Holst: "Ich sah schon sehr bescheuert aus"

Von Interview: Jochen Tittmar
So sah Rostocks Matthias Holst während seiner Verletzungspause aus
© Imago

Matthias Holst sorgte bei Hansa Rostock für Aufsehen, obwohl er ein Jahr lang kein Pflichtspiel für den aktuellen Zweitligisten absolvierte. Der Grund: Während seiner kompletten Verletzungspause rasierte sich der 31-Jährige nicht und ließ sich einen wilden Bart wachsen. Holst spricht im Interview über den täglichen Kampf mit dem Nutella-Toast, die Reaktionen von Familie, Mitspielern und Medien sowie die Erleichterung nach der Rasur.

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SPOX: Herr Holst, Glückwunsch zum Comeback. Wann haben Sie denn von Ihrem Einsatz erfahren?

Matthias Holst: Der Trainer hat mich am Tag zuvor angerufen und gesagt, dass ich mich auf einen Einsatz vorbereiten soll. Die Gelegenheit war nun auch groß, da Michael Wiemann gelbgesperrt fehlte und Pavel Kostal verletzt ist. Ich bin froh über das Vertrauen, das mir geschenkt wurde.

SPOX: Wie groß war die Nervosität nach einer solch langen Abstinenz?

Holst: Das war komisch, am Tag vorher war ich deutlich nervöser. Als ich auf dem Feld stand, war das alles irgendwie vergessen und hat sich relativ normal angefühlt.

SPOX: Obwohl Sie schon seit einem Jahr in Rostock unter Vertrag stehen, war das Ihr erstes Pflichtspiel für den FC Hansa. Wie kam es denn überhaupt zu dem Knorpelschaden, der Sie die meiste Zeit außer Gefecht gesetzt hat?

Holst: Das ist mir bei meinem letzten Auftritt für den SC Paderborn, einem Testspiel, passiert. Dabei habe ich mich am Außenmeniskus verletzt. Der wurde 2005, als ich bei den Hansa-Amateuren gespielt habe, schon einmal genäht. Diesmal ist er komplett abgerissen. Es hieß erst, man glättet den Meniskus und dann ist die Sache erledigt. Das hat aber nicht funktioniert, letztlich musste man einen größeren Teil entfernen. Ich habe in der Folge dann etwas zu früh wieder mit dem Training begonnen, so dass es zu einer Überbelastung im Knie gekommen ist. Und so kommt dann eben ein Knorpelschaden heraus.

SPOX: Haben Sie während dieser Zeit auch um die Fortsetzung Ihrer Karriere gebangt?

Holst: Auf jeden Fall. Das war eine Fifty-Fifty-Geschichte. Hätte mein Körper den transplantierten Knorpel abgestoßen und wäre er nicht richtig angewachsen, hätte es auch in die Hose gehen können.

SPOX: Wie bewerten Sie den bisherigen Saisonverlauf? Hansa wartet noch immer auf den ersten Sieg.

Holst: Wir treffen einfach die Kiste nicht. Wir hatten schon Spiele dabei, wo die Anzahl der Chancen einen Sieg gerechtfertigt hätte. Wenn man im Vorjahr fast in jedem Spiel mindestens ein Tor erzielt hat, ist der Frust nun schon etwas da. Uns fehlt das Quäntchen Glück, das wir letztes Jahr noch hatten. Sonst machen wir eigentlich nicht viel verkehrt.

SPOX: Wie groß sind die Hoffnungen auf eine baldige Rückkehr von Marek Mintal?

Holst: Ich weiß, dass seine bloße Anwesenheit uns weiterhelfen wird. Er strahlt etwas Besonderes aus und kann jeden von uns führen. Wir dürfen uns aber nicht auf seinen Schultern ausruhen. Wir haben genügend Spieler mit dem Anspruch, Zweitligaprofis sein zu wollen. Das muss sich jetzt ohne Marek eben noch mehr zeigen.

SPOX: Lassen Sie uns über den Bart sprechen. Wie groß ist denn nun die Erleichterung?

Holst: Das können Sie sich nicht vorstellen. Ich bin dermaßen erleichtert. Das war teilweise richtig belastend für mich. Der Bart war ja das Hauptthema in den Medien und auch innerhalb der Mannschaft. Ich hatte teilweise echt keine Lust mehr darauf.

SPOX: Waren Sie vom Medienrummel um Sie überrascht?

Holst: Klar, das war ja Wahnsinn und auch überhaupt nicht von mir beabsichtigt. Das war ja eigentlich nur eine Marotte von mir. Ich muss aber schon zugeben, dass ich am Anfang gern darüber gesprochen habe. Das war ja auch irgendwie etwas Besonderes. Als es dann zu viel wurde, hatte ich echt die Schnauze voll. Ich war mehrfach kurz davor, mir den Bart einfach so abzurasieren.

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SPOX: Wie ist diese Macke überhaupt entstanden?

