33 Millionen? Perspektive statt Ruin

Von Daniel Reimann
Für die Münchner Löwen ist offensichtlich bald Rettung in Sicht
© Getty

Seit Jahren kämpft 1860 München gegen die drohende Insolvenz, nun ist erstmals eine langfristige Rettung in Sicht. Ein Investor aus Jordanien hat ehrgeizige Ziele und ist offenbar bereit, Unsummen in den Verein zu pumpen. Doch obwohl er den Fans die Erfüllung eines Traumes in Aussicht stellt, droht 1860 der ganz große Aufstand - und dem Sportdirektor der Rauswurf.

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Seit knapp sieben Jahren kämpft sich der TSV 1860 durch die zweite Liga. Seit dem verschossenen Elfmeter von Francis Kioyo am 33. Spieltag gegen Hertha BSC, der den Abstieg der Löwen anno 2004 quasi besiegelt hatte, sind sieben Jahre Kampf gegen den finanziellen Ruin vergangen. Von den sportlichen Beinahe-Katastrophen 2006, 2008 und 2009, als man nur knapp dem Abstieg in Liga drei entging, mal abgesehen.

Alleine im Jahr 2011 schrammte der chronisch klamme TSV schon mehrmals knapp am Abgrund vorbei. Seitdem Robert Schäfer im November 2010 als Geschäftsführer übernahm, wurde im Verein reinen Tisch gemacht. Hinzu kam der Aufruf zum kollektiven Verzicht auf zehn Prozent des Gehalts, selbst die Mietpflanzen vom Vereinsgelände wurden aus Kostengründen entfernt.

Alle Altschulden und Verbindlichkeiten wurden von Schäfer und Co. gnadenlos aufgedeckt. "Wir haben zum ersten Mal keine Leiche im Keller", hieß es Ende des Jahres - Schäfers erster, kleiner Etappensieg.

Um dabei nicht wieder Zweifel an der Seriosität der Vereinszahlen aufkommen zu lassen (wegen unvollständiger Finanzunterlagen wurden dem Verein zwei Punkte abgezogen), wurde sogar ein unabhängiger Wirtschaftsgutachter hinzugezogen, um die langfristige Perspektive des Vereins zu beurteilen.

Auf der Suche nach Rettung

Auch die Nach-Lizensierung im Januar und das Lizensierungsverfahren für die kommende Saison hat man vorerst heil überstanden, ein Nachweis der Zahlungsfähigkeit u.a. bei den Spielergehältern, der zum 1. April fällig wurde, wurde gerade noch geliefert.

Damit gewinnt der Verein etwa einen Monat Zeit auf der Suche nach Geldgebern. "Wir haben jetzt die Möglichkeit, die begonnenen Gespräche in Ruhe fortzuführen", kündigte Präsident Dieter Schneider an, der jedoch mittlerweile voller Hoffnung ist: "Robert Schäfer und ich sind uns zu 99 Prozent sicher, das es mit Sechzig weitergeht."

Nun müssen bis Saisonende rund acht Millionen Euro aufgetrieben werden. Allerdings will der Verein dabei "nicht wieder die Flickschusterei der Vergangenheit aufnehmen, sondern eine langfristige und tragfähige Lösung", so Schäfers Wunsch.

Fehlt nur noch der Investor, der bereit ist, einen offensichtlich komatösen Patienten zurück ins Leben zu holen und ihm langfristig wieder auf die Beine der Selbstständigkeit zu helfen.

Deal mit Araber bald perfekt?

Gerüchte um potenzielle Investoren und Geschäftspartner gab es zuhauf, doch langsam zeichnet sich ein klareres Bild ab. Nachdem Geldgeber aus Spanien und ein Wettanbieter als etwaige Retter im Gespräch waren, scheint nun ein Geschäftsmann aus Jordanien die Nase vorn zu haben.

Laut der "Süddeutschen Zeitung" soll es sich dabei um Hasan Abdullah Ismaik handeln. Der Jordanier ist Geschäftsmann im Öl- und Bau-Geschäft und will seine beruflichen Kontakte nach Deutschland verbessern. Er sei "leidenschaftlicher Fußballfan", versichert er der "SZ" und er liebt die Stadt München.

Die Zuversicht bei Ismaik für das Investment bei 1860 ist groß: "Wenn nichts Unvorhergesehenes auftaucht und alle Angaben, die der Verein genannt hat, stimmen, dann sollte dem Investment nichts im Wege stehen", so der 34-Jährige. "Natürlich muss die DFL auch alle Verträge gutheißen."

