Christian Ziege: "Wenn kein Geld da ist..."

Von Interview: Jan Wunder
Christian Ziege wurde am 26. Mai 2010 in Bielefeld vorgestellt
© Getty

Christian Ziege war als Spieler unter anderem für Bayern München, den AC Milan und den FC Liverpool tätig. Seine erste echte Herausforderung als Trainer geht er seit Saisonbeginn in der zweiten Liga bei Arminia Bielefeld an. Im SPOX-Interview erklärt er, was Oliver Neuville in Ostwestfalen macht, wieso es keine Fünf-Jahres-Pläne geben kann und wie er persönlich der krisengebeutelten Arminia geholfen hat.

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SPOX: Herr Ziege, die finanzielle Situation in Bielefeld ist bekanntlich sehr schwierig. In der Vorbereitung haben Sie einen Teil des Trainingslagers aus eigener Tasche bezahlt...

Christian Ziege: Ich habe nicht nur einen Teil bezahlt, sondern das komplette Trainingslager.

SPOX: Wie kam es dazu?

Ziege: Der Verein konnte das Trainingslager nicht finanzieren. Wir als Trainerteam fanden es aber wichtig, dass wir in dieser neu zusammengestellten Mannschaft einen gewissen Zusammenhalt herstellen. Wir wollten, dass die Spieler nicht nur zum Training kommen und dann sofort wieder nach Hause fahren, sondern mal eine Woche zusammen sind.

SPOX: Ende April haben Sie sich in einem SPOX-Interview zu Gerard Houllier, der ein Kandidat auf den Trainer-Posten in Wolfsburg war, geäußert. Sie sagten, Houllier könne in Wolfsburg eine Art Supervisor geben. Sind Sie der Supervisor in Bielefeld?

Ziege: Na ja, nur insofern, dass ich sowohl die Arbeit des Trainers als auch die des Sportdirektors übernehme.

SPOX: Wie bringen Sie die beiden Tätigkeiten unter einen Hut?

Ziege: Ganz normal. Zu den Aufgaben als Trainer gehört vor allem die Trainingsplanung. Sobald ich auf dem Trainingsplatz bin, versuche ich der Mannschaft etwas an die Hand zu geben. Sobald ich nicht mehr auf dem Trainingsplatz bin, kümmere ich mich um den anderen Job.

SPOX: Sie selbst haben unter Trainergrößen wie Giovanni Trapattoni, Fabio Capello und eben Gerard Houllier gespielt. Hat Sie einer Ihrer Trainer besonders geprägt?

Ziege: Jeder Trainer in meiner Karriere hat mir irgendetwas mitgegeben. Sei es die Art, wie auf dem Platz trainiert wird oder wie mit der Mannschaft umgegangen wird. Man nimmt natürlich die positiven Dinge mit, merkt sich aber vor allem auch die Sachen, die als Spieler nicht so gut angekommen sind. Aus diesen Erfahrungen versucht man dann zu lernen.

SPOX: Gibt es jemanden, der Sie besonders beeindruckt und beeinflusst hat?

Ziege: Nein, schon als Spieler hatte ich keine Vorbilder. Auch als Trainer muss man immer seinen Weg finden. Natürlich wird man immer geleitet von verschiedenen Ideen, aber es ist wichtig, ein eigenes Konzept zu entwickeln.

SPOX: Ihr Klub erhielt erst im letzten Moment die Lizenz für die kommende Saison. Der neue Arminia-Präsident, Wolfgang Brinkmann, erklärte, dass die eigentliche Arbeit - die Konsolidierung des Vereins - jetzt erst beginne. Was bedeutet so eine Situation für die Kaderplanung?

Ziege: Der Einfluss ist immens. Wenn kein Geld vorhanden ist, kann man natürlich auch keines verplanen, geschweige denn ausgeben. Dementsprechend schwierig hat sich die Kaderplanung gestaltet. Wir sind immer noch in derselben Situation wie Anfang Mai und verständlicherweise macht es keinen Sinn, Geld auszugeben, das nicht da ist.

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SPOX: Obwohl Brinkmann der neue Präsident ist, heißt es im Bielefelder Umfeld, dass Sponsor Gerry Weber der starke Mann im Klub sei. Wie viel Einfluss hat er?

Ziege: Ich kann nur über den sportlichen Bereich sprechen. Dort redet mir niemand herein.

SPOX: Gibt es so etwas wie einen Fünf-Jahres-Plan, an dessen Ende der Verein komplett saniert sein soll?

Ziege: So etwas wie Fünf-Jahres-Pläne kann es aus meiner Sicht gar nicht geben. Es ist immer entscheidend, wie es im sportlichen Bereich läuft. Wenn ein Bundesliga-Verein sagt, dass er über fünf Jahre plant, dann kann ich das nicht glauben. Man kann einfach nicht wissen, was die Mannschaft in der Saison leistet. Bestes Beispiel ist für mich Hertha BSC. Die haben auch innerhalb von fünf Jahren mit der Champions League gerechnet und jetzt spielen sie in der 2. Liga. Das hat auch keiner erwartet und zeigt mir, dass man bei langfristiger Planung immer ein bisschen vorsichtig sein muss.

