Fromlowitz: "Mir wurde schwindlig und schlecht"

Von Interview: Jochen Tittmar
Florian Fromlowitz ist seit Saisonbeginn die neue Nummer eins im Tor des MSV Duisburg
© Getty

Bislang hat sich der Wechsel von Keeper Florian Fromlowitz zum MSV Duisburg noch nicht bezahlt gemacht. Die Meidericher hinken in der 2. Liga derzeit deutlich hinter den Erwartungen zurück. Im Interview spricht der 25-Jährige vor dem Heimspiel gegen den FC Ingolstadt (Sa., 13 Uhr im LIVE-TICKER und bei Sky) über das Torwartraining seines Mentors Gerry Ehrmann, Gespräche mit einem Psychologen und erklärt, warum in Duisburg niemand über den Trainer diskutiert.

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SPOX: Herr Fromlowitz, in Kaiserslautern sind Sie in der B-Jugend erstmals von Gerry Ehrmann trainiert worden. Was war da im Vergleich zu Ihrem vorherigen Training neu für Sie?

Florian Fromlowitz: Quasi alles. Ich hatte zuvor kein spezielles Torwarttraining genossen und mit der restlichen Mannschaft trainiert. Bei Gerry waren die Intensität und das Pensum unglaublich hoch, da wurde eine Stunde lang ein hartes Programm durchgezogen. Man ging an die Grenzen. Daran musste man sich erst einmal gewöhnen. Zu Beginn ist mir teilweise sogar schwindlig oder auch schlecht geworden. Mit der Zeit wusste man: Heute wird er uns wieder quälen. Es hat aber letztlich Spaß gemacht und war abwechslungsreich.

SPOX: Musste man sich auch an Ehrmann als Typ erstmal gewöhnen?

Fromlowitz: Klar, anfangs war ich schon nervös. Er ist ja ein Lauterer Idol. Wenn man ihn aber näher kennenlernt, dann weiß man, dass er für jeden ein offenes Ohr hat. Er ist nicht der böse Bube, wie ihn die Öffentlichkeit teilweise hinstellt. Im Gegenteil.

SPOX: Nach dem Tod von Robert Enke sind Sie zu Ihrer Familie in die Heimat gefahren, haben dort auch mit Ehrmann das Gespräch gesucht. Welche Rolle spielt er für Sie heute noch?

Fromlowitz: Wir telefonieren drei- bis viermal im Jahr und tauschen uns über aktuelle Dinge aus. Ohne Gerry wäre ich auch nicht in Duisburg gelandet. Er hatte Kontakt zu Milan Sasic und hat das in die Wege geleitet. Er hat mir ein paar SMS geschrieben und gefragt, ob ich mir das vorstellen könne. Ein paar Stunden später hatte ich Milan Sasic in der Leitung (lacht).

SPOX: Wie schwierig war es für Sie denn, sich bei Ihrem Wechsel nach Hannover auf ein neues Training einzustellen?

Fromlowitz: Man muss sich grundsätzlich überall anpassen. Jeder Trainer bevorzugt andere Methoden, es gibt aber auch Schnittmengen. Ich war ja erst 21, als ich nach Hannover ging. Das war auch persönlich ein großer Schritt für mich, so weit weg von der Familie zu sein. Ich habe aber bei Gerry gelernt, dass man sich nicht verstecken und keine Angst haben darf.

SPOX: Was haben Sie in Hannover bei Jörg Sievers gelernt?

Fromlowitz: Es war für mich wichtig, mit ihm jemanden zu haben, der eher einen ruhigen und sachlichen Charakter hat. Das Training war schon verschieden, aber auch bei ihm sind wir an die Grenzen gegangen. Ich konnte aber auch viel von Robert mitnehmen und habe mir einiges von ihm abschauen können - sportlich wie menschlich.

SPOX: Können Sie das etwas näher ausführen?

Fromlowitz: In Hannover startete mein Reifungsprozess. Als sich Robert verletzte und ich erstmals für ihn einsprang, hat man den Leuten in Hannover angemerkt, dass sie die ruhige Art eines Torhüters mehr schätzen als meinen damaligen emotionalen Stil.

SPOX: Nach dem Tod von Enke arbeiteten Sie mit dem Psychologen Andreas Marlovits zusammen. Was haben Sie dabei über sich selbst gelernt?

Fromlowitz: Man frisst oft viel in sich rein, weil man nicht weiß, wie man mit gewissen Dingen umgehen soll. So trägt man viel Ballast mit sich rum und merkt das nicht einmal, schleppt diesen Ballast aber mit auf den Trainingsplatz. Die Gespräche halfen mir, die nötige Frische und Freiheit im Kopf zu haben, um mich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren.

SPOX: Würden Sie das jedem Spieler raten?

Fromlowitz: Das kommt auf den Typ an, manche können damit gar nichts anfangen. Eigentlich war ich auch einer, der meinte, er bräuchte so etwas nicht. Die Zusammenarbeit war aber super, ich habe gemerkt, dass es von Gespräch zu Gespräch besser wurde und mir gut tut. Er kam ja nach Hannover in einer für uns fast schon aussichtslosen Phase. Das war damals für alle Spieler sehr schwer, als Robert nicht mehr da war.

