Stevic: "Chaos ist manchmal wie Antibiotika"

Von Interview: Christian Bernhard
Ein Ex-Löwe als neuer Sportdirektor bei 1860 München: Miroslav Stevic
© Getty

Miroslav Stevic ist seit Anfang Februar als Sportdirektor bei 1860 München im Amt. Der Ex-Profi hat zusammen mit Geschäftsführer Manfred Stoffers das Sagen bei Sechzig. Im SPOX-Interview spricht der 39-Jährige über die vergangenen, turbulenten Wochen bei den Löwen, einen möglichen Wechsel der Bender-Zwillinge, seinen neuen Trainer Uwe Wolf und die Gründe, die zur Entlassung von Marco Kurz geführt haben.

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SPOX: Zwei Ihrer begehrtesten Spieler sind die Bender-Zwillinge. Um das Duo gab es in den letzten Tagen einige Gerüchte. Wie steht es um die zwei?

Miroslav Stevic: Ich habe mit Lars und seinem Berater gesprochen und wir werden eine Entscheidung treffen, mit der alle Beteiligten zufrieden sein können. Ich bin seit dem 2. Februar für den sportlichen Bereich zuständig, was davor lief, kann ich nicht beurteilen. Klarerweise vertritt der Berater die Interessen seiner Spieler. Ich habe aber nur das Wohlergehen von 1860 im Sinn.

SPOX: Was wäre für Sie eine ideale Lösung?

Stevic: Ich habe einige Szenarien im Kopf, dieses Thema können wir aber erst in ein paar Monaten besprechen. Jetzt zählt nur, dass beide Benders gute Leistung bringen.

SPOX: In spanischen Medien wurde am Freitag sogar über ein Interesse von Real Madrid an den Benders spekuliert.

Stevic: Ich habe mit den Jungs und ihrem Berater gesprochen. Wir werden uns nicht an solchen Spekulationen in der Öffentlichkeit beteiligen.

SPOX: Am Dienstag machte die Mannschaft einen ungewöhnlichen Ausflug auf die Winklmoos-Alm. Wie war die Bergtour?

Stevic: Das hat der Mannschaft sehr gut getan. Solche Ausflüge sind immer gut für die Kameradschaft und das Wir-Gefühl.

SPOX: Trainer Uwe Wolf sagte, man wolle sich mit dieser Tour an die Luft oben gewöhnen und daran, wie es ist, an der Spitze zu sein. Ist das Team mit der Luft in der Höhe zurechtgekommen?

Stevic: Uwe hat vom ersten Tag an klargemacht, was er will. Das hat die Mannschaft bisher gut umgesetzt. Zwei Siege sind natürlich schön, aber das bedeutet nicht viel. Wir müssen unsere Leistung weiter bestätigen.

SPOX: Haben Sie sich so einen erfolgreichen Start mit Uwe Wolf vorgestellt?

Stevic: Ich kenne Uwe sehr lange und weiß, wie er tickt. Er hat das gemacht, was ich mir von ihm erhofft habe.

SPOX: Was zeichnet Wolf besonders aus?

Stevic: Er ist menschlich topp, hat einen guten Charakter und ist sehr geradlinig. Er weiß was er will und lebt das auch vor. Das ist sehr wichtig, denn damit ist er authentisch und glaubwürdig. Er sucht immer den kürzesten Weg zu den Köpfen der Spieler und hat bewiesen, dass er sie auch erreicht. Allerdings muss er das weiter bestätigen, denn Fußball ist einfach ein Tagesgeschäft.

SPOX: Sie waren gegen Ingolstadt sehr energisch an der Seitenlinie unterwegs und haben lautstark Anweisungen gegeben. Werden wir Sie auch in Zukunft so sehen?

Stevic: Das war eine Ausnahme, weil Uwe auf die Tribüne verbannt worden war. Dabei wurde eine Anweisung von mir auch noch falsch interpretiert. Es hieß, ich habe einem unserer Spieler zugerufen, dass er nach einem Foul liegen bleiben soll. Das stimmt nicht, das ist nicht meine Art. Ich habe nur gesagt, dass er weiterspielen soll, egal was passiert ist. Emotionen gehören nun mal zum Fußball. Wir müssen nur schauen, dass die Grenzen nicht überschritten werden.

SPOX: Kurz nach Ihrem Amtsantritt wurde Marco Kurz entlassen. Warum?

Stevic: Ich war einer der wenigen, der zu Marco gehalten hat. Viele haben seinen Kopf schon früher gefordert, aber ich bin eine Person, die bis zum Ende an jemanden glaubt. Deshalb habe ich versucht, diesen Weg mit Marco zu gehen, aber leider wollte die Mannschaft diesen Weg nicht gehen. Das Team antwortet immer mit seiner Leistung, und die hat mir Angst gemacht. Das Risiko war einfach zu groß, weiter so eine lethargische Mannschaft zu sehen.

SPOX: Gab es in Kurz' letzten Monaten so etwas wie Abnutzungserscheinungen?

Stevic: Wenn die lethargischen Vorstellungen nur in meiner Zeit als Sportdirektor vorgekommen wären, hätte ich alles versucht, sie abzustellen. Aber leider dauert dieser Prozess bei 1860 bereits drei, vier Jahre. Das hat mir Angst gemacht, denn das ist eine Krankheit, die man nicht mehr in den Griff bekommt, wenn man nicht aufpasst.

SPOX: Was macht Wolf jetzt besser?

Stevic: Das ist alles relativ, denn im Fußball zählen einzig und allein Ergebnisse. Es gibt viele Trainer, die nichts Besonderes machen, aber einfach Erfolg haben. Viele andere arbeiten gut, können aber keine Erfolge vorweisen. Marco hat akribisch und sehr professionell gearbeitet, aber wenn die Ergebnisse fehlen und deine Mannschaft nicht mitmacht, hast du schlechte Karten.

SPOX: Wolf hat mit Michael Schick bereits in seinem ersten Spiel einen neuen Mann aus dem Hut gezaubert. Wer könnte der nächste Löwen-Jungstar sein, der bei den Profis für Furore sorgt?

Stevic: Jeder talentierte Jugendspieler, der Biss hat, wird bei uns eine Chance erhalten. Ich weiß, dass einige Jungs mit diesem Ziel zu Sechzig gekommen sind und auf diese Chance warten. Diejenigen, die den größten Willen haben, werden das auch schaffen. Ein genaues Bild von den Jungen konnte ich mir noch nicht verschaffen, weil ich bisher mit dem Profiteam beschäftigt genug war. Aber ein positives Beispiel ist sicherlich Manuel Schäffler. Er hat sich gut entwickelt und ist genau auf dem richtigen Weg.

Im zweiten Teil des SPOX-Interviews spricht Stevic über die Ambitionen der Löwen in dieser und der nächsten Saison, die Notwendigkeit von Chaos und was er bei Juventus Turin gemacht hat.