WM

Anelka nach Hause geschickt, Evra erbost

SID
Nicolas Anelka steht seit drei Saisons bei Chelsea unter Vertrag
© Getty

Der französische Verband hat Nicolas Anelka nach Hause geschickt. Die Verantwortlichen reagierten damit auf die Beleidigungen des Stürmers gegen seinen Trainer Raymond Domenech.

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Enfant terrible Nicolas Anelka ist nach obszönen Beleidigungen gegen Nationaltrainer Raymond Domenech vom französischen Fußball-Verband FFF von der WM in Südafrika nach Hause geschickt worden.

Der absehbare Rauswurf erfolgte drei Tage vor dem entscheidenden WM-Gruppenspiel gegen die Gastgeber am Dienstag in Bloemfontein, bei dem Frankreich nur noch eine kleine Chance auf den Einzug ins Achtelfinale besitzt.

"Die Kommentare von Nicolas Anelka sind inakzeptabel für die FFF und die Werte, für die wir stehen", teilte der Verband in einer schriftlichen Stellungnahme mit, nachdem Anelka eine Entschuldigung abgelehnt hatte. Vielmehr bestritt der Angreifer die Aussagen, die am Morgen die Sporttageszeitung "L'Equipe" veröffentlich hatte.

Evra: "Wir haben einen Verräter im Team"

"Ich möchte klarstellen, dass ich die von der Presse veröffentlichten Worte nie gesagt habe", behauptete Anelka in der Tageszeitung "France Soir", räumte allerdings auch ein. "Ich hatte eine hitzige Unterredung mit dem Trainer in der Kabine, vor allen Mannschaftskameraden. Es hätte die Kabine nie verlassen dürfen."

Die Equipe Tricolore habe "einen Verräter" in ihren Reihen, erboste sich Kapitän Patrice Evra, und der müsse gefunden werden. "Das Problem ist nicht Anelka, sondern der Verräter, der unter uns ist", ergänzte er.

Vorsicht, obszöne Wörter

Der Ausspruch von Anelka ist nicht unbedingt druckreif, der "L'Equipe" aber war das egal. In weißen Buchstaben auf schwarzem Hintergrund prangte auf der Titelseite der Samstagausgabe der französischen Sporttageszeitung der Satz: "Va te faire enculer, sale fils de pute."

Moderatoren französischen Radiosender brachen sich am Morgen beinahe die Zunge ab, um die Formulierung zu umgehen, der englische Dienst der Nachrichtenagentur "afp" veröffentlichte vor seiner Meldung einen Warnhinweis: Vorsicht, obszöne Wörter! "F*** dich in den A****, du H****sohn", lautet der Satz auf Deutsch.

Domenech kritisierte Anelka in der Halbzeit

Gefallen sind die sehr bösen Worte kurz nach dem Abpfiff der ersten Halbzeit im Spiel zwischen Frankreich und Mexiko (0:2). Der umstrittene Nationaltrainer mit dem ewig gequälten Blick hatte zuvor das taktische Verhalten von Anelka angemahnt.

Nach der offensichtlich wenig sachbezogenen Antwort von Anelka auf die Aufforderung, er möge doch nicht immer vorne stehen bleiben, verzichtete Domenech auf eine weitere Auseinandersetzung: "Okay, du bist raus", ließ er Anelka wissen, in der zweiten Halbzeit ersetzte er den Angreifer des FC Chelsea durch einen gewissen Andre-Pierre Gignac - zu Recht, wie die Tageszeitung "Le Figaro" den Vorgang kommentierte. "Anelka ist in seinem Status als enfant terrible in eine neue Dimension eingedrungen."

Auch Gallas mit Aussetzer

Obszöne Äußerungen und Gesten sind offensichtlich in Mode bei den Franzosen, zumindest bei den Fußball-Nationalspielern.

William Gallas, der bereits vor dem Beginn der WM mitgeteilt hatte, dass er gegenüber den Medien kein Wort sagen würde, hielt tatsächlich Wort und den Mund, wählte nach der Niederlage allerdings die nonverbale Kommunikation mit dem Reporter des französischen TV-Senders TF1: Er zeigte ihm auf die Bitte nach einer Stellungnahme kurzentschlossen den ausgestreckten Mittelfinger.

Dass Anelka und Domenech irgendwann aneinandergeraten würden, war irgendwie abzusehen, erstaunlich ist allenfalls, dass es derart lange gedauert hat.

Vorgänger Santini warf Anelka aus Kader

Der 31 Jahre alte Angreifer wurde dereinst mit dem Satz auffällig: "In Frankreich macht man komische Menschen zum Nationaltrainer."

Kurioserweise holte dieser komische Mensch namens Domenech den komischen Menschen namens Anelka wieder zurück in die Nationalmannschaft, nachdem Anelka von Vorgänger Jacques Santini vor der WM 2002 aus dem Kader geworfen worden war.

Anelka wiederum fiel in den vergangenen Jahren vornehmlich dadurch auf, dass er seine Vereine wechselte wie andere Menschen ihre Unterwäsche.

Mit acht Transfers seit 1997 hat er es auf eine Gesamtablösesumme von 134,6 Millionen Euro gebracht - er ist nach dieser Rechnung der teuerste Spieler der Welt. Seit 2008 spielte Anelka mit dem nun verstoßenen Michael Ballack beim FC Chelsea und brachte es dort in 84 Spielen auf 31 Treffer. Für Frankreich traf er bei seinen 69 Einsätze 14 mal.

Gourcuff kuscht vor Ribery

Der Fall Anelka ist aber offensichtlich nur die Spitze des Eisberges. Dass sich in der Equipe Tricolore mittlerweile mehrere Gruppen gebildet haben, die sich untereinander nicht leidet können, gilt als offenes Geheimnis.

Nach dem Spiel gegen Mexiko sprach der eher stille Yoann Gorcuff mit Journalisten - und duckte sich scheu weg, als hinter ihm Anelka und Franck Ribery vorbeiliefen. Da habe der Klassenbeste "dem Rüpel der Schule" Platz gemacht, "um keinen Schlag auf den Hinterkopf zu bekommen", schrieb L'Equipe.

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