WM

Superstar Eto'o zu verschenken

Von Haruka Gruber / Jochen Tittmar
Verzweifelt: Auch Superstar Samuel Eto'o konnte die Pleite nicht verhindern
© Getty

Mit einem 1:0 (1:0)-Erfolg über Kamerun ist Japan in das WM-Turnier gestartet. Die Asiaten zeigten jedoch eine erschreckend schwache Partie und konnten froh sein, dass die Afrikaner ebenfalls auf ganzer Linie enttäuschten.

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Das Siegtor vor 40.000 Zuschauern in Bloemfontein erzielte Keisuke Honda (39.) nach einem kapitalen Abwehrfehler Kameruns.

Am zweiten Spieltag in der Gruppe E am Samstag trifft Japan auf die Niederlande, Kamerun fordert Dänemark.

Nachbetrachtung:

Das Niveau war armselig, die fußballerischen Mängel offensichtlich, dennoch stellte Japans Matchwinner Honda nach dem Spiel die positiven Dinge heraus: "Wir haben zuletzt so viele Chancen vergeben, aber diesmal hat es geklappt. Unsere Abwehr hat großartig gespielt, sie hat das Spiel gewonnen. Unsere Stärke ist das Kollektiv."

Inwiefern sich das angespannte Verhältnis zwischen der Mannschaft und Trainer Okada durch den ersten WM-Erfolg außerhalb Japans entspannt, bleibt jedoch offen. Immerhin gelang Nippon ein Novum: Seit Torschüsse statistisch erfasst werden, gelang es keinem Team, mit nur drei Torschüssen (!) ein WM-Spiel zu gewinnen.

Während Japan im zweiten Gruppenspiel gegen die Niederlande befreit aufspielen kann, steht Kamerun im Duell der Auftakt-Verlierer gegen Dänemark bereits mächtig unter Druck. Ein Sieg ist fast schon Pflicht, um das Achtelfinale zu erreichen.

Gegen die Skandinavier wird der umstrittene Trainer Le Guen überlegen müssen, ob er erneut auf seine abenteuerliche Aufstellung setzt. Dass Arsenal-Shootingstar Alexandre Song zunächst auf der Bank saß, wurde mit seinem Fitnesszustand erklärt. Warum Le Guen aber seinen Kapitän Eto'o nicht als echten Stürmer aufbot, sondern auf dem rechten Flügel einsetzte, bleibt wohl sein Geheimnis.

Bei Inter Mailand ist dieser Schritt angesichts all der Hochkaräter im Kader vielleicht verständlich, doch bei den Löwen wird der einzige Superstar des Teams verschenkt. Eto'o selbst nahm seine Rolle überraschend klaglos hin und war ein Vorbild an Einsatz und Moral - doch an der rechten Seitenauslinie war er von wenigen Ausnahmen schlichtweg zu weit vom japanischen Tor entfernt, um Gefahr auszustrahlen.

Reaktionen:

Trainer Takeshi Okada (Japan): "Unsere Abwehr hat sehr gut gearbeitet, aber wir müssen aggressiver unser Pressing durchziehen. Gegen die Niederlande müssen wir den nächsten Schritt machen. Wir haben noch nichts erreicht."

Trainer Paul Le Guen (Kamerun): "Wir müssen jetzt gegen Dänemark gewinnen. Das wissen wir. Wir werden versuchen, uns gut zu erholen und unser Bestes geben. Ich hatte früh das Gefühl, dass das Team, das das erste Tor schießt, das Spiel gewinnt. Wir waren zu nervös in der ersten Halbzeit. Wir haben nicht unser übliches Niveau gezeigt. Das ist sehr frustrierend.  Mit der Leistung von Matip bin ich sehr zufrieden, er ist ein sehr interessanter Spieler. Choupo-Mouting hat in der Vorbereitung sein ganzes Talent gezeigt. Ich bin mir sicher, dass er ein Spieler für die Zukunft ist. Das sind zwei sehr gute Spieler."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Beide Mannschaften mit überraschenden Aufstellungen. Japan verzichtet auf Ex-Celtic-Star Nakamura und auf den Neu-Schalker Rechtsverteidiger Uchida, Kamerun wiederum auf Alexandre Song, für den Schalkes Matip in der Startelf steht. Die früheren Leistungsträger Rigobert Song, Keeper Kameni, Emana und Geremi sitzen ebenfalls nur auf der Bank.