SPOX: Die Arminia hat einige wichtige Spieler abgegeben. Insgesamt sind zwölf Spieler gegangen und elf neu dazu gekommen. War der Umbruch gewollt?

Ziege: Der Umbruch war notgedrungen. Die finanzielle Lage hat nichts anderes zugelassen. Wir mussten Einsparungen vornehmen, um den Verein so schnell wie möglich wieder zu gesunden. Dazu ist es unumgänglich, dass man Spieler, die zwar Leistungsträger sind, aber auch ein paar Euro mehr verdienen, abgeben muss. Stattdessen müssen wir junge Spieler integrieren.

SPOX: So eine hohe Fluktuation wirft natürlich die Hierarchie durcheinander. Wer soll bei Ihnen die Führungsrolle übernehmen?

Ziege: Das wird sich zeigen, aber meines Erachtens stehen Spieler wie Rüdiger Kauf oder Oliver Neuville im Vordergrund. Spieler, die über eine gewisse Erfahrung verfügen. Vor allem Neuville hat schon einiges hinter sich. Auch Dennis Eilhoff, Markus Bollmann oder Markus Schuler haben schon reichlich Erfahrung. Die müssen auch Verantwortung übernehmen.

SPOX: Stichwort Oliver Neuville. Wie ist der Deal zustande gekommen?

Ziege: Das war ziemlich einfach. Ich wusste, dass er noch Fußball spielen möchte und dass er immer noch die Qualität hat, einer Mannschaft zu helfen.

SPOX: Spielt er denn eine zentrale Rolle? Oder bereitet er sich als Stand-by-Profi einen ruhigen Abgang?

Ziege: Aufgrund unserer finanziellen Lage könnten wir uns einen Stand-by-Profi gar nicht leisten. Deshalb geh ich davon aus, dass er bei uns eine zentrale Rolle spielt.

SPOX: Kommen wir zu Ihrem Trainerteam. Einer Ihrer Co-Trainer, Mario Himsl, hat bei SPOX vor einigen Wochen einen bemerkenswerten Gastbeitrag geschrieben. Er war in diesem Jahrgangsbester bei der Ausbildung zum Lizenztrainer. Wie viel Verantwortung bekommt er?

Ziege: Sowohl Mario als auch Ralf Santelli leisten hervorragende Arbeit. Die beiden sind komplett in die Trainingsabläufe integriert und nehmen eine Menge Dinge selber in die Hand.

SPOX: Sie alle drei sind im Trainergeschäft noch relativ unerfahren. Kann das zum Problem werden?

Ziege: Die beiden sind zwar noch nicht so lange im Geschäft, aber Santelli hat bereits in Burghausen und Stuttgart gearbeitet und auch Himsl bringt die nötige Vorkenntnis mit. Ich bin sehr froh, die beiden als Co-Trainer an meiner Seite zu haben.

SPOX: Der Saison-Auftakt lief für die Arminia mehr als mäßig. Knapp im Pokal weitergekommen und in der zweiten Liga zwei Mal verloren.

Ziege: Im Pokal hatten ja nicht nur wir Probleme. Andere Teams sind sogar gegen unterklassige Klubs ausgeschieden. Es ist nun einmal schwer in diesen Spielen, aber wir haben uns auswärts bei einem Drittligisten, der vier Spiele in Folge gewonnen hatte, durchgesetzt. Und das ist äußerst positiv.

SPOX: Gegen Frankfurt lief es dann aber wirklich nicht gut.

Ziege: Das Spiel in Frankfurt war sehr mäßig, aber zum Ende hat die Mannschaft Charakter gezeigt und versucht, das Spiel noch umzudrehen.

SPOX: Nach der Länderspielpause wartet das Auswärtsspiel bei Hertha BSC. Was ist in Bielefeld los, wenn Sie da nicht zumindest einen Punkt holen?

Ziege: Damit beschäftige ich mich nicht, das ist Zukunftsmusik.

SPOX: Sie selbst haben gesagt, dass der Aufstieg einfach kein Thema sein kann, weil das den neuen Voraussetzungen überhaupt nicht entsprechen würde...

Ziege: Ja.

SPOX: Welches Saisonziel hat die Vereinsführung denn vorgegeben?

Ziege: Unsere Zielsetzung definiert sich nicht über einen Tabellenplatz, sondern darüber, dass wir eine neue Mannschaft aufbauen, die leidenschaftlichen Fußball anbietet, die 90 Minuten alles für einen Sieg geben wird und mit der sich die Fans bedingungslos identifizieren können. Die Mannschaft hat ein neues, jüngeres Gesicht bekommen. Dabei ist Geduld gefragt, es wird immer mal wieder Rückschläge geben. Es geht in diesem Jahr sportlich wie finanziell nur um die Konsolidierung des Klubs.

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