WM

Zlatan Ibrahimovic: Hoffnung auf zwei Beinen

Von Jochen Tittmar
Zlatan Ibrahimovic traf für Schwedens Nationalmannschaft bislang 33 Mal in 80 Spielen
© Getty

Derbe Sprüche, hohe Ablösesummen und zahlreiche Rekorde - Zlatan Ibrahimovic ist eine der schillerndsten Figuren im Weltfußball. Für Schwedens Nationalmannschaft ist er die personifizierte Hoffnung auf Erfolg, bei seinem Verein Paris Saint-Germain soll er ein ambitioniertes Projekt anschieben.

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Wenn ein Fußballer den Verein für eine Summe im zweistelligen Millionenbereich wechselt, bemühen sich die Verantwortlichen des neuen Klubs in den meisten Fällen von der ersten Sekunde an, die mit der Ablöse einhergehenden Erwartungen zu dämpfen und den Druck vom Spieler weitestgehend fern zu halten.

Zlatan Ibrahimovic hat diese Form der Rückendeckung noch auf keiner seiner bisherigen Stationen bekommen. Im Sommer, als es Paris Saint-Germain doch etwas überraschend gelang, den Schweden vom millionenschweren Projekt in Frankreichs Hauptstadt zu überzeugen, machte PSG-Präsident Nasser Al-Khelaifi daher auch keinerlei Anstalten, Ibrahimovic der Öffentlichkeit anders anzupreisen als das, was er für den Klub darstellen soll: Ein Superstar, der Paris zu weltweitem Ruhm verhelfen und nebenbei das Merchandising sowie die Identifikation mit dem Verein explodieren lassen soll.

Ibrahimovic mit 9 Toren in 7 Spielen für Paris

Ibrahimovic saß damals unbeeindruckt neben dem schwerreichen Scheich und schaute drein, als ob dieser gar nicht über ihn reden würde. Superstar, Druck, Millionengehalt - all das tangiert den egozentrischen Stürmer nicht. Im Gegenteil: Er dürfte erwartet haben, dass ihn der Klub als neuen Heilsbringer vorstellt.

Ibrahimovic findet in Paris derzeit das vor, was er seit Jahren aus der schwedischen Nationalmannschaft kennt, die am Dienstag in Berlin auf Deutschland treffen wird (20.30 Uhr im LIVE-TICKER): Er ist die Hoffnung auf zwei Beinen. Trotz der teuren Zukäufe ist der PSG in der aktuellen Phase auf Ibrahimovics Genialität angewiesen. Ohne seine neun Tore hätte das Team fünf Zähler weniger auf dem Konto und stünde im Mittelfeld der Ligue 1.

Das Pariser Projekt befindet sich zwar auf einem soliden Weg, ist aber noch lange kein funktionierendes Gebilde und muss kräftig zulegen, um die ambitionierten Ziele der katarischen Besitzer gerade auch auf internationaler Ebene erreichen zu können. Das Spiel der Franzosen ist recht eindimensional angelegt und spitzt sich in vorderster Linie darauf zu, Ibrahimovic den letzten Pass zu überlassen oder ihn selbst in eine günstige Abschlussposition zu bringen.

Ibra und der Hang zur Überheblichkeit

Dieses Schema gleicht jenem der Tre Kronor, wenn auch Ibrahimovic im Nationalteam öfter als hängende Spitze zum Einsatz kommt. Während Carlo Ancelotti beim PSG jedoch daran tüftelt, die spielerische Abhängigkeit von Ibrahimovic aufzubrechen und die Verantwortung in Zukunft auf mehrere Schultern zu verteilen, um gerade den Offensivvortrag variantenreicher zu gestalten, bleibt Schweden im Prinzip keine andere Wahl.

Ibrahimovic ist der beste Fußballer, den das Land je hervorgebracht hat und die einzige Aussicht auf Erfolg. Ohne sein Mitwirken gehört die Nationalmannschaft in Europa allenfalls zu den Teams der dritten Kategorie. Selbst mit ihm verpassten die Schweden bereits eine WM und schieden bei den beiden letzten Europameisterschaften nach der Vorrunde aus.

Das Wissen um seine exponierte Stellung schien den Angreifer schon seit jeher zu beflügeln, seinem Hang zur Überheblichkeit freien Lauf zu lassen. Ibrahimovic legte schon zweimal aus freien Stücken eine Pause im Nationalteam ein und kam dann einfach wieder, als er den Zeitpunkt für richtig erachtete. Seine Teamkollegen verweigerten ihm einmal kollektiv den Torjubel, weil er gegen San Marino nach einem Elfmeterpfiff keinen Anlass sah, dass ein anderer als er verwandeln sollte. Und zuletzt beim höchst schmeichelhaften 2:1-Sieg auf den Färöern riet er seinem Teamkollegen Christian Wilhelmsson, lieber "die Fresse" zu halten, als ihm seinen verlorenen Zweikampf vor dem Gegentreffer zu erklären.

