"Ich stehe in Kontakt mit Real Madrid"

Von Interview: Jochen Tittmar
Uwe Wolf wartet seit seiner Beurlaubung bei 1860 München im Mai 2009 auf neue Aufgaben
© Imago

Uwe Wolf war vergangene Saison elf Spiele lang Trainer vom TSV 1860 München. Nach seiner Beurlaubung befindet sich der 42-Jährige derzeit auf Jobsuche. Im Interview spricht Wolf über ein königliches Praktikum, was er sich von Vereinsvorständen wünscht und über seine Zeit als Profi in Mexiko.

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SPOX: Herr Wolf, Sie wurden im Mai 2009 bei 1860 München beurlaubt und sind seitdem ohne Job. Was macht man in der jetzigen Phase?

Uwe Wolf: Zuallererst habe ich mir letzten August ein neues Hüftgelenk einsetzen lassen, da ich durch meine Profilaufbahn unter einer starken Hüftarthrose litt. Jetzt bin ich wieder voll hergestellt. Seitdem nutze ich die Zeit, schaue mir viele Spiele an, um auf dem Laufenden zu bleiben. Ansonsten genieße ich die Zeit mit meiner Familie und meinem kleinen Sohn...

SPOX: ...der am 18.6. geboren wurde und Leo heißt. Wie passend.

Wolf: Das habe ich ja auch immer genau so vorausgesagt. Er ist ein echter Löwe (grinst).

SPOX: Welchen Namen hätte er denn bekommen, wenn er am 19.6. geboren wäre?

Wolf: (lacht) Keine Ahnung. Ziemlich sicher auch Leo.

SPOX: Haben Sie vor, in Zukunft bei einem Verein zu hospitieren?

Wolf: Ich stehe derzeit in Kontakt mit Real Madrid und warte auf eine Bestätigungsmail. Der Kontakt ist durch meinen Freund Hansi Flick entstanden. Es juckt wieder bei mir. Man wartet jeden Tag darauf, wieder zu arbeiten. Die Hospitanz wäre ein erster Schritt.

SPOX: Haben Sie ein fertig ausgearbeitetes Konzept in der Hinterhand, sollte sich ein interessierter Verein bei Ihnen melden?

Wolf: Nein. Das ist ja sowieso immer vom jeweiligen Verein abhängig. Ich bin ein Trainer, der von der Basis kommt. Ich habe als Jugendtrainer angefangen. Das ist natürlich in der heutigen wirtschaftlichen Lage von Vorteil, da viele Vereine darauf angewiesen sind, auf die eigene Jugend zu bauen.

SPOX: Gab es denn bislang schon Angebote?

Wolf: Kurz nach meiner Zeit bei 1860 hatte ich ein Gespräch mit Wacker Burghausen. Damals war der Stand allerdings noch der, dass Wacker in die Regionalliga abgestiegen wäre. Letztendlich sind sie ja in der 3. Liga geblieben, weil Kickers Emden die Lizenz entzogen wurde. Mein Anspruch ist schon der Profibereich, dafür habe ich auch die Fußballlehrerlizenz gemacht.

SPOX: Gibt es etwas, was Sie bei Ihrer nächsten Trainerstation anders machen würden?

Wolf: Ich würde sofort auf einen Co-Trainer bestehen. Bei 1860 habe ich bis auf die Torhüter das komplette Training allein geleitet. Am Spieltag habe ich mir dann Markus Schroth hinzugezogen. Ich habe auch die Videos für die Spielanalyse selbst geschnitten. Jetzt habe ich diesbezüglich konkrete Vorstellungen, die ich dann auch durchsetzen möchte.

SPOX: Haben Sie nach Ihren ersten Erfahrungen für sich persönlich auf bestimmten Gebieten Verbesserungsbedarf erkannt?

Wolf: Bis auf das, was ich gerade ansprach, würde ich alles wieder so machen. Ich war ja nur elf Spiele als Profitrainer im Amt. Der Draht zur Mannschaft hat gepasst.

SPOX: Ist es ein Nachteil für die Jobsuche, dass Sie Ihre erste Chance als Coach nicht nutzen konnten?

Wolf: Das mag sein. Ich bin auch sehr euphorisch aufgetreten. Das habe ich damals bewusst so gemacht, da ich 1860 in einer schwierigen Phase übernommen habe. Für manche war ich deshalb vielleicht etwas zu forsch mit meinen Aussagen, dass ich von 13 Spielen 13 gewinnen will. Der Siegeswille ist für mich Grundvoraussetzung und den verlange ich auch von meinen Spielern.

SPOX: Da haben Sie Recht. Jemand wie Thomas Tuchel hat seine erste Chance direkt genutzt. Für ihn sind die Perspektiven gänzlich andere.

Wolf: Ihn kenne ich noch vom Fußballlehrerlehrgang. Er kommt ja auch aus der Jugend. Entscheidend ist bei ihm, dass hier ein junger Trainer die Rückendeckung bekommen hat, um vernünftig und in Ruhe zu arbeiten. Auch wenn Mainz mal verliert wird keine große Politik daraus gemacht. Ich erhoffe mir, dass dies auch von vielen Vereinsvorständen oder Managern registriert wird und man zukünftig noch öfter auf Leute von der Basis baut.

SPOX: Lassen Sie uns über Ihre Zeit in Mexiko reden. Wie ist es damals überhaupt dazu gekommen, wer hat den Kontakt hergestellt?

Wolf: Werner Lorant hat mich bei 1860 München damals als Spieler aussortiert. Sergio Zarate, der ein guter Freund aus Nürnberger Zeiten ist, kam zeitgleich beim HSV nicht mit Trainer Benno Möhlmann zurecht und wechselte in einer Nacht-und-Nebelaktion zu Necaxa nach Mexiko. Eines Tages rief er mich an und sagte, dass sie einen ausländischen Abwehrspieler bräuchten.

