WM

"In Österreich träumt man schnell"

Von Interview: Christoph Köckeis
Seit 2011 ist Marcel Koller österreichischer Teamchef - doch wie lange noch?
© getty
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SPOX: Sie leben Konsequenz vor, greifen zumeist auf den gleichen Legionärsstamm zurück. Selbst wenn jene Akteure ein Leistungstal durchschreiten. Wie viel Loyalität kann sich ein Trainer eigentlich leisten?

Koller: Bislang wurden wir nicht enttäuscht. Nachdem wir eine ganz konkrete Spielphilosophie transportieren, können wir nicht bei jedem Lehrgang drei, vier Neue hochziehen. Da startet man wieder bei Null. Jene, die immer wieder eingeladen werden, sind gut gescoutet. Sie sind unserer Überzeugung nach die besten Österreicher. Wenn irgendwo ein Stern aufgeht, der es verdient, Änderungen zu beschließen, reagieren wir. So wie es jetzt aussieht, darf sich der Stamm weiter beweisen.

SPOX: Längst unverzichtbar ist Alaba: Die Fans vergöttern ihn - mal provokant gefragt: Kann er das ÖFB-Team alleine zur Endrunde führen?

Koller: Nein, kann er nicht.

SPOX: Trotzdem steht und fällt vieles mit ihm?

Koller: Ja, aber schauen sie nach Schweden: Wer ist dort die bestimmende Figur? Richtig, Zlatan Ibrahimovic. Er ist die Schlüsselstelle, er ist Schweden. Im Heimspiel wird er dominant auftreten. David verfügt eben über diese individuelle Klasse, wichtige Treffer zu erzielen, darüber sind wir heilfroh. Er weiß, dass er Österreich nicht alleine nach Brasilien schießen kann. Er braucht die Unterstützung seiner Mitspieler.

SPOX: 21 Jahre alt, Leistungsträger beim FC Bayern München, Triple-Sieger - Sie sagten, Alaba könne ein Weltstar werden. Ist er das seit der Vorsaison nicht?

Koller: Für mich ist ein Weltstar jemand, der nicht nur rein fußballerisch hervorragende Leistungen zeigt. Es kommt darauf an, was in der Kabine passiert, in der Öffentlichkeit. Da verfügt er mit 21 Jahren nicht über die Erfahrung. Es benötigt gewisse Zeit, um eine Mannschaft auf dem Rasen zu führen, den Rhythmus zu bestimmen. Mache ich jetzt Tempo, oder beruhige ich das Spiel, trete auf den Ball und lasse wichtige Sekunden verstreichen. All das sind wesentliche Attribute. David lernt beim FC Bayern von den Besten, das bringt ihn stetig voran.

SPOX: Nicht zuletzt Alaba ist es geschuldet, dass in Österreich über den idealen Ausbildungsweg fabuliert wird: Früh ins Ausland aufbrechen, oder als gestandener Bundesliga-Profi?

Koller: Für die Liga wäre es besser, wenn Talente nicht mit 15 Jahren die Heimat verlassen - das schadet den Vereinen. Wenn man sie hält, könnten sie im Kreise der Familie aufwachsen und eine gute Ausbildung genießen. Es gibt viele Beispiele, die erst mit 22 Jahren wechselten und demnach gefestigter sind als manch Jugendlicher.

SPOX: Lässt sich das verallgemeinern?

Koller: Nein, das haben David und viele andere bewiesen. Wenn du eine Nachwuchshoffnung bist, musst du dich in der Fremde durchsetzen. In Österreich hat man es oftmals zu leicht. Problematisch wird es, wenn man das Talent einfach Talent sein lässt, es nicht fördert und fordert. Hier brauchen Ausbilder, Trainer, Verantwortliche ein gutes Händchen, um den jungen Spieler voranzubringen. Nicht hätscheln und pflegen, sondern vorleben und zeigen, was es braucht, um nach oben zu kommen.

SPOX: Marko Arnautovic fand den richtigen Pfad bei Werder Bremen erneut nicht. Sie bestärkten Ihn bei seinem Transfer nach England zu Stoke City - warum?

Koller: Er spielt wieder regelmäßig, ist somit inzwischen weiter als er bei seiner letzten Station in Deutschland. Marko muss lernen, sein Potenzial, welches er zweifelsohne hat, regelmäßig auf hohem Level zu hundert Prozent abzurufen

SPOX: Am aufreizenden Spielstil des 24-Jährigen scheiden sich die Geister - ist er mehr Fluch als Segen?

Koller: So möchte ich das nicht beurteilen. Es gibt sicher die ein oder andere Situation, in der es manch Außenstehender als Fluch betrachten kann. Wenn ein Fußballer das Tor nicht trifft, wird er kritisiert. Wenn ein Spielmacher keine Tore vorbereitet, ebenfalls. Er muss sich durchbeißen, alles andere ausblenden und nicht mehr auf die Presse hören, sondern in sich selbst hineinhören.

SPOX: Wenn er in Schweden trifft, wäre er in aller Munde: Ein Punkt reicht bereits, um das direkte Duell für sich zu entschieden. Ganz Österreich würde danach im abschließenden Gruppenspiel auf deutsche Schützenhilfe hoffen - das gibt's nur unter einem Schweizer...

Koller: (lacht) Die Rivalität wird eher von österreichischer Seite gelebt, während ja die Deutschen für gewöhnlich den kleinen Nachbarn mögen. Letztendlich können wir es nicht beeinflussen. Wir müssen darauf hoffen, dass Irland etwas Spezielles gelingt und es für das DFB-Team in Schweden um Platz eins geht. Dann würden sie sich voll reinhängen und nicht auf Sparflamme agieren.

SPOX: Mit der geglückten WM-Qualifikation wäre Ihre Vertragsverlängerung lediglich Formsache, obwohl im Sommer eine Rückkehr zum 1. FC Köln im Raum stand. Wo sehen Sie ihre Zukunft?

Koller: Im Vorfeld des Duells mit Schweden wurde das zum Thema. Es ist wichtig, klaren Kopf zu bewahren, um solche Erfolge einfahren zu können. Deshalb hakte ich es schnell ab. Ich denke, es wäre richtig, den eingeschlagenen Weg weiterhin zu beschreiten. Es gibt eine Tendenz, noch wurde nichts unterschrieben. Es gefällt mir hier, es passt - nur das ist nicht alles. Zu gegebener Zeit wird der ÖFB eine Entscheidung verkünden.

SPOX: Was Paul Scharner dazu sagen würde? Er kompromittierte Sie nach seiner Eliminierung aus dem Team dazumal als "weichgeklopftes Schnitzel", mit dem man nie zur WM fahren würde...

Koller: Zu diesen Aussagen habe ich mich nie geäußert und werde das auch weiterhin nicht tun. Ich bin meinen Weg gegangen.

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