Aufschwung Ost und Alm-Gate

Von SPOX
Der helle Wahnsinn: Cottbus' Jules Reimerink trifft zum 5:5 gegen den KSC ins Netz
© Imago

Überraschungsteam Aue prägte die Vorrunde der 2. Liga genauso wie Cottbus-Goalgetter Nils Petersen. Ein Rückblick auf die ersten 17 Spieltage der Saison mit dem Spiel, dem Comeback, der Aufholjagd der Vorrunde, einem bayerischen Wirtschaftskrimi und vielem mehr.

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Das Team der Hinrunde: Auch wenn den Veilchen zuletzt etwas die Puste ausging, kann man es nicht anders als sensationell nennen, was der Aufsteiger auf die Plätze der Republik zauberte - pardon - kämpfte. 31 Punkte aus 16 Spielen hat der braven Truppe des mitunter spröden Rico Schmitt keiner zugetraut. Mit einem Sieg im Nachholspiel gegen Frankfurt wäre Aue sogar Herbstmeister (zur Tabelle). "Ich bin stolz, dass ich das erleben darf", sagte ein verzückte Altmeister Enrico Kern Mitte November im SPOX-Interview.

Der Spieler der Hinrunde: Bayern, Schalke, Leverkusen - sie alle fragten schon mal wegen ihm an. Die Blackburn Rovers aus der Premier League und Hoffenheim legten sogar einen ordentlichen Batzen Bares auf den Tisch. Doch Nils Petersen blieb Energie Cottbus treu. Atemberaubend war sein Start mit sieben Toren in den ersten fünf Spielen. Danach erlebte er einige Aufs und Abs, wie sie ganz normal sind für einen jungen Burschen (Petersen wurde am 6. Dezember 22 Jahre alt) am Anfang seiner Profikarriere. Doch insgesamt stehen elf Tore und zwei Vorlagen zu Buche für den kopfballstarken Mittelstürmer (zur Torjägerliste). Petersen ist der Anführer der besten Offensive der zweiten Liga und in der nächsten Saison mit großer Wahrscheinlichkeit erstklassig. So oder so.

Nils Petersen im SPOX-Porträt

Das Spiel der Hinrunde: Zugegeben, an das 7:6 zwischen dem FCK und Meppen vom 11. Juni 1997 kommt es nicht heran, doch ging es am 13. September dieses Jahres im Cottbuser Stadion der Freundschaft zwischen Energie und dem KSC mindestens genauso verrückt zu. Petersen schoss den Gastgeber mit dem frühesten Tor der Klubgeschichte schon nach 19 Sekunden in Führung, und Marc-Andre Kruska erhöhte nach einer guten Viertelstunde, als die Karlsruher Gäste immer noch im Tiefschlaf lagen. Einmal wachgerüttelt, trafen die Badener aber plötzlich wie am Fließband: Vier Treffer in 14 Minuten bedeuteten eine komfortable Pausenführung. Nach dem 2:5 durch Timo Staffeldt in der 55. Minute zweifelte wohl niemand mehr an einer Heimpleite für Energie. Doch dann hatten die Lausitzer ihre verrückten sieben Minuten: Jiayi Shao, Petersen und Jules Reimerink stellten auf 5:5. Danach war noch massig Zeit, 17 Minuten plus Nachspielzeit, doch alle Beteiligten hatten offenbar genug durchgemacht. Unglaublich trocken analysierten damals die Trainer. Cottbus' Wollitz: "Wir haben nicht so organisiert gespielt." Karlsruhes Schupp: "Wir müssen weiter lernen, wie man Tore verhindert."

Das Spiel der Hinrunde II: Beim Super-Spitzenspiel in Augsburg zwischen dem FCA und Hertha BSC ging es fußballerisch bei weitem nicht so hoch her wie weiland in Cottbus, aber unterhaltsam war's schon und definitiv einer Erwähnung wert: Zwei Tore und vier Platzverweise teilte man sich brüderlich, wobei Augsburgs Daniel Baier mit glatt Rot sieben Minuten nach seiner Einwechslung eine Extra-Erwähnung gebührt.

Die Enttäuschung der Hinrunde: 2 Siege, 1 Unentschieden, 14 Niederlagen. Diese Bilanz von Arminia Bielefeld ist nichts anderes als ein Desaster. Es ist die schlechteste Vorrundenbilanz seit Einführung der Dreipunkteregel zur Saison 1995/1996. Nachdem es mit Christian Ziege nicht lief, übernahm Ewald Lienen Anfang November den Posten des Cheftrainers auf der Alm. Und Lienen startete gewaltig durch mit einem 2:1-Heimsieg gegen den VfL Osnabrück. Kurios war allerdings, dass die Osnabrücker alle Tore des Nachmittags selbst erzielten, einmal ins richtige, zwei Mal ins falsche Tor. Doch Lienens Traumstart entpuppte sich mehr als Strohfeuer denn als Wendepunkt. Seitdem gab's fünf Pleiten bei 2:13 Toren. Kleiner Trost: Der FSV Frankfurt war 1994/1995 noch schlechter: nur drei Punkte in der Vorrunde. Noch ein Trost: Die Rückrunde wird super. Garantiert. Aufsichtsratsmitglied Alexander Geilhaupt in der "Neuen Westfälischen" auf die Frage, ob er an den Klassenerhalt glaube: "Selbstverständlich. Ich bin davon überzeugt, dass wir in der Rückrunde mindestens 30 Punkte holen."

