"Über Gerlands Worte kann ich heute nur lachen"

Von Interview: Benjamin Sehring
Sandro Wagner wechselte 2007 vom FC Bayern München zum MSV Duisburg
© Imago

Er ist im Moment einer der erfolgreichsten Torjäger in Deutschland. Hermann Gerland hielt damals nicht so viel von ihm. Bei SPOX spricht der 21-Jährige über seine Ziele mit dem MSV, die Vergangenheit beim FC Bayern und sein Vorbild Zlatan Ibrahimovic.

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SPOX: Haben Sie sich in letzter Zeit mal selbst gegoogelt?

Sandro Wagner (lacht): Nein, auf die Idee bin ich bisher noch nicht gekommen.

SPOX: Neben ihrem Namen stehen auffällig oft ausländische Vereine. Was ist dran am Interesse von Klubs wie dem FC Brügge oder auch dem PSV Eindhoven?

Wagner: Davon habe ich auch durch meinen Berater erfahren. Aber das interessiert mich alles nicht. Ich fühle mich sehr wohl in Duisburg und werde auf jeden Fall hier bleiben und meinen Vertrag erfüllen.

SPOX: Dennoch bestätigen diese Anfragen ihre momentan starke Form.

Wagner: Natürlich macht es mich stolz und es freut mich, dass meine Leistung anerkannt wird. Das zeigt, dass ich einen guten Marktwert und ein gutes Standing habe. Aber ich lasse mich dadurch nicht verrückt machen, sondern werde so weiter spielen wie bisher.

SPOX: Und bisher läuft es für Sie sehr gut. In drei Spielen haben Sie schon viermal getroffen.

Wagner: Es ist auf jeden Fall sehr gut, wie ich im Moment spiele. Aber wie Sie schon sagen, sind erst drei Spiele gespielt. Wenn ich nach 34 Spielen immer noch eine gute Quote habe und wir mit dem Verein unsere Ziele erreicht haben, dann bin ich zufrieden. Aber ich werde mich jetzt nicht nach drei Spielen feiern, weil ich vier Tore gemacht habe.

SPOX: Aber wie erklären Sie sich ihre starke Form in dieser Saison. Für uns wirken Sie vor allem seit dem U-21-EM-Finale gegen England und ihren zwei Toren doch stark verändert - oder irren wir uns?

Wagner: Ich würde nicht sagen, dass mich die EM verändert hat. Klar habe ich da neue Erfahrungen mitgenommen, aber ich denke, dass auch die vergangene Saison beim MSV nicht so schlecht war.

SPOX: Da kamen Sie bei 30 Spielen auf  sieben Tore...

Wagner: ...und acht Torvorlagen. Dazu noch sechs, sieben Aluminiumtreffer. Aber trotzdem war das meine erste richtige Profi-Saison und dass da noch nicht alles rund läuft und man nicht direkt 15, 20 Tore schießt, ist normal. Dass es in dieser Saison derzeit besser läuft, ist für mich aber eine zwangsläufige Entwicklung. Einfach weil ich mehr Spiele mache, älter werde und an Erfahrung gewinne.

SPOX: Durch Ihre aktuelle Form ist ein kleiner Hype um Sie entstanden. Das gab es zuletzt als Sie 2007 beim FC Bayern fast die ganze Vorbereitung aufgrund von Verletzungen der arrivierten Spieler in der Stammelf standen. Wie hatten Sie diese Zeit erlebt?

Wagner: Als damals 18-Jähriger war das alles sehr beeindruckend: Plötzlich mit den besten Spielern Deutschlands auf dem Trainingsplatz zu stehen und dann sogar meine ersten Profispiele zu absolvieren. Das war schon Wahnsinn und eine wichtige Zeit für mich.

SPOX: Dennoch wurde das alles von ihrem damaligen Regionalliga-Trainer Hermann Gerland kritisch betrachtet. Er meinte damals: "Was soll ich da noch sagen? In der Regionalliga hat er nichts gebracht, und jetzt ist er bei den Profis." Wie sind Sie mit dieser Aussage umgegangen?

Wagner: Es ist natürlich nicht gerade einfach, als sehr junger Spieler mit so einer Kritik umzugehen. Da macht man sich Gedanken, warum sein eigener Trainer so etwas sagt. Aber im Nachhinein kann ich über diese Aussage nur lachen. Herr Gerland hat ja auch Augen im Kopf und sieht, dass er mit seiner Aussage über mich falsch gelegen hat.

SPOX: Haben Sie noch Verbindungen zu den Bayern?

Wagner: Nein, da gibt es keine Verbindungen mehr - gar nichts. Trotzdem war die Zeit bei den Bayern sehr wichtig für mich. Ich habe dort meine ganze Jugend verbracht und meine Ausbildung erhalten. Dafür bin ich sehr dankbar. Aber ich bin jetzt Duisburger und ich denke auch gar nicht mehr an den FC Bayern zurück. Für mich ist das Kapitel München abgeschlossen.

