"Ich mache keine Kompromisse mehr"

Von Interview: Pascal Jochem
Markus Babbel folgte auf Friedhelm Funkel als Trainer bei Hertha BSC
© Imago

Markus Babbel hat das Ruder beim Absteiger Hertha BSC übernommen und soll die Alte Dame nach der desaströsen Saison im Vorjahr wieder in die Bundesliga führen. Im Interview mit SPOX spricht der 37-Jährige über die Schlagzeilen produzierende Vorbereitung in Berlin, Schwierigkeiten während seiner ersten Trainerstation beim VfB und eine nicht ganz ernst gemeinte Tattoo-Geschichte.

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SPOX: Herr Babbel, wie gefällt es Ihnen als waschechter Bayer in der Hauptstadt?

Markus Babbel: Ich habe ja noch nichts von der Stadt sehen können. Dazu fehlt einfach die Zeit. Bislang kenne ich nur mein Hotelzimmer und das Trainingsgelände ganz gut. Aber das ist in der Anfangsphase normal.

SPOX: Besonders in der Vorbereitung. Jeden Tag stehen mindestens zwei Einheiten auf dem Programm. Wie zufrieden sind Sie mit dem jetzigen Stand?

Babbel: Es ging ja ein bisschen holprig los. Die Spieler kamen nicht in der Verfassung aus dem Urlaub, wie ich mir das vorgestellt hatte. Aber jetzt muss ich sagen: Großes Kompliment an die Truppe. Alle ziehen hervorragend mit. Sie beißen und sie sind willig. Aber die eine oder andere Einheit hätten sie sich sparen können.

SPOX: Sie spielen auf das Straftraining an, das sie aufgrund der schlechten Fitnesswerte angeordnet haben. In den Medien war von einer "Mega-Schinderei" zu lesen. Oder von Babbel, dem neuen Zuchtmeister.

Babbel: Wenn ich schlampig bin und in der freien Zeit schludere, dann muss ich eben mehr machen. Das ist in jeder Berufssparte das Gleiche. Wenn ich einen Bericht in vier Wochen abliefern muss und in den letzten Tagen immer noch ein leeres Blatt vor mir habe, muss ich auch Überstunden einlegen. Wir haben unseren Abgabetermin am 20. August, im Heimspiel gegen Rot-Weiß Oberhausen. Die Mannschaft hat hierfür einiges nachholen müssen, was ich so nicht geplant hatte. Aber das hat sie sich selbst zuzuschreiben. Sie hat nicht gemurrt, sondern es akzeptiert und ist jetzt wieder in der Spur.

SPOX: Sie sind bekannt dafür, dass Sie auch Talente aus der eigenen Nachwuchsabteilung aufstellen. Haben Sie schon den neuen Christian Träsch oder Sebastian Rudy entdeckt?

Babbel: Das muss man abwarten. Jetzt in der Vorbereitung bekommen gerade die älteren Spieler Probleme, weil die Belastung natürlich extrem hoch ist. Das hat auch zur Folge, dass die jungen Spieler auffallen. Wir haben gleich mehrere dabei und sie präsentieren sich klasse. Es liegt an jedem selbst. Wenn er mich überzeugt, dann wird er auch spielen.

SPOX: Hertha gilt als das Top-Team der 2. Liga. Der direkte Wiederaufstieg ist Pflicht. Ist es in dieser Drucksituation überhaupt möglich, vermehrt auf junge Spieler zu setzen?

Babbel: Die Jungs bringen soviel Qualität mit, da habe ich keine Bedenken. Außerdem haben sie erfahrene Spieler an ihrer Seite. Nichtsdestotrotz erwarte ich von ihnen, dass sie nicht nur mitlaufen, sondern Akzente setzen. Wenn ich das Gefühl habe, dass sie das können, habe ich auch kein Problem, sie ins kalte Wasser zu werfen.

SPOX: Gerade Erstliga-Absteiger haben in der 2. Liga häufig mit Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen. Wie sind Sie und der Verein darauf vorbereitet, wenn es über mehrere Wochen mal nicht so läuft?

Babbel: Ich kann nur im Training immer wieder Reizpunkte setzen. Wir werden in diesem Jahr nichts geschenkt bekommen, sondern uns jeden Sieg hart erarbeiten müssen. Es sind einige Teams mit dabei, die guten Fußball spielen, aber eben auch Mannschaften, die über die Lauf- und Kampfbereitschaft kommen. Darauf müssen wir vorbereitet sein.

SPOX: Hätten Sie sich das nicht ersparen können? Es war auch von Angeboten aus der Bundesliga zu hören, beispielsweise vom VfL Wolfsburg. Warum also Hertha BSC?

Babbel: Ich hatte tolle Gespräche mit Michael Preetz und Präsident Werner Gegenbauer. Die haben mich absolut überzeugt. Hertha ist ein großer Klub. Als ich hier ankam, hat sich das erst recht bestätigt. Die Bedingungen, die man hier vorfindet, sind ein Traum für jeden Trainer. Wir können mit diesem Verein in dieser Stadt viel bewegen. Wichtig ist, dass wir erfolgreich Fußball spielen. Ich bin überzeugt, dass dann wieder ein Ruck durch Berlin geht. Jeder Fan, jeder Mitarbeiter des Klubs sehnt sich danach, so schnell wie möglich wieder in der Bundesliga zu spielen. Das ist meine Antriebsfeder.

