"Mitleid ist im Fußball nicht angebracht"

Von Interview: Kevin Bublitz und Mark Heinemann
Claus-Dieter "Pele" Wollitz ist seit 2004 Trainer in Osnabrück: "Ich habe den Druck erhöht"
© Getty

Exklusiv Claus-Dieter Wollitz ist vielen durch seinen legendären "Ihr könnt mich Pele nennen"-Auftritt zu Beginn seiner Profilaufbahn beim FC Schalke 04 bekannt. Mittlerweile kämpft der 43-Jährige mit dem VfL Osnabrück in der 2. Bundesliga gegen den Abstieg - und das so emotional wie eh und je.

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Im SPOX-Interview spricht der einst begnadete Techniker über Philosophien, die Laptops seiner Spieler und den Reiz des VfL Osnabrück.

SPOX: Herr Wollitz, stimmt es, dass sich Ihre Spieler nicht länger als einen Tag über Niederlagen ärgern dürfen?

Claus-Dieter Wollitz: Natürlich erwarte ich die Fähigkeit zur Selbstkritik. Wenn man aber toll spielt und am Ende trotzdem keinen Ertrag hat, darf man sich nicht lange ärgern, sondern muss nach vorne schauen, arbeiten und notfalls etwas ändern. Nur wer mit Siegen und Niederlagen umgehen kann, erreicht letztendlich seine Ziele.

SPOX: Was haben Sie nach der Niederlagenserie vor dem Ingolstadt-Spiel geändert?

Wollitz: Ich habe den Druck erhöht. Es bringt nichts, wenn man nach einer Niederlage sagt, wir schaffen das schon. Viel wichtiger ist, dass man sich Gedanken darüber macht, wie wir es wieder schaffen, erfolgreich zu sein. Pauschalaussagen bringen einen nicht weiter.

SPOX: Andere Trainer fahren ins Kurztrainingslager.

Wollitz: Ich bin kein Freund von solchen Trainingslagern oder gemeinsamen Mannschaftsabenden auf einer Kegelbahn. Dann denkt doch jeder, dass ich unter Druck stehe und nach dem letzten Strohhalm greife. Der Erfolg kommt nur durch vernünftige und ehrliche Arbeit zurück.

SPOX: Was ist mit dem Wir-Gefühl? Sie hatten das zuletzt vermisst...

Wollitz: ...ja, aber verstehen Sie mich da bitte nicht falsch. Harmonie braucht jede Mannschaft. Aber es ist wie in einer Ehe. Wenn man nur oberflächlich ist, funktioniert sie nicht. Ich weiß das, weil ich seit zwanzig Jahren glücklich verheiratet bin (lacht). In einem funktionierenden Team muss konstruktive Kritik möglich sein.

SPOX: Das sind hohe Ansprüche an Ihre Spieler.

Wollitz: Wer sich selbst belügt, der wird sich auch nicht weiterentwickeln. Jegliche Form des Mitleids ist im Fußball nicht angebracht.

SPOX: Sie haben trotz einiger Kritik immer an Ihrer offensiven Ausrichtung festgehalten. Wieso?

Wollitz: So ist meine Philosophie. Offensiv heißt doch nicht, dass man keine Balance haben kann. Natürlich muss jeder Spieler auch defensiv mitarbeiten. Wenn man dreifach punkten will, müssen aber vorne Tore her. Wer garantiert mir denn, dass ich Erfolg habe, wenn ich hinten eine Mauer aufbaue?

SPOX: Was genau reizt Sie am VfL Osnabrück?

Wollitz: Mich reizen der wöchentliche Forschritt der Mannschaft und die pure Identifikation aller Beteiligten mit dem Verein.

SPOX: Sie gingen mit 19 Jahren zum FC Schalke 04. Wie sehr unterscheiden sich heutige und frühere Spielergenerationen?

Wollitz: Der Unterschied ist riesig. Nehmen Sie nur den technischen Fortschritt. Netterweise kommt nach jeder Partie jemand von Premiere und gibt uns eine DVD rein, damit wir das komplette Spiel analysieren können (lacht).

Früher gab es das nicht. Wenn man heute mit 18 Spielern losfährt, dann haben 18 Spieler eine Laptoptasche dabei. Kaum sitzt man im Bus werden die Geräte aufgeklappt. Aber das ist in Ordnung, ich nutze die Geräte ja auch. Dann kann ich von meinen Spieler nicht das Gegenteil verlangen. Das wäre unglaubwürdig.

SPOX: Sie haben mal gesagt, mit Normalität komme man nicht weit. Eine These: Der VfL gewinnt am letzten Spieltag in Duisburg, rettet sich so und vermasselt gleichzeitig dem MSV den Aufstieg. Wie wäre das?

Wollitz: Das wäre Fußball. Ich denke, dass ich meine Mannschaft richtig gut einschätzen kann und bin mir daher sicher, dass wir den Klassenerhalt vorher schaffen. Das würde meine Nerven unheimlich schonen.

Dafür müssen wir noch hart arbeiten, aber das packen wir jetzt an.

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