Berlin: Das Dream Team der Zweiten Liga?

Von Jan Wunder
Das neue Hertha: Markus Babbel, Raffael, Ronny und Michael Preetz (v.l.)
© Imago

Hertha BSC Berlin plant die sofortige Bundesliga-Rückkehr und stellt dafür eine erstklassige Mannschaft zusammen. Raffael bleibt, weitere Stars wie Markus Rosenberg sollen kommen. Doch geht Manager Michael Preetz zu hohes Risiko?

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"Liebe Herthaner und liebe Herthanerinnen, es ist bittere Realität geworden, was wir alle vermeiden wollten."

Mit diesen Worten eröffnete Berlins Manager Michael Preetz Ende Mai seine Rede bei der Mitgliederversammlung in den Berliner Messehallen.

Der Frust über den Abstieg der alten Dame ist in der Hauptstadt immer noch allgegenwärtig. Doch vor allem die sportliche Führung um Preetz ist bemüht, dem gelähmten Umfeld neues Leben einzuhauchen und die neue Herausforderung mit einem klaren Kopf anzugehen.

Einen Neuanfang soll es geben, ja. Aber keinen kompletten Umbruch.

Erstklassig besetzt in die Zweitklassigkeit

Der Weggang von Lukas Piszczek (zu Borussia Dortmund) steht fest, auch Arne Friedrich, Jaroslav Drobny, Gojko Kacar und Steve von Bergen werden den Verein wohl verlassen. Dennoch: Dem neuen Trainer Markus Babbel wird kein Trümmerhaufen hinterlassen.

Die Verträge von Leistungsträgern wie Fabian Lustenberger, dem designierten Abwehrchef Roman Hubnik sowie Lewan Kobiaschwilli konnten verlängert werden, auch Urgestein Pal Dardai bekannte sich zur Hertha. Die womöglich wichtigste Personalie heißt jedoch Raffael.

Der Spielmacher war der beste Berliner der letzten Saison und hatte zahlreiche Angebote von Erstligisten vorliegen, doch Preetz leistete offenbar derart erfolgreich Überzeugungsarbeit, dass sich der Brasilianer zum Bleiben entschloss. Eine Entscheidung mit Signalkraft.

"Ich liebe Hertha!"

"Es war hart, mit Hertha abzusteigen. Ich laufe nicht weg. Wir steigen wieder auf! Ich liebe Hertha BSC", sagte Raffael bei der eingangs beschriebenen Mitgliederversammlung unter lautem Jubel der Fans.

Neben dem Verbleib wichtiger Leistungsträger und Identifikationsfiguren stehen zudem die ersten Neuzugänge fest. Raffaels Bruder Ronny wurde zwar bei Sporting Lissabon aussortiert, sollte jedoch genug Talent mitbringen, um Berlin auf dem linken Flügel zu verstärken.

Und mit Maikel Aerts (Willem II Tilburg) fand Preetz schnell einen Nachfolger für Stammkeeper Drobny, der "mit Ausstrahlung und mentaler Stärke" besticht, wie Preetz erklärte.

Zudem wird über die Verpflichtung von Bremens Markus Rosenberg, Ashkan Dejagah (Wolfsburg) und Lukas Sinkiewicz (Leverkusen) diskuiert. Drei Spieler, die in der abgelaufenen Saison Probleme hatten, für die Zweite Liga jedoch Top-Transfers wären.

Jugend wird gestärkt

Dazu sollen Talente wie Lennart Hartmann, Sebastian Neumann und Fanol Perdedaj zur ersten Mannschaft stoßen und einen neuen Konkurrenzkampf anfechten. Berlins Nachwuchsarbeit gilt als eine der besten in Deutschland, doch in den letzten Jahren gelang nur wenigen der Sprung zu den Profis, weil die Durchlässigkeit nicht gegeben war.

Das neue Jugendkonzept, dass sich in dieser Saison mit den Profiverträgen für Sascha Bigalke und Shervin Radjabali-Fardi bereits abzeichnete, soll auch von Babbel fortgeführt werden.

Der verkündete bei seinem Amtsantritt schon mal, dass er ein Trainer sei, "der sehr gern mit jungen Spielern zusammenarbeitet". Hinter dieser Aussage steckt jedoch nicht nur eine neue Philosophie, sondern vor allem dringende Notwendigkeit.

