Mavraj: "Ich fresse dieses Bürschchen auf"

Von Interview: Haruka Gruber
Ist der Kopf der besten Abwehr in Liga 2: Mergim Mavraj, hier mit Gerald Asamoah
© Imago

Der Zweitliga-Erste fordert den Bundesliga-Ersten: Die SpVgg Greuther Fürth plant gegen Borussia Dortmund im Pokal-Halbfinale die Sensation (Di., 20.15 Uhr LIVE-TICKER). Für Ex-U-21-Hoffnung Mergim Mavraj ist es die Rückkehr auf die große Bühne. Ein Interview mit Fürths Abwehrboss über Gnadenlosigkeit und die Mannwerdung in Zeiten der Krise.

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SPOX: Vor etwas mehr als einem Jahr standen Sie am Scheideweg Ihrer ambitioniert gestarteten Karriere: Nach der Ausmusterung in Bochum mussten Sie einen neuen Verein finden und hatten die Wahl zwischen dem damaligen Bundesliga-Siebten Frankfurt und dem Zweitliga-Sechsten Fürth. Sie gingen nach Fürth. Wie viele Leute schüttelten den Kopf?

Mergim Mavraj: Aus dem Fußball-Geschäft sagte mir keiner direkt ins Gesicht: "Mergim, du bist ja blöd!" Das traute sich niemand. Aber anhand der Mimik und des Tonfalls wusste ich, was sie wirklich dachten. Zwischen den Zeilen kam immer raus, dass sie nicht verstehen konnten, warum jemand, der 24 Jahre alt ist und Stammspieler in der Bundesliga war, freiwillig zu einem Provinzklub geht, der nicht aufsteigen könne. Einige wussten nicht einmal, wo Fürth überhaupt liegt. Aus den Augen der anderen sprach immer die Frage: "Warum macht Mergim das?"

SPOX: Die Entscheidung erwies sich als richtig: Nach dem Tiefpunkt in Bochum stellten Sie Ihren Ruf wieder her, sind der vielleicht beste Verteidiger der 2. Liga und liegen mit Fürth auf Platz eins - vor Frankfurt. Einige Bundesligisten sollen sich mit Ihnen beschäftigen. Fühlen Sie Genugtuung?

Mavraj: Genugtuung ist das falsche Wort, Erleichterung trifft es besser. Ich war immer von Fürth überzeugt, dennoch nagt es an einem, wenn jeder glaubt, dass Frankfurt oder welcher Verein auch immer die bessere Wahl ist. Wenn ich nach Bochum auch in Fürth auf der Bank gelandet wäre, hätte ich im Profibereich einpacken können. Dann wäre ich komplett weg gewesen. Dennoch wusste ich, dass ich das Risiko eingehen muss. Ich brauchte einen Verein, zu dem mein Fußball-Stil passt und der mir vertraut.

SPOX: Was macht Fürth aus?

Mavraj: Fürth ist etwas ganz Besonderes. Der Verein identifiziert sich über seine Spielstärke und stellt nicht alles übereilt in Frage, nur weil es mal nicht läuft. Es gibt niemanden, der in den letzten Jahren so beständig attraktiven Fußball gezeigt hat. Das einzige, was fehlt, ist der Aufstieg.

SPOX: Den Aufstieg vorausgesetzt: Hat Fürth die Klasse, um in der Bundesliga zu bestehen?

Mavraj: Vom Können her: ganz klar ja. Von der Drecksau-Mentalität her: jein. Für zwei, drei Spiele können wir mit jedem Bundesliga-Team mithalten, das haben wir im Pokal bewiesen. Doch über einen längeren Zeitraum geht es weniger um das Talent als mehr um den puren Willen. Diesen müssen wir in den nächsten Wochen entwickeln. Fakt ist: Viele unserer Jungs bringen alles mit für eine große Karriere.

SPOX: Wer am meisten?

Mavraj: Ich bin ein riesengroßer Fan von Edgar Prib. In Deutschland gibt es nicht viele, die fußballerisch besser sind als er. Vielleicht klingt es seltsam, aber wenn ich ihm zuschaue, erinnert es mich an ein Gedicht oder an eine schöne Komposition. Er ist der Inbegriff der Eleganz. Und er bringt alle Voraussetzungen für einen perfekten Sechser mit: Er ist leichtfüßig, hat einen Drang nach vorne, besitzt eine herausragende Technik und verhält sich taktisch unglaublich clever. Dabei ist er erst 22 Jahre alt.