Das Comeback der Hinrunde: Wie gut es sein kann, in schweren Zeiten auch mal kühlen Kopf zu bewahren, zeigte Fortuna Düsseldorf. Der Saisonstart war katastrophal. Sechs Niederlagen am Stück in der Liga, dazu das Aus im Pokal. Doch die Vereinsführung blieb ruhig. Statt den Trainer in aller Öffentlichkeit in Frage zu stellen, stärkte man Norbert Meier samt Manager Wolf Werner den Rücken. Auch die Fans hielten den angeschlagenen Verantwortlichen die Stange. So kam die Wende in Osnabrück mit einem 3:2-Sieg und eine Woche später kletterte die Fortuna nach einem 1:0 über Augsburg sogar schon vom letzten auf den 16. Tabellenplatz. Inzwischen ist man bei 22 Punkten und im Mittelfeld angekommen. Tendenz steigend. Bemerkenswert: Seit Osnabrück spielte Düsseldorf in zehn Spielen sieben Mal zu null. Aktuell ist man seit sechseinhalb Stunden ohne Gegentor.

Die Aufholjagd der Hinrunde: Am 15. Oktober war der Tiefpunkt erreicht. Nach sehr gutem Saisonstart hatte der FCA gerade seine vierte Pleite in Folge kassiert. 0:1 in Düsseldorf, Absturz auf Platz elf, neun Punkte Rückstand auf den Zweiten Fürth bzw. zehn auf Spitzenreiter Hertha. Die Aufgabenstellung für das darauffolgende Heimspiel gegen Union war klar: Unbedingt gewinnen, egal wie. Und die Wende gelang - doch wusste eigentlich keiner genau, wie man das Spiel noch gedreht hatte. Union führte 1:0, als Augsburgs Uwe Möhrle den Ball aus der eigenen Hälfte nach vorne drosch. Die Kugel hüpfte etwa am Elfmeterpunkt auf und von dort ins Berliner Tor, weil Keeper Jan Glinker planlos durch seinen Strafraum eierte. In der dritten Minute der Nachspielzeit markierte dann Stephan Hain mit dem Hinterkopf den Siegtreffer. "Es war ein unverdienter Sieg, ein Dusel-Sieg", fasste FCA-Manager Andreas Rettig hinterher treffend zusammen. Doch es war der Wendepunkt. Augsburg ist seitdem ungeschlagen und gewann sechs von acht Spielen. Der Lohn: Platz 1 vor der Hertha.

Augsburgs Stephan Hain im SPOX-Porträt

Das Finanzloch der Hinrunde: Es wäre ja auch zu viel verlangt gewesen, vom TSV 1860 München nur sportliche Schlagzeilen in dieser Saison zu erwarten. Nein, einen kleinen Wirtschaftskrimi gibt's immer gratis mit dazu. Wegen eines fehlerhaften Lizenzantrags wurden den Löwen Mitte Oktober mit sofortiger Wirkung zwei Punkte abgezogen. Eine milde Strafe, schließlich hatte auch der Entzug der Spielerlaubnis zur Debatte gestanden.Der neue Geschäftsführer Robert Niemann atmete tief durch und verwies auf seinen Vorgänger Manfred Stoffers, der in der Verantwortung stand, als die maladen Unterlagen an den Verband gingen. "Das kann ich mir nicht erklären. Ich habe mich nie unkorrekt verhalten und auch nie gegen DFL-Richtlinien verstoßen", war natürlich Stoffers Reaktion auf die DFL-Strafe. Niemann ist mittlerweile auch schon Geschichte an der Grünwalder Straße. Sein Nachfolger Robert Schäfer ist der siebte Löwen-Geschäftsführer der letzten sechs Jahre. Aktuell liegt das Sechzig-Hauptaugenmerk auf dem Sanierungsprozess. Es gilt, die großen finanziellen Probleme schnellstmöglich zu beheben. Sportlich hält man sich ganz wacker. Nur sechs Punkte fehlen zum Relegationsplatz, acht auf einen Aufstiegsrang. Doch wäre es nicht verwunderlich, wenn man in der Rückserie wieder im grauen Niemandsland der Tabelle verschwinden würde, schließlich sind Spielerverkäufe bei entsprechenden Angeboten unumgänglich.

Löwen-Coach Reiner Maurer im SPOX-Interview