SPOX: Spüren Sie beim MSV Duisburg jetzt unter Peter Neururer eine andere Wertschätzung?

Wagner: Klar, das ist natürlich etwas ganz anderes. Ich erhalte von ihm eine ganz andere Anerkennung und das will ich meinem Trainer jeden Tag zurückgeben. Ich kann sehr viel von ihm lernen, weil er über sehr viel Fußballverständnis verfügt.

SPOX: Hat der MSV dieses Jahr schon das Zeug, den Aufstieg zu packen?

Wagner: Auf jeden Fall. Für uns Spieler zählt auch nur der Aufstieg. Wir haben eine riesige Qualität in der Mannschaft, in der viele Spieler sind, die eigentlich in der Bundesliga spielen müssten.

SPOX: Allerdings gab es einen kleinen Umbruch im Team. Insgesamt mussten acht Spieler den MSV verlassen. Vier sind dazugekommen. Ist der Kader groß genug, um oben mitzuspielen?

Wagner: Qualitativ sind wir um einiges besser als letztes Jahr besetzt. Die Abgänge haben uns nicht sonderlich wehgetan. Markus Brzenska vermissen wir natürlich, er ist ein Riesenspieler. Aber sonst haben wir alle Positionen gut kompensiert. Wenn wir uns noch weiterentwickeln und die Laufwege besser abstimmen, kann uns keiner mehr stoppen. Wir sind jetzt schon gut drauf. Da passt einfach alles.

SPOX: Nicht nur im Interview wirken Sie sehr selbstbewusst. Auch auf dem Fußballfeld reifen Sie zu einer Führungspersönlichkeit beim MSV heran und sind wie im Spiel gegen St. Pauli als Anpeitscher aktiv.

Wagner: Das ist normal. Im ersten Jahr musste ich erst mal alles kennenlernen und musste mich erst beweisen. Das habe ich jetzt getan und somit spiele ich auch in der Mannschaft eine wichtigere Rolle. Und ich will auch Verantwortung übernehmen, auch wenn ich erst 21 bin. Wenn es nötig ist, pushe ich dann auch die Mannschaft und die Fans. Für meine Entwicklung ist es nur gut, wenn ich schon jetzt eine Führungsposition einnehmen kann.

SPOX: Sehen Sie sich in Ihrer Entwicklung auch irgendwann bei einem großen Klub wie dem FC Barcelona?

Wagner: Das sind Träume. Für mich zählt im Moment nur die Gegenwart und die heißt: Aufstieg mit dem MSV Duisburg. Ich versuche erst, meine kleinen Ziele zu erreichen und dann kommt das alles von selber. Das nächste Ziel ist einfach eine gute Saison zu spielen und mit dem MSV Duisburg aufzusteigen und gesund zu bleiben.

SPOX: Apropos Barcelona. Dort spielt eines ihrer Vorbilder: Zlatan Ibrahimovic.

Wagner: Das stimmt. Er ist wie auch Emmanuel Adebayor ein Spieler, dem ich sehr gerne zusehe. Beide sind Stürmer, die auch meine Größe haben, und über eine sehr gute Technik verfügen. Mir imponieren solche Spieler, die ständig auf höchstem Niveau spielen und es reizt einen schon, irgendwann mal dort hinzukommen. Aber ich schaue bei diesen Stars jetzt nichts ab, weil ich meinen eigenen Spielstil habe.

SPOX: Irgendwann wollen Sie sicherlich auch einmal in der A-Nationalelf spielen. Derzeit gibt es nicht ganz so viele deutsche Stürmer mit solch einer Topform, wie Sie sie derzeit haben. Träumen sie nicht heimlich von Südafrika?

Wagner: Nein, darüber mache ich mir überhaupt keine Gedanken. Wir haben genug deutsche Stürmer, die auch in der ersten Liga spielen. Und um in das Blickfeld für die A-Nationalmannschaft zu rücken, muss man einfach in der ersten Liga spielen. Ich versuche, einfach meine Leistung zu bringen und zu zeigen was ich kann. Das andere kommt in den nächsten Jahren von ganz allein.

SPOX: Bei der EM 2008 waren zumindest mit Patrick Helmes, Oliver Neuville und und Marko Marin drei Zweitligaspieler im erweiterten Kader. Ganz abwegig erscheint eine Nominierung also nicht.

Wagner: Warum sollte ich über so etwas nachdenken. Ich versuche einfach, alles zu geben und meine Leistung kontinuierlich zu steigern. Dann kommt alles von selbst.

Sandro Wagner im Steckbrief