SPOX: Es heißt, sollte der direkte Wiederaufstieg tatsächlich gelingen, liebäugeln Sie mit einem ganz besonderen Liebesbeweis. Sie wollen sich die Hertha-Fahne tätowieren lassen. Ihr Ernst?

Babbel: Das ist eine Geschichte, die sich entwickelt hat, so aber nicht ganz richtig ist. Mir gefallen Tattoos sehr gut und ich habe gesagt, vielleicht mache ich mir bald ein neues. Von der Hertha-Fahne war eigentlich nie die Rede. Aber ich bin auch immer mal wieder für Überraschungen gut, wer weiß.

SPOX: In Ihren Aussagen geht es immer wieder um harte Arbeit, die Spieler bekommen das gerade zu spüren. Ist das Teil Ihres Trainerstils?

Babbel: Ich habe viel Erfahrung als Spieler gesammelt. Ich war kein schlechter, aber auch kein begnadeter Fußballer und musste mir daher viel erarbeiten. Aber ich habe es geschafft, mit drei verschiedenen Teams Titel zu gewinnen. Das ging nur über sehr viel harte Arbeit und mit sehr viel Disziplin. Ich weiß, was man allein dadurch erreichen kann. Genauso habe ich aber auch Mannschaften miterlebt, in denen kein Teamspirit, sondern ein hoher Neidfaktor vorhanden war. Das ist schädlich für den Erfolg. Diese Erfahrungen versuche ich einzubringen und zu vermitteln.

SPOX: Welcher Trainer hat Sie während Ihrer aktiven Zeit am meisten geprägt?

Babbel: Ich konnte von allen etwas mitnehmen. Ich hatte das Glück, viele große Trainer erleben zu dürfen, von Ottmar Hitzfeld über Otto Rehhagel bis Giovanni Trappatoni. Alles hervorragende Trainer, die alle ihre Stärken haben. Klar, man muss auch seinen eigenen Stil entwickeln. Aber es ist schon hilfreich, wenn man zurückdenkt und sich erinnert: 'Was hat der damals in der Situation gemacht, wie hat der reagiert?'.

SPOX: Haben Sie noch zu dem einen oder anderen Kontakt?

Babbel: Ja klar, mit Ottmar Hitzfeld habe ich telefoniert, noch zu Stuttgarter Zeiten. Letztens lief mir Otto Rehhagel über den Weg. Es ist immer wieder schön, sie zu sehen. Doch es ist nicht so, dass ich regelmäßig mit ihnen telefonieren würde.

SPOX: Sie kommen auf Ihre Zeit beim VfB zu sprechen. Dort haben Sie Höhen und Tiefen durchgemacht. Wie bewerten Sie ihre erste Trainerstation rückblickend?

Babbel: Es war eine sensationelle Zeit. Ich mache das nicht von Sieg oder Niederlage abhängig. Ich war ja erst Spieler, dann Assistent und letztlich Cheftrainer. Wir hatten einen unglaublichen Erfolg und dann eben auch die Kehrseite der Medaille. Aber besonders in der Phase als es nicht so gut lief habe ich unheimlich viel gelernt - mehr noch als in der erfolgreichen Zeit. Das hilft mir auch jetzt weiter.

SPOX: Können Sie das konkretisieren, was genau haben Sie aus dieser Zeit mitgenommen?

Babbel: Dass ich keine Kompromisse mehr mache, besser beobachte und die Dinge klipp und klar anspreche. Wenn es nicht so funktioniert, wie ich mir das vorstelle, muss ich auch bereit sein, unangenehme Entscheidungen zu treffen. Das war damals nicht unbedingt der Fall, auch aus vereinspolitischen Gründen. Ich war einfach zu gutmütig und musste im Endeffekt dafür bezahlen, obwohl ich es von Anfang an habe kommen sehen. Heute würde ich das so nicht mehr machen.

SPOX: Welche Rolle hat die parallel laufende Trainerausbildung bei der ganzen Sache gespielt?

Babbel: Ich denke, dass ich von allen Trainern das größte Handicap hatte. Wenn man drei Tage die Woche nicht da ist und nur vier Tage im Sommer Urlaub hat, ist man einfach leer. Das war eine große Bürde, natürlich auch zu einem unglücklichen Zeitpunkt - genau in der Phase, als es nicht so gut lief. Ich hatte kaum eine Chance aktiv einzugreifen. Dennoch war die Zeit sehr lehrreich. Und den Lehrgang habe ich auch hinter mich gebracht. Das hat mich wieder stark gemacht.

SPOX: Was würden Sie Kollegen raten, die in einer vergleichbaren Situation sind?

Babbel: Es kommt immer auf den Typ an. Ich bin nicht der Typ, der auf zwei Hochzeiten tanzen kann. Der Job des Bundesliga-Trainers kostet nun mal sehr viel Zeit und Kraft. Und die Ausbildung zum Fußballlehrer ist auch nicht ohne. Wenn man das handeln kann, soll man weitermachen. Ansonsten würde ich Bundesliga-Trainern empfehlen, ein Jahr Auszeit zu nehmen.

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