WM

"Ribery muss jetzt liefern"

Franck Ribery soll die französische Nationalmannschaft zur WM nach Brasilien führen
© getty
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SPOX: Und welche sind die sportlichen Gründe?

Rohr: Die Mischung zwischen Alt und Jung, zwischen Einheimischen und Spielern mit Migrationshintergrund, stimmt nicht. Diese Diversität war früher mal eine Stärke, jetzt stimmt das Gleichgewicht nicht mehr. Dazu fehlt eine mentale Stärke sowie die Geschlossenheit und Solidarität. Das geht der aktuellen Mannschaft ab, das musste auch schon Laurent Blanc feststellen. Im Team gibt es viele Individualisten, die aus kleinen Grüppchen bestehen. Ob die an einem Strang ziehen können, wird man nun sehen.

SPOX: Rechnen Sie damit, dass ein WM-Aus Didier Deschamps den Job kosten würde?

Rohr: Das kann ich nicht beurteilen. Nach Knysna wurden ja alle Verbandsstrukturen umgekrempelt, mit Noel Le Graet ist ein neuer Präsident gekommen. Dazu hat der Staat enormen Einfluss auf den französischen Fußball. Ich weiß nicht, ob man gut beraten wäre, direkt wieder den Nationaltrainer auszutauschen.

SPOX: Deschamps heuerte nach seiner Zeit als erfolgreicher Vereinstrainer beim Verband an, wo Laurent Blanc zuvor als Nationaltrainer scheiterte. Jetzt sind die Rollen umgekehrt: Blanc überzeugt als Trainer von Paris Saint-Germain, Deschamps steht unter Druck. Hätten Sie das so erwartet?

Rohr: Blanc ist für mich schon immer ein sehr guter Trainer gewesen, der als Nationalcoach unter dem Strich für die zerbrochenen Strukturen nach Knysna bezahlen musste. Es war in meinen Augen bereits die falsche Entscheidung, ihn zu entlassen. Deschamps ist wie Blanc charakterlich einwandfrei. Das Problem liegt woanders: Es muss die Mentalität der Spieler dahingehend geändert werden, dass sie sich wieder hundertprozentig für ihr Land einsetzen. Die Jugendausbildung ist ja weiterhin fantastisch, nur muss bei den Jungs künftig noch mehr auf die charakterlichen Eigenschaften sowie die Identifikation mit der Sache geachtet werden.

SPOX: Sollte Frankreich ausscheiden, hätte der bereits qualifizierte Gastgeber der EM 2016 fast drei Jahre lang kein einziges Pflichtspiel zu absolvieren. Welche sportlichen Auswirkungen hätte das?

Rohr: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits könnte man sich in aller Ruhe um den Neuaufbau der Mannschaft kümmern, ohne dem Stress der Qualifikationsspiele ausgesetzt zu sein. Neuaufbau aber im angesprochenen Sinne der charakterlichen Ausbildung der Spieler anstatt des Fokus auf die spielerische Einzelleistung - damit man künftig auch Krisensituationen bewältigen kann. Auf der anderen Seite könnte langfristig der Wettbewerbscharakter der Partien fehlen. Man darf aber auch den finanziellen Imageschaden nicht vergessen, Sponsoren werden sich abwenden. Das wäre ein harter Schlag.

SPOX: Dagegen hat sich das Image der Ligue 1 durch die Renaissance von Paris Saint-Germain und des AS Monaco verbessert.

Rohr: Der Effekt, der von diesen beiden Klubs ausgeht, ist zunächst einmal positiv für die Liga: Man hat jetzt Spektakel, große Spieler, tolle Tore. Vom PSG spricht jeder, weil es endlich wieder einen Klub mit den finanziellen Mitteln gibt, um auch international in die Spitze zu kommen. Andererseits werden fast nur ausländische Spieler verpflichtet, siehe insbesondere Monaco. Das hilft der Nationalmannschaft natürlich kein bisschen weiter. Hinzu kommt im Falle von Monaco, dass deren ausländische Spieler keine Steuern zahlen müssen, was eine klare Wettbewerbsverzerrung gegenüber den 19 anderen Klubs bedeutet.

SPOX: Was halten Sie vom teils kritisch beäugten Finanzgebahren der beiden Klubs?

Rohr: Man mag vielleicht den Eindruck bekommen, dass durch das viele Geld etwas Zwielichtiges geschehen könnte, aber es läuft letztlich alles korrekt ab. Paris wird von ausländischen Sponsoren unterstützt, die Globalisierung hat den Fußball ja längst erreicht. Paris hat es nicht nötig, in finanzieller Hinsicht zu schummeln. Dennoch ist der PSG nicht der FC Bayern, beim Budget stehen sie noch ein wenig hinten an.

SPOX: Die Vereine der Ligue 1 und 2 kündigten aufgrund der geplanten Einführung einer Reichensteuer in Höhe von 75 Prozent einen Streik an. Dieser wurde nun abgesagt. War die Reaktion der Klubs gerechtfertigt?

Rohr: Ja, denn die Verträge, die die Vereine vor sagen wir zwei oder drei Jahren abgeschlossen haben, werden durch die neue Steuer natürlich deutlich teurer - und müssen von den Vereinen und nicht den Arbeitnehmern bezahlt werden. Deshalb wurde dagegen völlig zu Recht protestiert. Allein schon der Begriff "Reichensteuer" ist ein Witz wenn man bedenkt, dass außer Paris und Monaco alle anderen Erstligisten ein finanzielles Minus aufweisen. Derzeit finden Gespräche zwischen den Vertretern des Staates und den Vereinen statt. Man wird versuchen, einen Kompromiss zu finden, der nicht so ungerecht ist. Ich glaube, das Ende der Gespräche hängt auch davon ab, was am Dienstag im Stade de France passieren wird.

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