Holst: Aus der Frustration heraus nach meiner ersten Verletzung noch bei den Hansa-Amateuren. Das war eigentlich auch gar nicht geplant. Mich hat es damals einfach genervt, dass ich mich verletzt hatte, weil es zuvor recht gut lief. Meine Frau und ich führten eine Fernbeziehung, das hat es für mich auch leichter gemacht (lacht). Ich habe mich einfach nicht mehr rasiert. Das habe ich dann wie jetzt bis zu meiner Rückkehr durchgezogen. Danach sind wir Oberliga-Meister geworden und haben den Mecklenburg-Vorpommern-Pokal geholt. Ab da war mir klar, dass ich das beim nächsten Mal wiederhole.

SPOX: Stimmt es, dass Sie die Barthaare nun versteigern wollen?

Holst: Das ist von Anfang an falsch aufgegriffen worden. Die Idee kam aus der Mannschaft, die wollten damit die Mannschaftskasse etwas auffüllen. Das war aber nur ein Spaß. Ich persönlich wollte das Ding einfach beim ersten Einsatz abschneiden und fertig.

SPOX: Das heißt, Sie haben die Barthaare einfach beim Friseur gelassen?

Holst: Nein. Ich habe das jetzt eine solch lange Zeit durchgezogen, daher habe ich die Haare mit nach Hause genommen. Ich habe noch ein tolles Profilbild von mir und werde das zusammen mit den Haaren eingerahmt bei mir an die Wand hängen. So kann ich immer dran denken und hoffen, dass mir das nie wieder passiert. Ich sah ja schon sehr bescheuert aus.

SPOX: Welches Feedback gab es von den Kollegen?

Holst: Die fanden es eigentlich gut und haben es auch respektiert. Die haben nicht gedacht, dass ich das bis zum Ende auch durchziehe. Die sind davon ausgegangen, dass ich irgendwann einknicke, weil ich so dämlich aussah.

SPOX: Wie oft haben Sie während dieser Zeit denn Ihr Haupthaar frisiert?

Holst: Ich würde mir grundsätzlich gerne die Haare länger wachsen lassen, habe aber so eine Naturkrause, die mir gar nicht gefällt. Daher war ich schon des Öfteren beim Friseur. Danach hat es aber echt übel ausgesehen, wenn die Haare oben kurz waren und der Bart so extrem abgestanden ist. Für den Rückweg vom Friseur hatte ich immer eine Mütze dabei.

SPOX: Was war zuvor die längste Phase, die Sie pausieren mussten?

Holst: Ich war mal für vier Spiele gesperrt und dann fiel auch noch die Winterpause dazwischen. Das dürften so zwölf Wochen gewesen sein.

SPOX: Wie weit ist da der Bart gediehen?

Holst: Das war auch schon immens, aber kein Vergleich zu dem Ding von zuletzt.

SPOX: Wie sah es mit der Pflege aus? Fönen dauert doch bestimmt recht lange.

Holst: Klar, aber geht ja auch nicht anders. Sonst habe ich fast keinen Wert auf die Pflege gelegt, habe also keine Spülung oder Packung gekauft. Der Bart war dann auch dementsprechend ausgefranzt und gebrochen.

SPOX: Wie oft wurden Sie in all der Zeit ungefragt begrapscht?

Holst: Unzählbar oft. Ich wurde aber auch zum Teil gefragt. Es gab aber Situationen, in denen einfach mal reingelangt wurde. Viele Kinder haben komisch geguckt und sich zuerst nicht getraut. Wenn ich mich aber herunter gebeugt habe, hat fast jeder einmal zugegriffen.

SPOX: Welche Probleme gab es denn bei der täglichen Nahrungsaufnahme? Suppe dürfte ja recht schwer gewesen sein.

Holst: Suppe ist sowieso nicht mein Ding, aber mit dem morgendlichen Nutella-Toast war es immer ein Kampf. Ich musste ja grundsätzlich nach jeder Mahlzeit einen Blick in den Spiegel werfen. Da blieb schon eine ganze Menge drin hängen.

SPOX: Ihre Frau muss Sie ja wirklich lieben.

Holst: Sie wusste ja, dass ich diesen Spleen habe und dass ich das auch eiskalt durchziehen werde. Am Anfang fand sie es noch lustig, aber irgendwann hat es ihr einfach keinen Spaß mehr gemacht. Wie Sie sich sicher vorstellen können, ist das Ding in gewissen Situationen einfach lästig (lacht).

SPOX: Was haben Ihre Kids dazu gesagt?

Holst: Für die war das eigentlich keine große Sache. Die fanden es schlimmer, als der Bart weg war. Meine Kleinste, die ist gerade 2 Jahre alt geworden, hatte schon ein bisschen Angst. Sie hat mich in den ersten Stunden danach nicht erkannt. 'Wo ist denn der Papa?', hat sie gemeint (lacht).

SPOX: Ich wünsche es Ihnen beileibe nicht, aber was passiert bei der nächsten Verletzung?

Holst: Das ist nun einmal meine Marotte, deshalb mache ich das definitiv wieder.

Matthias Holst im Steckbrief

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