WM

Deutschland würgt sich weiter

Mit der Hacke: Andre Schürrle erzielte in der Verlängerung das 1:0 für Deutschland
© getty

Die deutsche Nationalmannschaft hat das Viertelfinale der WM 2014 erreicht. Gegen Algerien setzte sich die DFB-Auswahl mit 2:1 nach Verlängerung (0:0, 0:0) durch und trifft am Freitag in Rio de Janeiro auf Frankreich.

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Vor 43.063 Zuschauern im Stadion Beira-Rio lieferte die deutsche Nationalmannschaft eine erschreckende Leistung ab. In der ersten Halbzeit hatte das Team von Joachim Löw Glück, nicht in Rückstand zu geraten. Nach der Pause wurden die Deutschen dann etwas besser, vergaben aber gute Möglichkeiten.

In der zweiten Minute der Verlängerung sorgte dann der eingewechselte Andre Schürrle mit einem Tor per Hacke für den erlösenden Treffer. Mesut Özil erhöhte kurz vor Schluss auf 2:0. Algeriens Anschlusstreffer durch Abdelmoumene Djabou kam zu spät.

Für Deutschland war es im dritten Aufeinandertreffen mit Algerien der erste Sieg. Gegen Frankreich wird im Viertelfinale aber eine andere Leistung vonnöten sein, sonst ist im Viertelfinale Endstation.

Shkodran Mustafi erlitt einen Muskelfaserriss im linken Oberschenkel und wird in diesem Turnier nicht mehr zum Einsatz kommen können.

Reaktionen:

Joachim Löw (Bundestrainer): "Nach so einem Spiel muss man durchschnaufen. Das war am Ende ein Sieg der Willenskraft. Solche Spiele gibt es bei einem Turnier. Auch andere Mannschaften wie Brasilien haben sich schwer getan, das ist kein Spaziergang. Unsere Stärke ist auch die Flexibilität. Heute haben wir wieder frische Spieler gebracht, die der Mannschaft geholfen haben. In der ersten Halbzeit haben wir uns schwer getan und viele Bälle verloren, in der zweiten Halbzeit und der Verlängerung waren wir dann schon die bessere Mannschaft. Wir hatten viele Chancen, deren Torwart ist teilweise über sich hinausgewachsen. Algerien hat oft unser Pressing umgangen und lange Bälle gespielt. Da waren wir sehr anfällig, und die haben das richtig gut gemacht. Da war es gut, dass Manuel die Bälle abfangen konnte, das ist sein Spiel.

Philipp Lahm (Kapitän): "Wir wussten von Anfang an, dass es eine schwierige Aufgabe ist. Wenn wir die Chancen nicht machen, ist es schwer, es in 90 Minuten zu machen. Sie haben gut verteidigt. Dann ist es nicht leicht, sich Chancen zu erarbeiten. Im Konter waren wir heute nicht so gut. In der zweiten Halbzeit hatten wir Riesen-Möglichkeiten, dann muss man halt den Sack zumachen."

Andre Schürrle: "Wir hätten es auch lieber anders geregelt, aber Algerien hat es heute gut gemacht und uns von Anfang an gestört. Wir haben uns vor allem anfangs schwer getan, am Ende hätten wir aber schon in der regulären Spielzeit das Tor machen müssen. Aber egal wie, wir sind im Viertelfinale. Gegen Frankreich reicht das auf keinen Fall, die sind offensiv stärker, da müssen wir uns steigern. Aber ich bin zuversichtlich. Bei meinem Hackentor war Glück mit dabei, aber ich wollte den schon so aufs Tor bringen."

Manuel Neuer: "Ich habe meine Spielweise nicht verändert. Ich spiele öfter so. Das hat der Platz hergegeben, weil es ein bisschen nass war. Alles ist zu erklären, wenn man es vernünftig analysiert. Mit Frankreich wartet eine harte Aufgabe auf uns. Als der André kam, war ein bisschen Zug drin. Das hat Schwung gebracht, das tat uns gut. Wir müssen zielstrebiger nach vorne spielen."