SPOX: Sie sind selbst erst 25 Jahre alt und bereits einer der Führungsspieler. Was versuchen Sie, den meist jüngeren Teamkollegen mitzugeben?

Mavraj: Als Talent konstant gut zu sein, ist fast unmöglich. Deswegen versuche ich ihnen zu erklären, dass sie nicht blauäugig sein sollen. Nur zu wissen, dass man gut kicken kann, reicht nicht. Es bedarf einer Stabilität nach innen und nach außen. Wenn ein abgezockter Abwehrspieler einen megatalentierten Spieler vor sich sieht, hat er nur einen Gedanken: Ich fresse dieses Bürschchen mit Haut und Haaren auf! In der Bundesliga geht es noch gnadenloser zu.

SPOX: Sie mussten diese Lektion selbst auf die harte Tour lernen.

Mavraj: Früher war ich vollkommen davon überzeugt, dass ich ein selbstbewusster Typ bin. Ich dachte, mir kann keiner was. Wenn ich mich im Rückblick betrachte, weiß ich, dass vieles an mir nur ein Schein war, an den ich mich geklammert habe. Ich dachte, ich wäre glücklich. Ich dachte, ich wäre selbstbewusst. Und ich dachte ganz ehrlich von mir, dass ich Stärke ausstrahlen würde. Dabei erkenne ich erst jetzt, nach dem Reifeprozess, wie ich wirklich war. Mittlerweile strahle ich von innen ein Selbstvertrauen aus. Dieses Selbstvertrauen ist solide, fest, in mir verankert. Heute versuche ich, authentisch zu sein. Der Mavraj der Vergangenheit ist mit dem Mavraj der Gegenwart nicht mehr zu vergleichen.

SPOX: Als Sie selbst 22 waren, standen Ihnen viele Türen offen: Sie waren Bundesliga-Stammspieler, deutscher U-21-Nationalspieler und umworben von Klubs wie Leverkusen. Später folgte der Bruch: Bochum setzte Sie auf die Tribüne. Haben Sie Frieden mit dem Ex-Klub geschlossen?

Mavraj: Anfangs hat es mich fast zerrissen. Ich habe lange mit der gesamten Situation und mit dem VfL gehadert. Man muss sich nur die absurde Situation vorstellen: Ich war durchgängig Stammspieler und wurde im Herbst 2010 plötzlich aussortiert. Mich machte man als Sündebock aus - was ich nicht verstehen konnte, aber akzeptiert habe. Umso bitterer war es, dass Bochum mir trotzdem keine Freigabe für einen Wechsel erteilte. Mir kam es wie die pure Schikane vor. Nachdem es mit Fürth doch noch klappte und wir erstmals gegen Bochum antraten, verschwand diese innere Unruhe. Ich habe die Erlebnisse verarbeitet.

SPOX: Sie formulierten für sich selbst früh einen Karriereplan: "Stammspieler, Führungsspieler, Nationalspieler." In welchem Stadium sind Sie?

Mavraj: Hinter Stammspieler kann ich ein Häkchen setzen, jetzt stecke ich mitten in der Führungsspieler-Phase - und das mit dem Nationalspieler ist ebenfalls nicht weit weg. Ursprünglich meinte ich die deutsche Nationalmannschaft. Mittlerweile steht mein Entschluss aber felsenfest, dass ich für mein Heimatland Albanien auflaufen möchte. Es gibt noch ein paar kleinere Probleme mit dem Verband zu klären, dann kann es losgehen.

SPOX: Hatten Sie nicht ausgeschlossen, für Albanien zu spielen? Und wurden Sie daraufhin nicht als Vaterlandsverräter beschimpft?

Mavraj: Mein Verhalten zeugte nicht unbedingt von Reife. Als junger Spieler ist man umgeben von vielen Leuten, die dir Ratschläge geben, ohne zu überlegen, was für einem selbst das Beste ist. Ich war überwältigt von vielem: Ich spielte in der deutschen U 21 zusammen mit Jungs wie Jerome Boateng, Dennis Aogo und Andreas Beck und mir wurden Perspektiven aufgezeigt. Dass ich daraufhin Albanien eine Absage gab, nehmen mir einige noch übel. Das verstehe ich, deswegen gab ich in letzter Zeit viele Interviews und stelle mich der Kritik. Das gehört zum Erwachsensein dazu.

Mergim Mavraj im Steckbrief

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