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Neues "Erdbeben" im WM-Skandal?

SID
Das Olympiastadion war 2006 Schauplatz des WM-Finals
© getty

Entgegen aller Versprechen droht dem DFB das nächste "Erdbeben" im Skandal um das Sommermärchen 2006. Die Süddeutsche Zeitung berichtete am Freitag von verschlüsselten Dateien, die vom Namen her brisanten Inhalt offenbaren könnten. In jedem Fall beweist der Fund, dass der DFB eben nicht "alles" getan hat, um die WM-Affäre aufzuklären.

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Der Weltmeister-Verband habe seine "ursprüngliche Kooperationsbereitschaft mit den Ermittlungsbehörden ab Anfang 2016 stark eingeschränkt", sagte ein Behördensprecher dem SID - er widersprach damit der bisherigen Darstellung der DFB-Spitze, immer und umfänglich mit der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten.

Der Verband wies diese Darstellung zurück. "An unserer umfassenden Kooperationsbereitschaft mit den Behörden zur Klärung aller Fragen hat sich nie etwas geändert. Wenn die Staatsanwaltschaft so etwas behauptet, dann soll sie konkret benennen, wo vom DFB nicht kooperiert wurde", teilte Mediendirektor Ralf Köttker am Freitagabend mit.

Im Kern geht es um die mutmaßlich vom früheren stellvertretenden DFB-Generalsekretär Stefan Hans erstellte Datei mit dem Namen "Komplex Jack Warner", abgespeichert am 12. November 2015 im Unterordner "Erdbeben". Diese wurde den Behörden laut SZ erst am vergangenen Montag zugänglich gemacht. Die Steuerrazzia beim DFB hatte bereits am 3. November 2015 stattgefunden, danach habe rechtlich ein "Beschlagnahmeverbot" bestanden.

Jack Warner weiterhin entscheidend

Der inzwischen lebenslang gesperrte Warner spielte in verschiedenen Skandalen beim Weltverband FIFA eine zentrale Rolle. In der WM-Affäre wurde er durch einen von Franz Beckenbauer gezeichneten, höchst dubiosen Vertrag, der kurz vor der Vergabe der WM 2006 geschlossen wurde, zur Schlüsselfigur. Auch dieser Vertrag führte letztlich zum Rücktritt des damaligen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach am 9. November 2015.

Im vom DFB in Auftrag gegebenen Freshfields-Bericht ist der "Komplex Jack Warner" aus dem "persönlichen Dateiablageordner von Stefan Hans" in einer Fußnote erwähnt, die Existenz der Datei war demnach spätestens seit März bekannt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Steuerhinterziehung, es geht um die dubiosen 6,7 Millionen Euro, die von den WM-Organisatoren um Beckenbauer wohl falsch deklariert worden waren. Zumindest im Dunstkreis dieser Zahlung schwebt auch Warner.

"Es wäre zwar grundsätzlich ein an den DFB gerichtetes Ersuchen um eine freiwillige Herausgabe der Datei an die Ermittlungsbehörden denkbar gewesen", teilte die Staatsanwaltschaft mit. Dem stand aber zum "damaligen Zeitpunkt" die zurückgefahrene Zusammenarbeit gegenüber. Zuvor habe Freshfields den Behörden bereits den Zugang zu mehreren Dokumente verweigert.

"Zunächst waren verschiedene Befragungsprotokolle an die Ermittlungsbehörden herausgegeben worden, ab Anfang 2016 war dies nicht mehr der Fall", so die Staatsanwaltschaft. Bezogen auf die Warner-Datei begründete DFB-Vizepräsident Rainer Koch die Zurückhaltung mit der fehlenden Akteneinsicht.

"Hätte die Staatsanwaltschaft das gekriegt, wäre es jetzt auch dort"

"Hätte die Staatsanwaltschaft das gekriegt, wäre es jetzt noch dort", sagte Koch der SZ, er räumte jedoch ein: "Vielleicht hätte man die Datei im März der Staatsanwaltschaft rüberfahren sollen." Hans habe zwar allerlei Passwörter geliefert, die hätten aber nicht gepasst, teilte der DFB der SZ mit. Der Ex-Angestellte war am Freitag nicht zu erreichen.

Experten hätten wegen zu hoher, im sechsstelligen Bereich liegender Kosten von einer Entschlüsselung abgeraten. Warum nicht unmittelbar die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde, ist offen. Die Behörde kann sich der Hilfe der Polizei- und sonstigen Ermittlungsbehörden bedienen.

"Wir haben getan, was ein gemeinnütziger Verband tun kann. Alle Fragen zur Aufklärung, die wir beantworten können, sind beantwortet", hatte der neue DFB-Präsident Reinhard Grindel erst Anfang November nach seiner Wiederwahl gesagt. Nun seien die staatlichen Ermittler an der Reihe. Deren Arbeit wurde aber offensichtlich vom DFB - ob mutwillig oder nicht - erschwert.

"All das führt zwangsläufig zu weiteren Fragen", sagte Dagmar Freitag, die Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, dem SID: "Die Spitze des DFB sieht sich jetzt mit der Frage konfrontiert, inwieweit tatsächlich alles getan wird, um die damaligen Vorgänge aufzuklären. Glaubwürdigkeit ist untrennbar verbunden mit Transparenz und dem Willen der Kooperation mit Staatsanwaltschaft und Finanzbehörden."

Es wäre "sicherlich sinnvoll und hilfreich gewesen, wenn man auch diese Daten den staatlichen Ermittlungsbehörden frühzeitig zur Verfügung gestellt hätte", sagte die SPD-Politikerin. Koch begründete die Zurückhaltung mit der dann folgenden, fehlenden Akteneinsicht.

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