrieben Sie nebenbei Kolumnen bei der Tageszeitung "Kurier" und arbeiteten als Experte für das Fernsehen. Woher kam die Lust am Schreiben?

Stöger: Es steckte schon immer irgendwie in mir, mich aufgrund meiner Erfahrung zu bestimmten Themen so zu äußern. Die Kolumnen behandelten meist Sachthemen wie die Einschätzung von Personalien oder Strukturen innerhalb des Fußballs, aber nie Nachbetrachtungen von Spielen.

SPOX: Ihre Trainerkarriere hat erst danach so richtig Fahrt aufgenommen. Fühlten Sie sich zu jung, um es auf der Experten-Schiene zu belassen?

Stöger: Es gab damals keine anderen Optionen für mich - und ich wollte Trainer sein. Ich bin dann zum SC Wiener Neustadt gegangen. Ich habe zuvor überlegt, ob ich es sportlich noch einmal richtig wissen möchte oder ob ich Analytiker bleibe, der nebenbei noch irgendeinen Verein trainiert. Der Präsident sagte mir, dass ich vieles alleine entscheiden dürfe. Der Verein hatte ein sehr geringes Budget, aber ich konnte dort von der Pike auf eine Entwicklung in Gang setzen.

SPOX: Sie haben sich nach Ihrem Karriereende als Spieler keine Auszeit genommen, sondern sind Sportdirektor bei den Amateuren von Austria Wien geworden, ein Jahr später waren Sie zusammen mit Frenkie Schinkels bereits Cheftrainer der Profis.

Stöger: Das habe ich auch im Grunde nie bereut. Mit 38 Jahren habe ich Schluss gemacht, zuvor fühlte ich mich noch nicht als Ballast für die Mannschaft. Auf meiner letzten Station beim SC Untersiebenbrunn hatte ich in den beiden letzten Jahren in der 2. Liga noch mehr als 30 Tore geschossen. Irgendwann kam jedoch auch aufgrund des Alters die Zeit, in der ich weniger Lust auf die Anstrengungen des täglichen Trainings hatte. Es mag sein, dass ich vielleicht tatsächlich eine Auszeit genommen hätte, wenn eben die Chance bei der Austria nicht gekommen wäre. Die war in meiner damaligen Situation einfach einmalig.

SPOX: Auf welchen Einflüssen basierte denn Ihr damaliges Training?

Stöger: Ich hatte und habe kein Vorbild. Man nimmt von jedem Trainer die spezifischen Eigenheiten mit, bastelt sich daraus sein eigenes Bild und unterfüttert es mit seinen eigenen Erkenntnissen. Ich interessierte mich gegen Ende der Spielerkarriere immer mehr dafür, welche Trainingsreize man setzen kann - auch aus Eigeninteresse, damit ich mit 38 dauerhaft fit bleibe. Zunächst habe ich mich mit übergreifenden Themen wie der Fitness und Spielformen beschäftigt. Die grundsätzliche Trainingslehre stand damals noch nicht im Fokus. Aber man hatte natürlich Erfahrungswerte, was bei einer Mannschaft half und was nicht. Diese Dinge habe ich mir dann auch irgendwann notiert und habe daraufhin die Trainerausbildung absolviert.

SPOX: Ihre Denkweise vom Fußball muss sich seitdem verändert haben.

Stöger: Sie hat sich radikal verändert, weil sich mit den Jahren auch die Intensität des Fußballs extrem gewandelt hat. Auch die Loyalität zu Trainern ist eine andere als noch vor Jahren, eine Tätigkeit ist mittlerweile häufig eine ziemlich kurzfristige Geschichte, obwohl man langfristig zu planen hat. Die Beurteilung von und der Umgang mit einer Mannschaft unterliegen seit dem Bosman-Urteil auch anderen Kriterien. Die Spieler sind freiberufliche Arbeitnehmer, die sich täglich verkaufen müssen. Für mich ging es als Trainer schon immer in einem großen Maße um die Führung einer Gruppe in verschiedensten Bereichen. Es ist daher auch ungerecht zu sagen, die Dinge, die man früher als Trainer gedacht oder praktiziert hat, waren falsch. Sie funktionieren heutzutage aber einfach nicht mehr.

