"Ich ziehe den Hut vor Magath"

Von Interview: Kevin Bublitz/ Mark Heinemann
Andre Schubert übernahm erst im Mai den Cheftrainer-Job von Pavel Dotchev
© Getty

Innerhalb des letzten Jahres ging es für Andre Schubert steil bergauf. Zunächst wurde er im April vom Leiter der Nachwuchsförderung zum Sportdirektor des SC Paderborn 07 befördert. Als das Ziel 2. Bundesliga in Gefahr geriet, übernahm Schubert am 37. Spieltag das Traineramt von Pavel Dotchev - mit Erfolg.

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Im Interview mit SPOX spricht der Trainer über seine Doppelfunktion im Verein, den deutschen Nachwuchsfußball, Felix Magath und Ottmar Hitzfeld.

SPOX: Die Pause zwischen den Relegationsspielen gegen Osnabrück und der neuen Saison war kurz. Konnten Sie Ihren intensiven Start in das Traineramt des SCP schon verarbeiten?

Andre Schubert: Das positive Ende der Saison war ein sehr schönes Erlebnis, dass von mir nicht verarbeitet werden muss, vielmehr bleiben die Ereignisse in angenehmer Erinnerung. Ausreichend Zeit, um mich über den Aufstieg zu freuen, hatte ich leider nicht.

SPOX: Vor einem Jahr wurde die Mannschaft quasi komplett neu zusammengestellt. Ist sie schon reif für die 2. Bundesliga?

Schubert: Es war für mich beeindruckend zu sehen, wie nervenstark, ruhig und konzentriert die Mannschaft an die Relegationsspiele herangegangen ist. Daran haben wir in der Vorbereitung angeknüpft. Auch die sechs Neuzugänge sind gut integriert. Klar ist, dass wir im Hinblick auf Standardsituationen, Physis und Spieltempo zulegen müssen.

SPOX: Die aber in Düsseldorf ihre Grenzen aufgezeigt bekommen hat. Wie beurteilen Sie die 0:3-Niederlage?

Schubert: Wir haben die ersten 45 Minuten sehr gut nach vorne gespielt und kombiniert...

SPOX: ...trotzdem lagen Sie bereits zur Pause mit drei Treffern hinten.

Schubert: Wir müssen in der Rückwärtsbewegung konsequenter spielen und die individuellen Fehler abstellen und uns bei allem Offensivdrang nicht völlig dem Hurra-Stil hingeben. Wir haben uns zu sehr locken lassen und teilweise versäumt, den Rückraum zu sichern, und sind dadurch dreimal ins offene Messer gelaufen.

SPOX: Das Spiel gegen den KSC wird nicht unbedingt leichter. Welche Chancen rechnen Sie sich aus?

Schubert: Es ist ja traditionell so, dass der KSC als Absteiger zu den Anwärtern auf die vorderen Plätze zählt. Sie haben in allen Bereichen gute Spieler. Wichtig ist, dass wir uns mit den positiven Dingen auseinandersetzen, die wir schon gezeigt haben. Wir müssen so kompakt stehen wie gegen 1860 und offensiv so variabel wie in der ersten Hälfte gegen die Fortuna spielen. Wenn wir es schaffen, den Teamgeist und die Willensstärke aus den Relegationsspielen gegen Osnabrück abzurufen, werden wir auch erfolgreich sein.

SPOX: Sie sind bereits mit 18 Jahren Trainer geworden. Warum haben Sie Ihre eigenen Fußballschuhe so früh an den Nagel gehängt?

Schubert: Letztendlich haben die technischen Voraussetzungen für den Profifußball gefehlt. Ich hatte diese Erkenntnis schon früh und habe mich dann für einen anderen Weg entschieden.

SPOX: Als bekannt wurde, dass Sie Trainer des SCP bleiben, hieß es oft, Sie seien zu jung und unerfahren. Können Sie diese Bewertung nachvollziehen?

Schubert (lacht): Der Aspekt, dass ich zu jung bin, ist kurios, denn seitdem ich in Paderborn bin, werde ich immer jünger. Letztens habe ich gelesen, dass ich 34 bin. Das ehrt mich irgendwie, aber ich bin schon 38. Natürlich immer noch recht jung, aber das ist für die Qualität eines Trainers sicher nicht ausschlaggebend. Das kann kein Kriterium sein.

SPOX: Sondern?

Schubert: Es geht um meine Vorstellung vom Fußball und ob ich diese der Mannschaft erfolgreich vermitteln kann. Ich bin seit 20 Jahren im Trainergeschäft und beschäftige mich seit vielen Jahren intensiv mit dem Profifußball. Ich pflege sehr gute Kontakte in den Profibereich und weiß, wie dort infrastrukturell gearbeitet wird. Das war auch der Grund, warum mich der SC Paderborn vor drei Jahren geholt hat. Ich sollte professionelle Strukturen schaffen, und das geht nur, wenn man Hintergründe kennt.