Acht Mal in Serie Meister

Ehemalige Weggefährten begründen Ibrahimovics eigenwilliges Verhalten als ein Schutzschild, "eine Art Maske oder Verteidigung vor dem, was er als Angriffe versteht", wie Malmös ehemaliger Sportdirektor Hasse Borg anführt. Dort in der Großwohnsiedlung Rosengard, einem sozialen Brennpunkt mit hoher Arbeits- und daraus resultierender Perspektivlosigkeit, begann Ibrahimovics Karriere, die schon damals Skandale produzierte.

So klaute er sich kurzerhand ein Fahrrad, um den weiten Weg zum Training zurück zu legen. Hier reifte seine extravagante Persönlichkeit heran und hier trainierte er sich auf den Straßen rund um die turmhohen Plattenbauten die unvergleichliche Art des Fußballspielens an. Ibrahimovic gehört seit Jahren beständig zu den torgefährlichsten Stürmern der Welt, ihn zeichnet trotz seiner Größe neben einer glänzenden Technik auch eine unheimliche Wendigkeit aus, die beinahe artistisch wirkt.

Diese Eigenschaften brachten ihm nach Stationen bei Ajax Amsterdam, Juventus Turin, Inter, Barcelona und dem AC Milan zahlreiche Einträge in die Rekordbücher ein. Ibrahimovic ist der bestbezahlte Fußballer auf dem Planeten und kostete seine Vereine 169 Millionen Euro Ablöse, mit fünf davon feierte er in drei Ländern und nun schon achtmal in Serie die Meisterschaft. Sein Führungstreffer für den PSG im Champions-League-Spiel gegen Dynamo Kiew machte aus ihm den ersten Spieler, der für sechs verschiedene Klubs in der Königsklasse traf.

"Diesen Philosophen brauchen wir hier nicht"

Aufgrund dieser Kombination aus fußballerischer Einzigartig- und charakterlicher Eigenwilligkeit mutierte Ibrahimovic bei all seinen bisherigen Vereinen sofort zum Zentrum jeglicher Aufmerksamkeit. Einzig beim FC Barcelona scheiterte er an den natürlichen Schranken des Klubs und musste einsehen, dass die Identität des Vereins größer ist als das Ego der Angestellten, die für ihn auflaufen.

Pep Guardiola verfrachtete ihn damals nach starken sechs Anfangsmonaten auf die Bank - Ibrahimovics Reflex war es, mit dem Verein nach nur einer Saison zu brechen und dem Präsidenten die Entlassung des Trainers zu empfehlen: "Diesen Philosophen brauchen wir hier nicht. Der Zwerg (Lionel Messi; Anm. d. Red.) und ich reichen völlig aus."

VIDEO: Spaß a la Ibrahimovic - Fußtritt gegen Cassanos Kopf

Auf seine Stellung im Nationalteam haben all die zweifelhaften Episoden keine Auswirkung. Schwedens Zeitungen führten gar eine eigene Zlatan-Rubrik ein, in der für den höheren Lesegenuss sämtliche Neuigkeiten gebündelt werden. In Paris kokettiert man zwischen den Zeilen sogar mit seinen Eskapaden und hofft, dass sich die Ligue 1 bei Ibrahimovics Glamour ansteckt.

Zwischen Fiktion und Wahrheit

Die Grenzen, inwiefern Ibrahimovic das Spielchen bewusst mitspielt oder einfach nur Lügen über ihn verbreitet werden, verwischen oft. Die kürzlich zitierte Kritik an Mario Balotelli geisterte tagelang durch die Welt Presselandschaft, bis herauskam, dass eine Internetplattform aus Honduras (!) die Aussagen nur erfunden hatte.

"Das ist doch alles Folklore. 95 Prozent von dem, was in Zeitungen geschrieben wird, ist sowieso erfunden, 2,5 Prozent sind Vermutungen und nur die restlichen 2,5 sind die Wahrheit", reagiert Ibrahimovic gelassen auf den pausenlosen Hype - aber nicht, ohne das Klischee zu bedienen: "Es ist nur schade, dass ich für Falschmeldungen kein Geld bekomme."

Zlatan Ibrahimovic im Steckbrief