WM

Südafrika rettet seine Ehre, Frankreich nicht

Von Jochen Tittmar / Jan Wunder
Frankreichs Rechtsverteidiger Bakari Sagna im Duell mit Siphiwe Tshabalala (r.)
© Getty

Gastgeber Südafrika hat das letzte Gruppenspiel gegen Frankreich mit 2:1 (2:0) gewonnen. Aufgrund des Ergebnisses zwischen Uruguay und Mexiko (1:0) ist die Bafana Bafana allerdings als erster Gastgeber der WM-Historie überhaupt nach der Vorrunde ausgeschieden. Gleiches gilt für Frankreich, das in drei Spielen nur einen einzigen Zähler sammelte.

Anzeige
Cookie-Einstellungen
Bongani Khumalo (19.) und Katlego Mphela (37.) erzielten vor 40.000 Zuschauern im Free State Stadion von Bloemfontein die Treffer für Südafrika. Florent Malouda (70.) traf zum Ehrentor für Frankreich - der einzige Turniertreffer der Equipe Tricolore.

So diskutierten die mySPOX-User während der Partie

Nachbetrachtung:

Frankreich wollte nach den Desastern der Vorwoche (Anelka-Rauswurf, Trainings-Boykott) die Ehre des Landes wiederherstellen - doch auf dem Spielfeld mangelte es erneut an allem, was eine echte Mannschaft auszeichnet: Teamgeist, Spielfreude, Kampfbereitschaft. Das Land liegt nach dem skandalösen Auftreten der Equipe Tricolore fußballerisch in Trümmern und muss von Neu-Trainer Laurent Blanc einem kräftigen Neuanfang unterzogen werden.

Schuld daran tragen alle: der kleinkarierte Verband, der viel früher hätte erkennen müssen, dass Domenech das Team nicht mehr erreicht und zudem schon seit längerer Zeit teils erbärmliche Ergebnisse erzielte. Domenech selbst, der aufgrund seiner kauzigen Art frühzeitig mit den Medien über Kreuz lag und während des Turniers zudem zu einer tragikomischen Marionette der Spieler verkümmerte.

Und natürlich die Spieler, die ihre Egos und Eifersüchteleien für wichtiger befanden, als ihr so stolzes Land ehrvoll zu vertreten. Stellvertretend dazu eine Aussage Domenechs zum Bankdasein von Eric Abidal: "Verweigert hat er sich nicht, aber er ist zu mir gekommen und hat gesagt: 'Ich fühle mich ausgebrannt, ich ziehe es vor, nicht zu spielen'." Ein Unding!

Südafrika muss als erster Gastgeber der WM-Historie im Achtelfinale zusehen, da dem Team schlicht und ergreifend die nötige fußballerische Klasse fehlt, um sich in drei Spielen gegen stärkere Teams durchzusetzen. An einem guten Tag kann Bafana Bafana sicherlich für eine Überraschung sorgen. An jedem anderen Tag kann das Team allerdings auch gegen viele Mannschaften verlieren.

Südafrika hat sich mit einem Sieg, einem Remis und einer Niederlage aber gut verkauft und dieselbe Bilanz wie Mexiko vorzuweisen. Allein das ist aller Ehren wert. Doch auch für Südafrika muss ein Neubeginn her: Trainer Parreira gab nach Schlusspfiff bekannt, dass er nicht als Nationaltrainer weitermachen wird.

Reaktionen:

Raymond Domenech (Trainer Frankreich): "Wir sind traurig und enttäuscht. Die Jungs sind solidarisch ins Spiel gegangen. Aber wenn es nicht läuft, läuft es nicht. Im Moment fühlt man sich schlecht. Wir haben zuviel Energie gelassen. Im Moment bin ich nicht fähig, eine Bilanz zu ziehen. Ich wünsche meinem Nachfolger viel Glück. Es gibt eine Zukunft, die Mannschaft hat riesiges Potenzial. Da werden noch einige Spieler nachkommen. Ich habe die Equipe geliebt."

Florent Malouda (Frankreich): "Es ist bedauerlich, aber angesichts dessen, was vor dem Spiel passiert ist, wäre es ein Wunder gewesen, zu gewinnen. Ich möchte mich im Namen aller Spieler entschuldigen. Wir werden miteinander reden. Es gab viel Spannung in dieser Gruppe. Das Weiterkommen haben wir nicht erst heute verspielt. Wir sind nicht stolz auf das, was wir taten. Ich weiß nicht, wie wir uns entschuldigen könnten."

Carlos Alberto Parreira (Trainer Südafrika): "Ich bin stolz auf meine Jungs, sie haben das ganze Land stolz gemacht. Man muss sich doch nur mal anschauen, gegen wen wir da gespielt haben, welche Spieler die anderen hatten. Wenn der Ball beim Stand von 2:0 nicht an den Pfosten gegangen wäre, hätten wir uns qualifiziert."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Nach den Skandalen der letzten Tage ändert Frankreichs Coach Domenech seine Anfangsformation auf gleich sechs Positionen: Clichy, Gourcuff, Gignac, Squillaci, Cisse und Diarra spielen für Kapitän Evra, Abidal, Malouda, Govou und Anelka. Toulalan fehlt gelbgesperrt.

Südafrika-Trainer Carlos Alberto Parreira nimmt fünf Änderungen vor: Josephs (Tor), Ngcongaca, Sibaya, Khuboni und Parker stehen für Gaxa, Letsholonyane und Modise auf dem Platz. Torhüter Khune fehlt rotgesperrt, Dikgacoi sitzt eine Gelb-Sperre ab. Parreira stellt das System auf 4-4-2 mit Doppelsechs um.

