WM

In Brasilien geht die Angst um

SID
Auf Neymars Schultern ruhen Brasiliens Hoffnungen
© getty

Das große Idol Pele ist in Sorge, Staatspräsidentin Dilma Rousseff rief das Volk zur Unterstützung auf, und die Erinnerungen an das "Maracanazo" kommen unweigerlich auf: In Brasilien geht vor dem "Endspiel" gegen Kamerun (22 Uhr im LIVE-TICKER) die Angst um.

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Die Selecao um Superstar Neymar gibt sich trotz des immensen Drucks im ganzen Land aber gelassen. Ein mögliches Vorrunden-Aus ist beim Rekordweltmeister kein Thema, ein Vergleich mit der schlimmsten Niederlage des brasilianischen Fußballs schlicht verboten.

"Ich habe als Kind von Maracanazo gehört, aber das ist vorbei", sagte Mittelfeldspieler Oscar trotzig. Die Niederlage 1950 im legendären Estadio do Maracana in Rio de Janeiro im entscheidenden WM-Spiel gegen Uruguay (1:2) ist vor der Begegnung gegen die bereits gescheiterten Kameruner mit Trainer Volker Finke am Montag in Brasília dennoch allgegenwärtig. Im Stillen fürchtet jeder eine Wiederholung des fußballerischen Traumas, das die brasilianische Seele bis heute umtreibt.

Remis genügt

Gegen Uruguay (1:2) hätte ein Unentschieden zum Titel gereicht, gegen Kamerun wäre das Etappenziel Achtelfinale mit einem Punktgewinn erreicht. Eigentlich keine große Hürde für die Mannschaft von Trainer Luiz Felipe Scolari, doch der Zauber nach dem Gewinn des Confed Cup 2013 ist nicht erst seit der Nullnummer gegen Mexiko verflogen.

"Es gibt eben keine leichten Spiele bei der WM", stellte Pelé fest und kam zu einem ernüchternden Zwischenfazit: "Zum ersten Mal in der Geschichte unseres Fußballs ist die Abwehr gut organisiert, aber der Sturm hat einige Schwierigkeiten. Es fehlt auch noch die Abstimmung im Mittelfeld." Fast beschwörend ergänzte der 73-Jährige: "Aber wir müssen weiter ans Achtelfinale glauben."

Ein ganzes Volk hofft, dass die Sambaklänge nicht schon nach der Vorrunde verstummen. Der Traum vom sechsten WM-Titel soll, nein muss, weiterleben. 6000 Briefe, in Worte gefasste Motivation für die Stars der Selecao, erreichten die Spieler aus dem ganzen Land.

Neymar als Hoffnungsträger

Gleich 1400 Botschaften waren für Neymar bestimmt. Ein klares Zeichen, auf wen die Nation ihre Hoffnungen schultert. Brasiliens "Neymar-Dependencia", die Abhängigkeit vom Offensivspieler des FC Barcelona, brachte Scolari zuletzt aber auch viel Kritik ein. Besonders die Personalie Fred wurde heiß diskutiert. "Fred ist nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz ein Anführer. Er hat ein gutes Herz und hilft uns weiter, egal ob mit oder ohne eigenem Tor", sagte Innenverteidiger David Luiz.

Hoffnung gibt zudem ein Blick in die Vergangenheit: Beim Confed Cup hatte Stürmer Fred in den ersten beiden Spielen ebenfalls Ladehemmung, am Ende war er mit fünf Treffern Torschützenkönig. Zudem gewannen die Brasilianer, die nur 1930 und 1966 bereits in der WM-Vorrunde scheiterten, bei Weltmeisterschaften alle sechs Spiele gegen afrikanische Mannschaften.

Anspannung greifbar

Dennoch sind die Nerven angespannt, dies äußerte sich auch in der Kritik von Dani Alves an den Medien. "Viele Informationen werden ohne jegliches Kriterium veröffentlicht. Die Personen sind Pessimisten. Wir müssen Augen und Ohren verschließen", sagte Alves.

Das Weiterkommen des Gastgebers hängt erstmals seit 1978 vom dritten Gruppenspiel ab. Julio Cesar warnt zudem davor, die Kameruner nach den schwachen Auftritten gegen Mexiko (0:1) und Kroatien (0:4) zu unterschätzen: "Schon jetzt von Holland oder Chile zu sprechen, wäre gegenüber Kamerun respektlos", sagt der Torhüter mit Blick auf den möglichen Achtelfinalgegner. David Luiz ergänzte: "Die kommen jetzt mit verletztem Stolz, mit dem Wunsch, Brasilien zu schlagen, das wird ihr Titel sein."

Die FIFA wird ein besonderes Augenmerk auf der Begegnung haben, die für die Wettmafia wie geschaffen ist. "Es gibt grundsätzlich ein höheres Manipulationsrisiko, weil es das letzte Gruppenspiel ist, und es keinen Wert mehr für eines der beiden Teams hat", sagt Ralf Mutschke, der für Sicherheit zuständige FIFA-Direktor.

Staatspräsidentin Rousseff sind solche Spekulationen egal. Sie appellierte an die Bevölkerung. Alle müssten hinter der Nationalmannschaft stehen, so Rousseff: "Sie steht über Regierungen, politischen Parteien und allen Interessengruppen."

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