Julian Koch: "Bitte noch einmal Berlin"

Von Interview: Jochen Rabe
Julian Koch ist bis Sommer von Borussia Dortmund an den MSV Duisburg ausgeliehen
© Getty

2011 erlitt Julian Koch im Trikot des MSV Duisburg eine schwere Knieverletzung, die ihm beinahe den Unterschenkel gekostet hätte. Nun hat der 22-Jährige erstmals seit zwei Jahren wieder eine komplette Vorbereitungsphase hinter sich gebracht. Vor dem Rückrundenauftakt der Zebras gegen Dynamo Dresden spricht Koch im Interview über die psychischen Auswirkungen der Verletzung, die verpassten DFB-Pokalendspiele 2011 und 2012 und erklärt, warum Cristiano Ronaldo bei ihm Schwindel verursachte.

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SPOX: Herr Koch, in Ihrer ersten Duisburger Zeit haben Sie gesagt, dass Sie von den Dortmunder Spielern am meisten Kontakt mit Nuri Sahin hatten. Hat er sich nach seiner Rückkehr schon wieder bei Ihnen gemeldet?

Julian Koch: Nein, bislang noch nicht. Ich habe mich aber schon sehr gefreut, dass Nuri wieder nach Dortmund gekommen ist. Das kam für mich genauso überraschend wie für die Fans. Herr Watzke hat es sehr gut geschafft, das zu geheim zu halten.

SPOX: Wie bewerten Sie den Transfer?

Koch: Ich glaube, dass es für beide Seiten Sinn macht. Für Nuri lief bei Madrid und Liverpool nicht alles glatt, auch weil er lange verletzt war. Ich kann das sehr gut nachempfinden. Jetzt ist er wieder da, wo er sich wohl fühlt und seine Leistung bringen kann. Ich bin überzeugt davon, dass er dem BVB in wichtigen Spielen noch weiterhelfen wird.

SPOX: Auch Sie sind zu einem Verein zurückgekehrt, der Ihnen am Herzen liegt. Und das, obwohl es im Sommer auch noch andere Angebote gegeben hat. Was gab den Ausschlag für den MSV?

Koch: In erster Linie ging es für mich einfach darum, Spielpraxis zu sammeln. Nachdem ich so lange verletzt war, war es klar, dass ich den Umweg über eine weitere Leihe machen muss. Und da war für mich die 2. Liga einfach die beste Option.

SPOX: Spielpraxis hätten Sie aber beispielsweise auch bei St. Pauli sammeln können. Da soll es auch Interesse gegeben haben.

Koch: Es ist schon so, dass der MSV Duisburg für mich etwas Besonderes ist. Hier hatte ich bisher meine beste Zeit als Spieler, ich kenne noch einige im Team und im Umfeld. Das macht es leichter. Es gab aber auch noch andere wichtige Gründe.

SPOX: Und zwar?

Koch: Die Fans in Duisburg kennen mich und meine Verletzungsgeschichte. Natürlich haben sie auch hohe Erwartungen an mich, aber ich merke im ganzen Umfeld, dass man mir Zeit gibt. Außerdem war mir die Nähe zu Dortmund wichtig, da ich weiter in regelmäßigem Kontakt mit der medizinischen Abteilung des BVB stehe, die ja meine komplette Verletzung begleitet hat.

SPOX: Sie sprechen Ihre Verletzung an. Nervt es Sie ein wenig, dass diese ständig Thema ist und auch irgendwie das erste, woran viele bei Ihnen denken?

Koch: Nerven ist das falsche Wort. Es ist nun einmal Fakt, dass ich ein junger Spieler bin und diese Verletzungen bislang einen großen Teil meiner Karriere ausgemacht haben. Da ist doch klar, dass diese Fragen früher oder später immer kommen. Ich habe das gut verarbeitet und mittlerweile auch abgehakt.

SPOX: In der besagten Saison 2010/11 waren Sie der Shootingstar der 2. Liga, wurden Vize-Kapitän beim MSV und U-21-Nationalspieler. Dann kam das Spiel in Oberhausen und Ihre schwere Verletzung. Wie oft denken und dachten Sie an diesen Tag zurück?

Koch: Mittlerweile sehr selten. Nur eben an solchen Tagen, an denen man darauf angesprochen wird. Ich verschwende aber keine Gedanken daran, was gewesen wäre, wenn ich mir diese schwere Verletzung nicht zugezogen hätte. Das bringt ja nichts.

SPOX: Zwischenzeitlich drohte sogar eine Beinamputation, dann verbrachten Sie lange Monate in der Reha. Haben Sie da auch mal drüber nachgedacht, sich professionelle mentale Hilfe von außen zu holen, so wie es beispielsweise Rene Adler getan hat?

Koch: Natürlich denkt man darüber nach. Ich habe mich dann aber bewusst dazu entschieden, mich alleine durchzubeißen - natürlich mithilfe meines persönlichen Umfelds. Im Nachhinein muss ich sagen: Das war genau die richtige Entscheidung, weil mich die Zeit sehr geprägt hat.

SPOX: Am schlimmsten war sicherlich das Zuschauen für Sie.