19., 0:1, Khumalo: Eckball Südafrika von der rechten Seite. Tshabalala bringt den Ball auf den zweiten Pfosten. Lloris springt unter der Flanke hindurch. Khumalo stützt sich bei Diaby ab und versenkt den Ball mit dem Kopf.

26.: Gourcuff sieht die Rote Karte! Der Mittelfeldmann geht im Strafraum im Luftzweikampf mit Sibaya mit dem Ellbogen zur Sache. Sehr harter Platzverweis.

37., 0:2, Mphela: Tshabalala geht auf links Richtung Grundlinie und bringt den Ball flach in die Mitte. Diarras Klärungsversuch wird zum Querschläger und landet bei Masilela, der die Kugel noch mal von links vor das Tor bringt. Am zweiten Pfosten lauert Mphela, setzt sich gegen Clichy durch und stochert die Pille über die Linie.

40.: Ribery bringt einen Freistoß von links mit Zug zum Tor in den Sechzehner. Gallas irritiert Josephs, kommt aber nicht mehr an den Ball. Der Keeper reagiert blitzschnell und lenkt die Kugel über die Latte.

50.: Tshabalala hat die Kugel 25 Meter zentral vor dem Tor und sieht Mphela parallel zum Tor starten. Der Pass kommt perfekt in die Gasse auf den Elfmeterpunkt. Mphela rückt zum richtigen Zeitpunkt ein und hämmert den Ball mit rechts gegen den rechten Außenpfosten.

 

70., 1:2, Malouda: Diaby marschiert von rechts in die Spitze und sieht Ribery steil starten. Der Pass kommt genau in den Lauf von Ribery, der knapp nicht im Abseits steht und quer auf Malouda passt. Dieser muss den Ball nur noch ins leere Tor schieben.

Fazit: Verdienter Sieg der Südafrikaner, die Frankreichs Schwächephase im ersten Abschnitt konsequent ausnutzten und auch im zweiten Durchgang mit Abstrichen eine ordentliche Leistung abriefen. Von Frankreich kam erneut zu wenig, damit es für einen Sieg reicht.

Der Star des Spiels: Katlego Mphela (SPOX-Note 2). In den ersten beiden Gruppenspielen noch alleinige Spitze und meist ohne echte Unterstützung, blühte er mit einem Nebenmann (Parker) regelrecht auf. Sehr beweglich, gute Antizipation und dadurch in einigen Situationen schwer zu stoppen. Erzielte zudem das 2:0 und hatte mehrere richtig gute Torabschlüsse zu verzeichnen.

Auch die SPOX-User haben Mphela gewählt. Hier geht's zur Übersicht!

Die Gurke des Spiels: Hugo Lloris (SPOX-Note 5). Dem Keeper von Olympique Lyon konnte man im bisherigen Turnierverlauf kaum etwas vorwerfen. Gegen Südafrika erwischte er allerdings einen schwachen Tag. Tauchte unter der Flanke vor dem 0:1 durch und zeigte auch kurz darauf Unsicherheiten in der Strafraumbeherrschung. Donnerte einen harmlosen Rückpass ins Aus und machte in wichtigen Situationen einen nervösen Eindruck.

Die Pfeife des Spiels: Oscar Julian Ruiz Acosta aus Kolumbien lieferte eine durchschnittliche Leistung ab, trübte diese allerdings durch den harten Platzverweis gegen Gourcuff, der für Frankreich spielentscheidend war. Manche Unparteiische hätten zudem beim Kopfballduell zwischen Khumalo und Diaby vor dem 1:0 auf Foul wegen Aufstützens entschieden.

Analyse: Beide Teams hatten vor dem Spiel noch minimale Chancen auf das Achtelfinale. Daher wurde die Partie anfangs von Vorsichtigkeit und Ruhe in den Aktionen beider Mannschaften geprägt. Wach wurde das Spiel erst durch Lloris' Fehler, der Südafrika die Führung aus dem Nichts ermöglichte. Wenig später musste Frankreich aufgrund des harten Platzverweises in Unterzahl agieren und zog sich etwas zurück.

Es gelang der Equipe Tricolore in der Folge allerdings nicht, wirklich kompakt zu stehen und eine größere Kampf- und Laufbereitschaft an den Tag zu legen. Die Bafana Bafana spielte mit der Führung und Überzahl im Rücken deutlich selbstbewusster und zielstrebiger, kam öfter zum Abschluss und drückte den Franzosen in dieser Phase einen weiteren Treffer rein.

Frankreich war nach dem Seitenwechsel um Schadensbegrenzung bemüht. Man versuchte, die aufkommende Euphorie in der Spielweise des Gegners zu bremsen und das Tempo aus der Partie zu nehmen. Südafrika zeigte sich davon jedoch kaum beeindruckt und wurde vor allem dann gefährlich, wenn man die Spielanlage deutlich breiter anlegte und konsequent über die Außen spielte. Pienaar dirigierte die Angriffe und wurde seiner Spielmacherrolle erstmals im Turnier gerecht.

Unter dem Strich sind die beiden schwächsten Teams der Gruppe A völlig zurecht ausgeschieden. Südafrika fehlt einfach die Qualität, um im Konzert der Großen mitzumischen. Stellvertretend dafür steht der völlig unnötige Gegentreffer zum 2:1, der das letzte bisschen Hoffnung auf ein Weiterkommen im Keim erstickte.

Frankreich ließ sich zwar trotz des frühen Rückstands nicht hängen, blieb aber erneut den Beweis schuldig, ein funktionierendes Spielsystem und Mannschaftsgefüge zu haben. Die Blauen fahren völlig zurecht wieder nach Hause.

Frankreich - Südafrika: Daten zum Spiel