SPOX: Es ist ja auch immer eine Sache der Philosophie. Haben Sie da Vorbilder?

Schubert: Es gibt viele gute Trainer, aber Vorbilder habe ich in dem Sinne nicht. Ich möchte eine sehr gut organisierte Mannschaft haben, insbesondere im Spiel gegen den Ball. Das ist die Basis. Hinzu muss eine offensive Spielweise kommen, die ebenfalls geordnet ist, aber gleichzeitig auch so viele Freiheiten lässt, dass jeder Spieler seine Fähigkeiten und Stärken einbringen kann.

SPOX: Sie predigen also eine Mischung aus Spielkontrolle und individuellem Mut?

Schubert: Mut gehört grundsätzlich dazu. Das Leben stellt Aufgaben und Herausforderungen, die muss man angehen. Wenn wir uns diesen stellen, wenn wir alles versuchen und dann trotzdem verlieren, brauchen wir uns nichts vorwerfen.

SPOX: In Deutschland war es lange Zeit nicht üblich, auf die Jugend zu setzen. Sie haben den Nachwuchsbereich in Paderborn mit aufgebaut. Bekommen die Jungen auch im Profikader eine Chance?

Schubert: Viele heutige U-Nationalspieler stehen mittlerweile in ihren Vereinen regelmäßig in der ersten Elf. Ganz so unüblich ist es also nicht mehr. Wir wollen auch in Paderborn den Weg mit jungen Leuten gehen. Dafür bin ich bekannt. Wenn es ein junger Spieler bei uns nicht schaffen sollte, dann liegt es nicht daran, dass ihn jemand nicht leiden kann oder dass die Strukturen im Verein nicht stimmen.

SPOX: Der Trend geht verstärkt zur ganzheitlichen Betreuung. Nimmt man dem Fußball damit nicht die Typen?

Schubert: Nein! Es geht doch darum, Typen zu entwickeln. Erst einmal stellt sich die Frage, was ist ein Typ? Die Vorstellungen gehen da weit auseinander. So wie Sie fragen, ist es jemand, der im Spiel mal dazwischenhaut und die Ärmel hochkrempelt, richtig?

SPOX: Ja.

Schubert: Ein Effenberg also. Die gibt es natürlich nicht wie Sand an Meer, weil sie sich erst mit den Jahren entwickeln und über Leistung definieren. Dadurch steigt ihre Anerkennung und sie bekommen mehr Verantwortung.

SPOX: Ein Beispiel aus Ihrer Mannschaft?

Schubert: Schauen Sie sich Markus Krösche an. Wenn er sich mit 18 oder 19 Jahren so auf dem Platz verhalten hätte wie heute, hätten wir gedacht, was nimmt er sich heraus? Aber er hat in den vergangenen Jahren in schwierigen Situationen seine Leistung gebracht und sich Anerkennung verdient. Jetzt ist er in der Position, andere Spieler zu führen und Zeichen zu setzen. Ein Typ wird man durch herausragende Leistungen und einer großen Portion Mut und Entschlossenheit. Ein Spieler, der nur mit großen Worten, Mimik und Gestik auffällt, ist für mich ein Blender.

SPOX: Sie werden von manchen Medien als "Mini-Magath" bezeichnet, weil sie Trainer und Sportdirektor in Personalunion sind.

Schubert: Zu dem Magath-Vergleich will ich gar nicht viel sagen, weil er auf einer ganz anderen Leistungsebene erfolgreich ist. Ich ziehe den Hut vor ihm.

SPOX: Was sind die Vor- und Nachteile einer solchen Doppelfunktion?

Schubert (lacht): Der Nachteil ist viel Arbeit. Positiv ist, dass man gewisse Dinge im sportlichen Bereich leichter umsetzen kann. Aber ich nutze meine Position im Verein nicht für eine One-Man-Show. Die Entscheidungen treffen wir gemeinsam.

SPOX: Jetzt haben Sie allerdings mit Wilfried Finke einen Präsidenten, dem gerne mal eine gewisse impulsive Willkür nachgesagt wird. Ist das eine Fehleinschätzung?

Schubert: Mir gegenüber hat er diese.....was war das?

SPOX: Impulsive Willkür.

Schubert (lacht): Ein toller Ausdruck. Mir gegenüber hat er diese impulsive Willkür noch nicht gezeigt. Er hat den Verein in eine Richtung gelenkt, in die er ohne ihn nicht gekommen wäre. Und ein Präsident, der persönlich sehr viel investiert, hat auch Rechte. Ottmar Hitzfeld sagte nach einer Aussage von Franz Beckenbauer mal, dass der Franz alles sagen darf. Und ich sage, dass auch Wilfried Finke alles sagen darf.

SPOX: Das wird er gerne hören...

Schubert: Entscheidend ist doch, dass ich meinen Job machen kann, so wie ich es mir vorstelle und dafür Rückendeckung habe. Wenn der Präsident meint, dass ein Spiel schlecht war, dann darf er diese Kritik äußern. Damit muss ich mich auseinandersetzen.

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