SPOX: Hatten Sie manchmal das Gefühl, dass Sie den schwersten Job von allen hatten?

Fromlowitz: Ja, das kam schon vor, da bin ich ehrlich. Ich konnte mit dieser Situation quasi gar nicht alleine klarkommen. Ich war auch mit meiner Leistung nicht zufrieden. Während des Abstiegskampfes mit 96 haben wir täglich miteinander geredet, auch über Dinge außerhalb des Fußballs. Eine moralische Stütze war sehr wichtig, um wieder in die Spur zu finden. Er hat mich frei reden lassen. Fußballer sind ja auch nur Menschen.

SPOX: Ihr Ex-Kollege Markus Miller leidet unter mentaler Erschöpfung. Wie haben Sie auf die Nachricht reagiert?

Fromlowitz: Das hat mich total überrascht, ich habe mich sehr gewundert. Ich kann nur den Hut vor Markus ziehen. Zu einem solchen Schritt gehört eine Menge Mut. Ich hoffe, dass er wieder vollständig gesund wird, auch wenn der Weg, den er gewählt hat, sicher auch nicht einfach sein wird.

SPOX: Haben Sie in Ihrer Zeit in Hannover etwas bei Miller bemerken können?

Fromlowitz: Nein, gar nichts. Wie bei Robert leider auch.

SPOX: Was halten Sie von den Reaktionen der Öffentlichkeit in den Fällen Enke, Miller oder zuletzt auch Ralf Rangnick?

Fromlowitz: Schwer zu sagen. Die Medien sind in solchen Phasen schon sensibel, aber am Tag darauf müssen sie sich wieder mit anderen Neuigkeiten und Meldungen auseinander setzen. Das ist auch normal. Mir ist es einfach wichtig zu betonen, dass Profisportler ebenso Menschen mit Schwächen und Stärken sind, wie jeder andere auch. Fußball ist nicht immer alles im Leben. Es ist aber klar, dass trotz solcher Fälle das Leben weiter gehen muss.

SPOX: So war es auch für Sie. In Hannover wurden Sie im Vorjahr nach der Hinrunde recht überraschend aus dem Tor genommen und mussten sich einen neuen Verein suchen. Inwiefern haben Sie spüren müssen, dass der Torwartmarkt deutlich enger geworden ist?

Fromlowitz: Die Entscheidung von Mirko Slomka kam für mich sehr überraschend, immerhin hatten wir soeben die beste Hinrunde der Vereinsgeschichte gespielt. Doch diese Leistungen verpuffen sehr zügig, das habe ich bei der Suche nach einem neuen Verein relativ schnell gemerkt. Durch die jungen Torhüter, die nachgekommen sind, waren die Plätze bei vielen Vereinen belegt. Das hat mich aber nicht frustriert. Ich wollte mich mit 25 Jahren nicht auf die Bank setzen und wieder auf meine Chance warten. Ich möchte spielen und zeigen, dass ich mich ans Oberhaus heranarbeiten kann. Am liebsten mit dem MSV.

SPOX: Ihr neuer Verein hat quasi eine komplett neue Mannschaft mit mittlerweile 16 Neuzugängen zusammengestellt. Ist dies der alleinige Grund dafür, dass sich das Team noch nicht gefunden hat und den Ansprüchen hinterher hinkt?

Fromlowitz: Nicht nur. Man merkt schon, dass es derzeit an der einen oder anderen Stelle nicht passt, gerade vom Kopf her. Die Mannschaft will, aber das Erfolgserlebnis muss jetzt langsam mal her. Grundsätzlich muss ich aber positiv hervorheben, dass eine solche Situation, wie sie jetzt bei uns vorherrscht, bei anderen Vereinen zum totalen Chaos geführt hätte. Hier stehen die Fans weiterhin hinter uns und die Mannschaft hinter dem Trainer.

SPOX: Viele der Neuzugänge haben für einen Zweitligisten recht klangvolle Namen. War das hinsichtlich der Homogenität der Truppe ein Fehlschluss?

Fromlowitz: Namen und Geld schießen keine Tore. Die Vorbereitungszeit war für uns sehr kurz, wir mussten uns schnell finden. Das ist bislang aber noch nicht zu hundert Prozent gelungen, obwohl eben die Vorbereitung sehr gut war. Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir den Schuss auch wirklich alle hören und nicht erst, wenn wir Letzter der Tabelle sind.

SPOX: Der Druck auf Milan Sasic wächst von Spiel zu Spiel, die Verantwortlichen bleiben aber dennoch ruhig.

Fromlowitz: Das ist auch absolut lobenswert. In Hannover hätten sie uns schon längst die Türen eingetreten. Hier lässt es sich in Ruhe arbeiten, der Druck von außen ist ein anderer. Der Verein setzt auf Kontinuität auf der Trainerposition, so muss es sein.

Florian Fromlowitz im Steckbrief

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