Oliver Bierhoff (Teammanager): "Man hat gesehen, wie die Jungs gefightet haben. Es war am Ende ein glücklicher, aber verdienter Sieg. Frankreich ist ein noch härterer Gegner, wir können uns jetzt immer weniger erlauben und müssen noch einige Dinge verbessern. Man sieht aber immer, dass wir einige Chancen herausspielen, auch wenn es nicht so gut läuft. Und wenn wir weiter effektiv spielen und gewinnen, passt mir das auch. Auch wenn es nicht ganz so leicht aussieht wie in anderen Spielen."

Madjid Bougherra (Algerien): "Ich bin schon sehr stolz auf diese Mannschaft. Wir haben der ganzen Welt gezeigt, dass Algerien eine tolle Mannschaft besitzt. Spätestens jetzt kennen alle unsere Qualitäten. Wir haben bis zum Ende alles gegeben. Es war eine tolle WM von uns."

SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Bei Deutschland bekommt Schweinsteiger im Mittelfeld erneut den Vorzug vor Khedira. Den erkrankten Hummels ersetzt Boateng in der Innenverteidigung. Mustafi kommt ins Team und spielt Rechtsverteidiger. Götze spielt für den verletzten Podolski.

Algeriens Trainer Halihodzic tauscht kräftig durch und nimmt fünf Veränderungen vor. Mesbah, Brahimi, Medjani, Bentaleb und Djabou sitzen draußen. Dafür beginnen Ghoulam, Lacen, Soudani, Taider und Mostefa.

14.: Feghouli lädt auf rechts die deutsche Verteidigung zum Tänzchen. Boateng kann den schnellen Bewegungen nicht folgen, lässt sich leicht umspielen. Doch von der Grundlinie hat Feghouli dann nicht das Auge für die besser postierten Mitspieler, versucht es stattdessen mit einem Schuss aus sehr spitzem Winkel, der deutlich vorbeigeht.

18.: Seitenwechsel auf links zu Soudani, kurzer Pass in den Strafraum. Özil lässt Ghouam in den Strafraum laufen, der aus fünf Metern von links abzieht. Knapp rechts vorbei.

39.: Nach einem Einwurf klärt Deutschland zur Mitte. Mostefa zieht aus 25 Metern ab, der abgefälschte Ball geht einen Meter am linken Pfosten vorbei.

41.: Kroos mit einem satten Schuss aus 25 Metern Richtung linkes Eck. M'Bolhi ist in der Ecke, wehrt aber nach vorne ab. Götze bringt den Abpraller aus fünf Metern nicht am Torhüter vorbei.

48.: Schürrle tankt sich auf rechts in den Strafraum und zieht ab. Sein Schuss wird abgefälscht und geht knapp am langen Pfosten vorbei.

49.: Kroos geht auf links in den Strafraum. Flanke zwischen Fünfer und Elfer auf Mustafi. Dessen Kopfball zu zentral aufs Tor, M'Bolhi packt zu.

55.: Bester Angriff der Deutschen. Kroos mit dem flachen Anspiel auf Schweinsteiger am Strafraum. Der legt auf Lahm ab. Dessen Schlenzer aus 18 Metern kratzt M'Bolhi aus dem linken Winkel.

79.: Müller setzt sich auf rechts durch und flanke auf den ersten Pfosten. Schweinsteiger ist da, köpft unter Bedrängnis aber weit links vorbei.

80.: Lahm auf rechts zu Khedira. Nach dessen Flanke kommt Müller aus sieben Metern zum Kopfball. M'Bolhi wehrt den zentralen Ball ab. Schürrle scheitert mit dem Nachschuss aus vier Metern.

82.: Khedira mit dem langen Ball in den Strafraum. Müller nimmt die Kugel gut runter, lässt Halliche aussteigen, verzieht aber aus sieben Metern mit dem rechten Außenrist.

90.: Lahm mit der Flanke aus dem rechten Halbfeld. Schweinsteiger kommt frei zum Kopfball, aber M'Bolhi hat den nicht ganz paltzierten Kopfball sicher.

92., 1:0, Schürrle: Höwedes fängt einen Ball im Mittelfeld ab und bedient Müller auf links. Der zieht in den Strafraum und spielt flach vors Tor. Schürrle verlängert den Ball mit der linken Hacke Richtung Tor und halbhoch ins rechte Eck.