SPOX: Sie sagten, dass Ihnen an Jürgen Klopp vor allem seine Fähigkeit imponiert, sich ziemlich gut frei ausdrücken zu können. Wieso kann das gut für einen Trainer sein?

Stöger: Es ist immer wichtiger geworden, klare Statements abzugeben. Diese Thematik wird auch schon in der Trainerausbildung diskutiert. Es geht weniger darum, sich besonders gut zu verkaufen. Vor einer Kamera hat man nur ein paar Sekunden Zeit. Deshalb ist es essentiell, in der Kürze alles zu transportieren, was man unterbringen möchte.

SPOX: Fiel Ihnen das anfangs so leicht wie Klopp?

Stöger: Nein, das ist grundsätzlich alles andere als einfach. Zumal man nach den Spielen ja auch in unterschiedlichen emotionalen Zuständen sprechen muss. Ich wusste, dass ich in dieser Hinsicht natürlich geschult werden muss. Glücklicherweise hat meine Freundin eine Schauspiel- und Sprechausbildung genossen. Sie ist in diesem Bereich mein wichtigster Coach und hat mir sehr geholfen.

SPOX: Sie haben Klopp kürzlich bei einem Testspiel zwischen Ihren beiden Teams erstmals persönlich getroffen. Wie viel Klopp steckt denn in Peter Stöger?

Stöger: Um Gottes Willen, gar nichts (lacht). Mir gefällt an ihm, wie er sich in der Öffentlichkeit gibt und wie er seine Mannschaften zusammenstellt. Er ist aber impulsiver als ich es bin. Ich finde ihn gut, möchte als Kölner Trainer nun aber nicht so tun, als ob es beim FC einen ähnlichen Typen an der Seitenlinie gäbe. Ich bin ein eigener Typ.

SPOX: In Österreich waren Sie auch lange Zeit in Doppelfunktion tätig, als Sportdirektor und Trainer. Wäre es für Sie heute noch denkbar, diesen Posten noch einmal zu bekleiden?

Stöger: Das kann ich nicht ernsthaft beantworten. Ich war vor drei Jahren noch Trainer in der österreichischen Regionalliga. Ich konnte mir nie vorstellen, mit Austria Wien Meister zu werden oder jetzt Trainer des 1. FC Köln zu sein. Ich sage nicht grundsätzlich Nein zum Thema Sportdirektor.

SPOX: Ihr Debüt in Deutschland ist bisher geglückt, der FC steht auf Platz zwei der Tabelle. Als Spieler haben Sie den Sprung ins Ausland aber nie gewagt. Wieso nicht?

Stöger: Ich hatte noch vor Bosman, als ein Transfer weit schwieriger war als heute, die Möglichkeit, zu Eintracht Frankfurt zu gehen. Später hätte ich auch bei 1860 München unterschreiben können, doch das hat mich nicht gereizt. Ich wäre auch fast FC-Spieler hier in Köln geworden, als es vor der WM 1998 Kontakte über Toni Polster gab. Mir war damals mit 32 Jahren aber wichtiger, dass ich in der Bundesliga in Österreich regelmäßig spiele, um sicher bei der WM dabei sein zu können. Das wollte ich nicht riskieren.

SPOX: War da irgendwie auch die Unsicherheit zu groß, ob Sie es im ungewohnten Umfeld packen können?

Stöger: Nein, dieses Gefühl hatte ich eigentlich nie. Ich habe in meiner Karriere nichts verpasst. Zumal man es als Spieler ja viel mehr in der eigenen Hand hat, zu funktionieren, als es für einen Trainer der Fall ist. Das zeigt jetzt auch mein Wechsel nach Köln: Ich habe eine toll funktionierende Mannschaft bei der Austria mit der Perspektive, Champions League spielen zu können, verlassen und bin zum FC in die 2. Liga gegangen - weil ich es mir zutraue.

Seite 2: Stöger über Wappen-Küsse, Facebook und Deutschlands Angst

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