Kölns gemobbter Kevin Pezzoni zieht sich zurück

SID
Die Causa-Pezzoni schlägt immer höhere Wellen
© Getty

Im sozialen Netzwerk Facebook spiegelt sich die ganze, niederschmetternde Geschichte des aus der Stadt gejagten Fußballprofis Kevin Pezzoni. Am Montag, nachdem seine Peiniger Erfolg hatten, findet sich dort alles. Der formelhafte Abschied des Spielers: "Es freut mich, hier zu lesen (...) wie viel Unverständnis wir gemeinsam gegenüber Mobbing, Beleidigungen, Gewalt & Co. haben."

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Die ziemlich hilflose Reaktion von Kölns Klubpräsident Werner Spinner: "Vorfälle, wie wir sie jetzt leider im Umfeld des Fußballs diskutieren, sind das Werk einiger weniger Störer und Chaoten." Und schließlich das Triumphgeheul ebenjener "Störer", die unverhohlen feiern: "Wir haben ihn erledigt... Jetzt muss der nächste dran glauben", heißt es in einem Eintrag der neueren Gruppe "Pezzoni in die Wüste".

Geschäftsführer Claus Horstmann vom Bundesliga-Absteiger 1. FC Köln hat das Vorgehen des Vereins verteidigt. "Wir mussten in diesem Einzelfall so entscheiden. Dass das nicht die Standardlösung ist, darüber muss man nicht diskutieren.

Aber wir haben im Sinne von Kevin entschieden. Vielleicht wissen wir gar nicht alles", sagte Horstmann dem Sportmagazin "Kicker". Eine andere Lösung sei diskutiert worden, "aber Kevin hat gesagt, er könne nicht einmal mehr ins Stadion kommen. In dem Gespräch sind wir dann zu der Lösung gekommen."

Facebook als Zentrale des Mobs

Ein ältere, inzwischen abgeschaltete Facebook-Seite, die den 23 Jahre alten Fußballer laut ihres Namens "Aufmischen" wollte, war offenbar das Zentralorgan eines Mobs, der Kevin Pezzoni nach wochenlangen Schmähungen und zuletzt auch physischer Bedrohung vor seiner Wohnung zur Auflösung seines Vertrags mit dem 1. FC Köln getrieben hat.

Pezzoni, einst Kapitän der deutschen U19-Auswahl, und sein aus Italien stammender Vater und Berater Franco haben sich vorerst zurückgezogen. "Das ist im Interesse des Jungen", erklärt Berater Bernhard Schmittenbecher von der Agentur "pro Profil". Das Thema sei jetzt besser beim 1. FC Köln, der Deutschen Fußball Liga und der Innenpolitik aufgehoben.

Grenzüberschreitungen sind alltäglich

Der Rest des schockierten Unterhaltungsbetriebs Fußball-Bundesliga sortiert seine Gedanken zu dieser Grenzüberschreitung, die mit einem gebrochenen Nasenbein des Spielers im Kölner Karneval im Februar begann. Zum Beispiel Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Spieler-Gewerkschaft VdV.

Mobbing und Drohungen gegen Fußball-Profis seien gar nicht selten. "Drohungen und tätliche Übergriffe passieren immer wieder", sagte er der dapd Nachrichtenagentur. Nicht alle Fälle würden aber so bekannt wie der von Pezzoni, der nach Gewaltandrohungen seinen Vertrag mit dem 1. FC Köln aufgelöst hat. "Es darf nicht Schule machen, dass wenige Gewaltbereite Spieler verjagen können", sagte Baranowsky, "sonst können wir den Laden dichtmachen."

Auffallend viel davon ist im Umfeld des 1. FC Köln passiert, über dessen Launenhaftigkeit sich neuerdings alle Späße verbieten. Eine Attacke - ebenfalls Nasenbeinbruch - gegen den Leverkusener Spieler Michal Kadlec, Schmierereien am Trainingsgelände ("Wenn ihr absteigt, schlagen wir euch tot"), Angriffe gegen einen Mönchengladbacher Fanbus: die "wenigen Chaoten", die Spinner ausgemacht hat, leisten ganze und furchterregende Arbeit.

Häme mit Säugling auf dem Arm

Was sich weiterhin auf Facebook abspielt, lässt in einen Abgrund blicken: User, die klingen wie ein Lynch-Mob, wo der Einzelne im Schutz der aufgebrachten Masse immer noch etwas drauflegt.

Neben der Auswahl des nächsten Opfers wird Kevin Pezzoni Häme nachgeschickt und das neben Profil-Fotos von Vätern mit Säugling auf dem Arm. Und auch Kommentare unter der Kölner Stellungnahme, die immer noch glauben, über Pezzonis Abwehrleistungen räsonieren zu müssen, sind zum Gruseln.

Ulf Baranowsky von der Spielergewerkschaft meint es sehr ernst, wenn er sagt: "Neben der Sicherheit im Stadion muss auch die Sicherheit der Spieler außerhalb des Stadions zum Thema werden." Er erinnert an den Magdeburger Daniel Bauer, der nach einem Hausbesuch von Schlägertypen die Flucht ergriff und jetzt in Oldenburg spielt. An zerkratzte Autos und Drohungen gerade in 4. und und 5. Liga, wo Familienväter für 2.000 Euro brutto spielen, aber als "Scheiß-Millionäre" beschimpft werden.

Dort - wie im Internet - offenbaren sich nun nicht nur "gewaltbereite Chaoten", wie sie so bequem genannt werden. Sondern womöglich ein im Kollektiv aufgepeitsches Fan-Volksempfinden, das sich Sündenböcke sucht und online zur Treibjagd vernetzt. Die Staatsanwaltschaft Köln steht vor der schwierigen Aufgabe, nach einer Anzeige des 1. FC gegen Unbekannt die Facebook-Rädelsführer zur ermitteln. Dass sie sich mit echtem Namen dort bewegen, ist leider unwahrscheinlich.

Kevin Pezzoni im Steckbrief

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