Koch: Ich weiß, was jetzt kommt (lacht).

SPOX: Die beiden DFB-Pokal-Finals mit Duisburg 2011 und Dortmund 2012.

Koch: Ja, das ist definitiv so. Wobei es zwei unterschiedliche Situationen waren. In der letzten Saison hatte ich ja schon das ganze Jahr wegen der Verletzung nicht spielen können. Bei Duisburg dagegen war ich die ganze Zeit dabei - und dann konnte ich Halbfinale und Finale nicht spielen. Auf der Tribüne zu sitzen, wenn die Jungs im Berliner Olympiastadion das Pokalfinale spielen, tut schon sehr weh. Deswegen ist es auch das größte sportliche Ziel meiner Karriere: Bitte noch einmal Berlin.

SPOX: Letzten Sommer standen Sie kurz vor Ihrem Comeback, dann machte Ihnen plötzlich auch noch ein Innenmeniskusriss einen Strich durch die Rechnung. Wie sind Sie mit dieser Verletzung umgegangen: Einfach nur gelacht oder in die Tischkante gebissen?

Koch: Das war wirklich verdammt bitter. Vor allem, weil ich die komplette Vorbereitung absolviert hatte und völlig schmerzfrei war. Und dann passiert im letzten Testspiel so etwas. Da war ich natürlich erst einmal down.

SPOX: Sie haben nun Ihre erste vollständige Vorbereitung seit zwei Jahren hinter sich gebracht. Wie nah sind Sie den 100 Prozent?

Koch: Konditionell sehr nahe. Es ist einfach ein geiles Gefühl, mal wieder eine ganze Vorbereitung mitmachen zu können. Gegen Ende der Hinrunde habe ich mich konditionell schon ein bisschen durchgeschleppt. Diesen Rückstand habe ich jetzt aufgeholt. Ich habe in den letzten Wochen jede Einheit mitgemacht. Spielerisch braucht es wohl noch ein paar Pflichtspiele. Ich will mich auf gutem Niveau stabilisieren und weiter steigern.

SPOX: Die Hinrunde lief für den MSV extrem durchwachsen, es gab auch einen Trainerwechsel. Was muss in der Rückrunde besser laufen, damit die Saison doch noch einen passablen Ausgang nimmt?

Koch: Natürlich ist es wichtig, dass wir gegen Dresden gleich mit einem Erfolgserlebnis starten. Denn dann stehen drei schwere Heimspiele gegen 1860, Kaiserslautern und Braunschweig an. Man kann keine Punkte ausgeben, die man aus diesen Spielen auf jeden Fall holen muss, aber diese Phase sollten wir gut überstehen.

SPOX: Wirtschaftlich geht der Klub durch schwierige Zeiten, die sicherlich auch an der Mannschaft nicht spurlos vorbeigehen.

Koch: So etwas bekomme ich auch erst mal aus den Medien mit, wie jeder andere auch. Eigentlich sollte man sich nur auf das Sportliche konzentrieren. Als am Ende Ivica Grlic und Walter Hellmich in die Kabine kamen und sagten, dass der Verein vorerst gerettet ist, fiel mir aber schon ein Riesenstein vom Herzen.

SPOX: Das dürften Sie auch im Falle Ihres Ex-Trainers Olli Reck behaupten, der kürzlich einen Herzinfarkt erlitten hat.

Koch: Natürlich. Ich habe es von einem Teamkollegen erfahren und konnte es gar nicht glauben. Ich war geschockt. Es hatte ja auch nichts darauf hingedeutet. Am Sonntag danach habe ich ihn telefonisch erreicht und er hat gesagt, dass es ihm soweit gut gehe. Er hat auch schon wieder gescherzt und war eigentlich gut drauf. Er hat gesagt, dass er zwar seine Ernährung umstellen müsse, er aber im Grunde Glück im Unglück hatte.

SPOX: Im Sommer endet Ihr Leihgeschäft in Duisburg und Sie müssten Stand jetzt zum BVB zurück. Wann wird es Gespräche mit dem Klub geben, wie man weiter verfahren möchte?

Koch: Grundsätzlich ist es schon mein Ziel, irgendwann wieder beim BVB zu spielen. Ob das aber jetzt schon im Sommer ist, kann ich absolut noch nicht sagen. Ich will mit Duisburg eine gute Rückrunde spielen, mich weiter verbessern und dann sehen wir weiter.

SPOX: In einem Testspiel gegen Real Madrid vor dreieinhalb Jahren gaben Sie Ihr Debüt für die erste Mannschaft des BVB und musste gleich mal gegen Cristiano Ronaldo ran. Das dürfte Ihr bislang schwierigster Gegenspieler gewesen sein, oder?

Koch: Wahnsinn, dass das schon so lange her ist. Und ja, das war er definitiv! Obwohl man gemerkt hat, dass er zwei, drei Gänge runtergeschaltet hat, weil es ja nur ein Testspiel war, hat er gezeigt, was er am Ball alles kann und vor allem in welchem Tempo. Da wurde mir während des Spiels teilweise schon fast schwindelig.

Julian Koch im Steckbrief