39., 1:0, Honda: Assou-Ekotto lässt Matsui viel zu viel Platz, vom rechten Flügel flankt der Japaner auf den langen Pfosten. M'Bia und N'Koulou behindern sich gegenseitig, am langen Pfosten hatte sich Honda bereits abgesetzt und bekommt den Ball vor die Füße. Mit links schiebt er die Kugel ins Netz.

49.: Eto'o setzt sich auf der rechten Seite gegen Okubo und Nagatomo durch und passt von der Grundlinie in den Rücken der Abwehr. Dort steht Choupo-Moting frei und zieht direkt mit rechts ab - knapp über das linke Toreck.

82.: Hasebe schießt mit der Spitze aus halbrechter Position aufs Tor. Hamidou kann nur nach links abklatschen. Okazaki ist da - schießt mit links aber an den linken Pfosten!

86.: Traumhafter Schuss von Mbia zentral aus 23 Metern. Der Ball kommt mit ordentlich Dampf und knallt links oben an die Latte. Kawashima wäre chancenlos gewesen.

92.: Eine Riesenchance noch einmal zum Schluss für Kamerun, aber Webo scheitert gegen Kawashima. Zuvor wurde jedoch auf Foul von Eto'o entschieden.

Fazit: Das bisher wohl schwächste Spiel des Turniers. Die Mannschaften überboten sich gegenseitig an dilettantischen Aktionen, Japan gewann am Ende nur dank einer guten Aktion von Honda.

Der Star des Spiels: Keisuke Honda (SPOX-Note: 3). Japan ging mit einer absurden Taktik ins Spiel: Trotz der körperlichen Unterlegenheit versuchten es die Asiaten immer wieder mit Flanken. Dass diese paradoxe Vorgabe dennoch von Erfolg gekrönt war, war dem "Kaiser" zu verdanken. Der offensive Mittelfeldspieler wurde als einzige Sturmspitze aufgeboten und behauptete sich trotz fehlender Muskeln und Zentimeter ordentlich gegen Kameruns zumindest körperlich imposante Innenverteidigung. Schlich sich beim Siegtor clever in den Rücken seines Gegenspielers N'Koulou und profitierte davon, dass er auch von M'Bia nicht weiter angegriffen wurde. Bei Kamerun immerhin okay: die beiden Bundesliga-Legionäre Matip (Schalke) und Choupo-Moting (Nürnberg).

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Die Gurke des Spiels: Benoit Assou-Ekotto (SPOX-Note: 6). War das der untalentierte Zwillingsbruder des Leistungsträgers von Tottenham Hotspur? Nicht anders ist die Vorstellung zu erklären, derart miserabel trat Kameruns Linksverteidiger auf. Eine Aufzählung all seiner Fehler würde den Rahmen sprengen, selbst leichteste Pässe misslangen ihm. In einem unterirdischen Spiel war er der Schlechteste. Eine Kunst, wenn man bedenkt, wie indisponiert Teamkollegen wie Bassong und Enoh oder auf Seiten der Japaner Okubo auftraten.

Die Pfeife des Spiels: Olegario Benquerenca. Der Portugiese hatte keinerlei Probleme mit der zwar niveauarmen, dafür aber auch leicht zu führenden Partie.

Analyse: Offiziell war es ein WM-Spiel, inoffiziell ein Duell auf Regionalliga-Niveau. Unzählige Pass- und Annahmefehler, eine Flut an sinnfreien Freistößen ins Aus, dafür aber keine Spur von Spielphilosophie und Spielfreude: Weder Sieger Japan noch Verlierer Kamerun erfüllten den Minimal-Anspruch, der an eine der 32 besten Mannschaften der Welt gestellt werden muss.

Umso bitterer, wenn man bedenkt, welch Potenzial bei den eigentlich spielstarken Japanern und bei den auch von den Namen her prominent besetzten Kamerunern schlummert. Doch die verkorkste Vorbereitung der Teams hat vor allem mental Spuren hinterlassen, nicht anders sind die unglaublich vielen Unforced Errors zu erklären.

Sinnbildlich für das fast schon surreal erbärmliche Spiel war die Vorstellung der Torhüter. Kawashima und Hamidou wurden überraschend zur Nummer eins befördert - und blieben alles schuldig. Vor allem bei Japans Keeper war die Strafraumbeherrschung eine Katastrophe.

Japan - Kamerun: Daten zum Spiel