SPOX: War Mexiko als Fußballland für Sie überhaupt attraktiv?

Wolf: Ich habe zu Sergio damals gesagt, dass ich weder vom Land, noch vom dortigen Fußball eine Vorstellung hatte. Aber ich dachte mir, dass man dort gutes Geld verdienen kann, wenn er schon dort spielt (lacht). Er sagte, dass ich am besten gleich am nächsten Tag hinfliegen soll.

SPOX: Und?

Wolf: Es hat fünf Tage gedauert, bis ich dort war. Ich bin zuerst hingeflogen, habe ein paar Mal mittrainiert - es war Saisonvorbereitung - und einige Spiele mitgemacht. Dann musste ich erst wieder in der Heimat meinen Vertrag bei 1860 auflösen. Der Transfer war nach drei Wochen fix.  Im ersten Jahr bin ich direkt mexikanischer Meister geworden.

SPOX: Sie klingen richtig melancholisch.

Wolf: Das war auch eine überragende Zeit, mit die schönste in meiner Karriere. Nicht nur fußballerisch, sondern auch die Lebenserfahrung an sich. Mittlerweile bin ich Patenonkel in Mexiko und unterstütze ein Waisenhaus.

SPOX: Hat sich das gleich zu Beginn abgezeichnet, dass es Ihnen dort so gefällt? Immerhin kamen Sie ja in ein Land, das Sie noch nicht kannten und wo Sie sich nicht verständigen konnten.

Wolf: Ich habe mich sofort heimisch gefühlt. Ich dachte anfangs, dass die dort fußballerisch noch nicht so weit sind wie in Deutschland. Das war aber völlig falsch. Das war alles vom Feinsten. Die Plätze waren so gut, anfangs dachte ich, ich fahre zu einem Golfplatz statt zu einem Vereinsgelände eines Fußballvereins. In Sachen Trainingszentren und auch in taktischer Hinsicht war uns Mexiko damals um einiges voraus.

SPOX: Wie bitte?

Wolf: 1995 fand in Deutschland allmählich ein Umbruch statt. Weg von der Manndeckung, hin zur Raumdeckung und Viererkette. Das war in Mexiko schon gang und gäbe.

SPOX: Welchen Stellenwert hat der Fußball in Mexiko?

Wolf: Da Fußball zusammen mit Stierkampf die Sportart Nummer eins ist, lebt man als Fußballer dort natürlich sensationell. Die Menschen liegen einem regelrecht zu Füßen. Die Neidgesellschaft, wie man sie von uns kennt, gibt es dort nicht. Die armen Menschen sind dort froh, dass es die Reichen gibt, weil sie von ihnen leben.

SPOX: Sind Sie mit Ihren Teamkollegen gleich warm geworden?

Wolf: Ja, die Kameradschaft war absolut super. Als meine Freigabe von der FIFA kam, hat die Mannschaft ein Grillfest mit mexikanischer Mariachi-Musik für mich organisiert. Das werde ich nie vergessen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass ja einer wegen mir aus der Mannschaft geflogen ist.

SPOX: Wie professionell sind die mexikanischen Spieler?

Wolf: Sehr professionell. Dort spielt man die Meisterschaft in einer Art Playoff-System aus. Da waren wir vom Viertelfinale bis zum Finale vier Wochen am Stück im Trainingslager zusammen. Das wäre in Deutschland unvorstellbar. Die Spieler selbst wissen, dass außerhalb des Platzes jeder Blödsinn erlaubt ist. Sobald aber das Spielfeld betreten wird, herrscht dort volle Konzentration.

SPOX: Die Mexikaner sind auch tief im Glauben verwurzelt. Wie haben Sie das mitgekriegt, wurde damals in der Kabine gebetet?

Wolf: Klar, vor jedem Spiel. Als wir Meister wurden, gab es eine Riesenfeier, aber zuerst wurde in der Kabine der Jungfrau von Guadalupe gedankt. In fast jedem Stadion gibt es eine Kapelle mit Altar. Das hat mich schon beeindruckt.

SPOX: Sie sind da also nicht gelangweilt in der Ecke gestanden?

Wolf: Nein, ich habe mich eben untergeordnet und auch direkt die Sprache gelernt. Deshalb lege ich als Trainer auch wert darauf, dass Ausländer so schnell wie möglich die Sprache lernen. Das habe ich in Mexiko gelernt: Wenn die Mannschaftskollegen merken, dass man sich bemüht und sich den gegebenen Strukturen unterordnet, ist man sofort akzeptiert. Manche Kollegen wollten dann auch von mir deutsche Schimpfworte lernen (lacht).

SPOX: Was haben Sie nach dieser Zeit für sich persönlich nach Deutschland mitgenommen?

Wolf: Man stellt sofort fest, dass die Menschen dort mit viel größeren Problemen deutlich zufriedener leben, als das in Deutschland der Fall ist. Der Kontakt ist auch bis heute nicht abgerissen. Viele ehemalige Mannschaftskollegen sind mittlerweile dort auch Trainer geworden.

SPOX: Kann man also abschließend sagen, dass Sie die lockere Lebensart der Mexikaner für sich konserviert haben?

Wolf: Auf jeden Fall. Mir hat dort keiner geglaubt, dass ich Deutscher bin. Ich bin voll als Mexikaner durchgegangen. Viel macht natürlich auch das Klima aus. Man sieht dort fast nur fröhliche Gesichter.

Uwe Wolf im Steckbrief