Wirtschaftlich angespannte Situation

Die Verbindlichkeiten der Hertha werden sich Ende Juni voraussichtlich auf 36 Millionen Euro belaufen. Im nächsten Jahr wird mit einem Etat von 33 Millionen Euro geplant. Demgegenüber stehen schätzungsweise lediglich 30,5 Millionen Euro Einnahmen, erklärte Finanz-Chef Ingo Schiller.

Trotzdem stehen die Berliner nicht vor dem wirtschaftlichen Kollaps. "Der direkte Wiederaufstieg in die erste Liga ist das Ziel, aber wir sind finanziell nicht dazu verdammt", sagte Schiller.

Außerdem sind im angestrebten Etat derzeit keine Transfererlöse geplant. Sollten Spieler mit laufendem Vertrag noch verkauft werden, vergrößere sich der Spielraum für die kommende Saison sogar noch ein wenig.

Schicksalsbündnis Preetz/Babbel

Babbel würde das sicherlich gutheißen, denn auch für den 37-Jährigen steht in Berlin viel auf dem Spiel. Nachdem er den VfB Stuttgart bei seiner ersten Station als Chefcoach auf den dritten Platz geführt hatte, folgte eine enttäuschende erste Saisonhälfte 2009 und folgerichtig sein Rausschmiss im November letzten Jahres.

Die Doppelbelastung aus Trainerlehrgang und Verantwortung für den VfB in der Bundesliga und Champions League wog zu schwer. Babbel hat den Trainer-Lehrgang mittlerweile erfolgreich abgeschlossen und der Berliner Vorstand hofft auf seine Erfahrung im Umgang mit den Medien.

Man betonte, dass der Ex-Stuttgarter "das ausgearbeitete Anforderungsprofil in vollstem Maße erfülle" und damit die Idealbesetzung für den Trainerposten sei.

Babbels großer Befürworter ist Preetz. Dessen Zukunft ist in erheblichem Maße an den Erfolg des neuen Trainers geknüpft. Der 42-jährige Manager ist in Berlin umstritten. Bei der Entlassung von Lucien Favre bekundeten einige Fans offen ihren Unmut über den unerfahrenen Preetz, der während der Saison in der Öffentlichkeit manchmal etwas unbeholfen, teilweise fast hilflos wirkte.

Das Problem mit der Erwartungshaltung

Im Laufe der Mitgliederversammlung appellierte er mehrfach an die anwesenden Fans und forderte die volle Unterstützung der Stadt für den Verein. Der spezielle Charakter Berlins müsse sich besser im Klub widerspiegeln: "Wenn es uns dann gelingt, die Anhänger mit starken Leistungen hinter uns zu bringen, möchte ich mal die Mannschaften sehen, die bei uns zu Hause bestehen wollen."

Derzeit rechnet die Hertha mit nur durchschnittlich 26.600 Zuschauern pro Heimspiel. Letzte Saison waren es im Schnitt knapp 20.000 mehr. Die Hoffnung auf eine breite Unterstützung in der Stadt ist dennoch groß.

In den ersten zwei Tagen des Dauerkartenverkaufs gingen bereits 1000 Jahrestickets über die Ladentheke. Man ist weit davon entfernt, von einer Euphorie zu sprechen, aber der für das Unterhaus überdurchschnittlich gut besetzte Kader lässt die Fans auf einen souveränen Wiederaufstieg hoffen - wodurch jedoch auch die die Erwartungshaltung überhöht wird.

"Hertha gehört in die Bundesliga"

In der nächsten Saison sind die Berliner die Gejagten. Egal, auf welchem Tabellenplatz die Mannschaft steht, sie geht als Favorit in das kommende Spiel. Wie geht die Mannschaft, die letztes Jahr noch so labil wirkte, mit diesem Druck um?

Dementsprechend spricht Michael Preetz schon einmal vorsorglich vom "richtigen Zeitpunkt, die Hertha zu erden und wieder auf Berliner Boden zurückzuholen". Mit aller Macht will er rechtzeitig für eine gesunde Erwartungshaltung im Berliner Umfeld sorgen.

Babbel baut für dieses Vorhaben auf gestandene Akteure wie Berlins Rekord-Bundesligaspieler Dardai, Lustenberger und Raffael. Die Drei bilden mit insgesamt deutlich über 400 Spielen für die Hertha das Gerüst im Mittelfeld. Auf Hubnik als neuen Abwehrchef und den zuletzt von Hoffenheim umworbenen Torjäger Adrian Ramos sollen ebenfalls verantwortungsvolle Aufgaben zukommen.

Preetz: "Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die beste Mannschaft auf die Beine stellen werden. Hertha gehört in die Bundesliga, dafür werde ich alles tun."

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