Schon am Samstag soll er aus New York per Privatfjet eingeflogen werden, um beim Heimspiel der Löwen gegen Cottbus dabei zu sein. Der Deal mit dem TSV soll, so zitiert die "SZ" aus seinem Umfeld, "in drei Wochen [...] perfekt sein".

Bis zu 33 Millionen für 1860

Doch wie wird der Einstieg des Jordaniers bei 1860 aussehen? Der Verein möchte zunächst 49 Prozent der Anteile an der KgaA verkaufen, dafür winken 13 Millionen Euro. "Abgesehen vom Kaufpreis rechnen wir, um die erste Liga zu erreichen, mit einer Investition von zehn bis 20 Millionen Euro bis 2014", verkündete Ismaik in der "SZ".

Dass damit der Verein, beziehungsweise der sportliche Entscheidungsbereich, in die Hände eines unbekannten Geschäftsmannes fällt, ist wohl nicht zu befürchten. Vielmehr möchte er auf die "hervorragende Jugendarbeit" bauen und den Verein nach der finanziellen Gesundung auf lange Sicht "in der ersten Liga etablieren".

Ein Platzen des Deals, wie einst beim Investment von Nicolai Schwarzer im Februar 2009, ist nicht zu erwarten. Damals griff der Ligaverband ein, weil die Geschäftsmodalitäten nicht den DFL-Statuten entsprachen. Schwarzers großer Einstieg wurde verhindert, allerdings pumpte er mittlerweile rund 3,75 Millionen Euro in den Verein und trug damit maßgeblich zur mehrmaligen Rettung bei.

Sportdirektor Stevic vor dem Aus

Mit den bis zu 33 Millionen aus Arabien wäre das Geld von Schwarzer jedoch auf Dauer entbehrlich. Sportdirektor Miroslav Stevic, der einst nur geholt wurde, weil er Schwarzer als rettenden Investor mitbrachte, ist es offenbar schon jetzt.

Schon vor mehreren Wochen berichtete die "SZ", Stevic würde in den Planungen für die kommende Saison keine Rolle mehr spielen. Er habe Privates mit Beruflichem vermischt, gleich mehrere 1860-Neuverpflichtungen sollen über ein und dieselbe Berater-Agentur gelaufen sein. Seine Kritiker gewannen bald den Eindruck einer Vetternwirtschaft.

Zwar überzeugte Stevic mit Verpflichtungen wie der von Supertalent Alexandr Ignjovski, doch vor allem der Tausch von Sven Bender gegen Antonio Rukavina plus einen niedrigen siebenstelligen Betrag stieß auf viel Kritik. Vergleicht man den aktuellen Leistungsstand beider Spieler, neigt sich die Waage zu deutlich auf eine Seite.

Vor allem im Bemühen um die Zukunft des Vereins und das Gewinnen neuer Investoren erscheint Stevic als unpassend. Laut "Abendzeitung" sollen Schneider und Schäfer schon öfter von potentiellen Partnern auf dessen mangelnde Seriosität angesprochen worden sein. Ein neuer Kurs bei 1860 wird wohl ohne den jetzigen Sportdirektor stattfinden.

Droht der ganz große Fan-Aufstand?

Doch eine weitere wichtige Hürde auf dem Weg zur Rettung darf nicht vernachlässigt werden: Die Fans. Denn der 1860-Anhang steht nicht einheitlich hinter der Vereinsführung. Im Gegenteil: Viele wehren sich gegen fremde Investoren und fürchten einen Verrat der Identität von 1860 München.

Mehr als 30 Fanclubs, darunter die "Ultra"-Gruppierung Cosa Nostra haben einen entsprechenden Brief unterzeichnet, in dem man die geordnete Insolvenz, den damit zwangsläufig verbundenen Abschied aus dem Profifußball und die Rückkehr ins geliebte Grünwalder Stadion fordert.

Immerhin: Der neue Investor macht den Löwen-Fans in dieser Hinsicht leise Hoffnung: Zwar sei man derzeit noch in der Arena "gut aufgehoben". Aber: "Sollten wir den Aufstieg schaffen und uns in der ersten Liga etablieren, werden wir über ein eigenes Stadion nachdenken."

Gleichzeitig warnt Ismaik vor Größenwahn: "Wir möchten realistisch bleiben und uns keine unerreichbaren Ziele vornehmen. Und wir möchten, dass die Fans stolz auf den Verein sind."

Der TSV 1860 München im Klub-Steckbrief