101.: Khedira mit einem Querschläger nach einer Ecke. Mostefa kommt aus neun Metern in zentraler Position zum Schuss, schiebt den Ball aber knapp links vorbei.

120., 2:0, Özil: Konter der Deutschen. Özil bedient Schürrle im Strafraum. Dessen schwachen Abschluss aus elf Metern klärt Bougherra auf der Linie. Den Nachschuss hämmert Özil aus drei Metern ins Tor.

120., 2:1, Djabou: Feghouli mit der Flanke von rechts. Djabou kommt am langen Fünfereck angerauscht und grätscht den Ball ins rechte Eck.

Fazit: Lange ein katastrophaler Auftritt der deutschen Mannschaft, aber am Ende steht das Weiterkommen.

Der Star des Spiels: Manuel Neuer. Einziger Deutscher, der von Beginn an auf Achtelfinal-Temperatur war. Rettete mehrmals mit perfekt abgestimmten Ausflügen aus seinem Kasten, bügelte so die vielen Fehler der Vorderleute aus und hielt Deutschland im Spiel. Sein Fehler nach einer Ecke, als der Ball fallen ließ, blieb ohne Folgen und schmälert seine Leistung nicht.

Der Flop des Spiels: Mario Götze. Feierte nach der kurzen "Auszeit" gegen die USA seine Rückkehr in die Stammformation und nahm hauptsächlich den Platz links in der Offensivreihe ein. Mit jeder Menge leichter technischer Fehler, ohne Zusammenspiel mit Höwedes. Zu viele individuell schlechte Entscheidungen von Götze. Mit der Riesenchance zur Führung kurz vor der Pause, die er aber leichtfertig vergab. Nach 45 Minuten für Schürrle ausgewechselt.

Der Schiedsrichter: Sandro Ricci (Brasilien). Kam mit seinem Gespann schlecht in die Partie. Sein Assistent wähnte zunächst Mustafi in aussichtsreicher Position im Abseits, Fehlentscheidung. Hätte dann Mostefa für ein taktisches Foul an Kroos Gelb zeigen müssen. Dann mit einigen Wacklern in der Zweikampfbewertung, aber ohne großen Fehler.

Das fiel auf:

  • Deutschland mit einem fürchterlichen Beginn. Das Mittelfeld tauschte zwar ständig die Positionen, Özil und Götze rückten von der Seite nach innen, aber das brachte nicht die gewünschte Kontrolle, sondern eher Unordnung in der eigenen Mannschaft. Das Passspiel war in allen Bereichen katastrophal und so kamen viele leichte Ballverluste zustande.
  • Algerien schaute sich das Treiben zu Beginn tief in der eigenen Hälfte an und musste nur auf die Fehler der Deutschen warten. Dann ging es mit langen Bällen schnell hinter die hochstehende letzte Linie der DFB-Auswahl. Alle Verteidiger hatten mit der Geschwindigkeit der Algerier Probleme.
  • Immerhin spielte Neuer gut mit und klärte brenzlige Situationen, denn das Umschaltspiel in die Defensive funktionierte überhaupt nicht und eine Absicherung im Mittelfeld gab es nicht.
  • Deutschland hilflos und ohne Rezept gegen die laufstarken und kompakten Algerier. Die Außenverteidiger Höwedes und Mustafi wirkten wie Fremdkörper und sehr unsicher in ihren Aktionen. Die offensiven Außen Götze und Özil zogen immer wieder in die Mitte und ließen sich auch fallen, Zug zum Tor kam aber kaum auf.
  • Erst als das Passspiel etwas sicherer wurde, kam Deutschland zu Möglichkeiten. Als Deutschland das Spiel unter Kontrolle hatte, brachte Löw Khedira für den verletzten Mustafi und zog Lahm aus dem Zentrum nach rechts.
  • Algerien wirkte mit zunehmender Spieldauer entkräftet und gestattete Deutschland mehr Räume. Die daraus resultierenden Chancen wurden aber nicht genutzt, bis Schürrle in Rabah-Madjer-Art zuschlug.

Deutschland - Algerien: Die Statistik zum Spiel