WM

Keine Zeit für Egoisten

Von Andreas Lehner
Die Spanier bejubeln ihren Sieg über Deutschland und den Finaleinzug
© Getty

Wer wird Weltmeister (20 Uhr im LIVE-TICKER und auf SKY)? Die Niederlande gewannen alle sechs Spiele, Spanien verlor nur sein Auftaktmatch. Im Finale kommt es zu einer Reihe interessanter Duelle. Wer wird bester Spieler des Turniers? Wer wird Torschützenkönig? Und was denkt eigentlich Real Madrid?

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Maarten Stekelenburg vs. Iker Casillas

Stekelenburg (SPOX-Durchschnittsnote: 2,83) hatte das schwere Erbe von van der Sar anzutreten und galt vor der WM als Schwachstelle im Oranje-Team. Hielt dann zu Beginn richtig stark, machte sich gegen Uruguay allerdings auf Fliegenjagd und ließ einen harmlosen Fernschuss von Forlan mitten in seinem Tor einschlagen.

Auch Casillas (SPOX-Note: 3,17) wackelte vor dem Turnier. Viele Spanier hätten sogar lieber Barcas Valdes oder Liverpools Reina im Tor gesehen. Aber der Real-Keeper war in den wichtigen Momenten zur Stelle und strahlte in den letzten Spielen große Sicherheit aus. Ist Kapitän der Seleccion und dürfte bei einem Sieg als erster Spanier überhaupt Hand an den World Cup legen.

 

Johnny Heitinga/Joris Mathijsen vs. David Villa

Die nächste Schwachstelle der Niederländer wurde in der Innenverteidigung verortet. Heitinga (SPOX-Note: 3,50) und Mathijsen (SPOX-Note: 3,20) sind nicht gerade als unüberwindbares Innenverteidigerduo gefürchtet. Trotzdem kassierte die Elftal bis zum Finale nur fünf Gegentore: zwei per Elfmeter, eins per haltbarem Fernschuss und eins nach einem Freistoß. Nur Brasilien offenbarte die Schwächen im Zentrum mehrmals, ohne genügend Kapital daraus zu schlagen. Nur Robinho traf.

Allerdings verteidigte gegen die Selecao Ooijer statt des verletzten Mathijsen. Vor allem wenn es schnell geht und der Ball dabei am Boden ist, haben die hüftsteifen Verteidiger Probleme.

Das kommt dem wuseligen Villa (SPOX-Note: 2,50) gerade recht. Der wurde zwar wegen Torres' Formkrise von der linken Seite ins Zentrum versetzt, ist aber auch da brandgefährlich. Blieb trotzdem gegen Deutschland zum ersten Mal seit dem Auftaktspiel gegen die Schweiz ohne Treffer. Kämpft mit einigen Teamkollegen und Hollands Sneijder um den Titel "Bester Spieler des Turniers". Mit Sneijder streitet er sich auch noch um den Titel "Bester Torschütze des Turniers".

 

G. van der Wiel/Arjen Robben vs. Joan Capdevila/Andres Iniesta

Der FC Bayern verpflichtete Robben im Sommer auf Anraten von van Bommel. In diesem Sommer legte der FCB-Kapitän schon mal das nächste gute Wort für van der Wiel (SPOX-Note: 4,25) ein. Der 22-Jährige muss im Finale gegen Spaniens Bonbon-Verteiler Iniesta (SPOX-Note: 2,40) zeigen, ob er großen internationalen Ansprüchen genügt.

Lahm hatte mit Iniesta massive Probleme. Macht es van der Wiel besser, wäre das ein eindrucksvolles Bewerbungsschreiben.

Dass man sich auf van Bommels Rat verlassen kann, machte Robben (SPOX-Note: 2,67) in dieser Saison in München klar. Wie bei den Bayern ist er auch in der Elftal einer der Schlüsselspieler und Capdevila (SPOX-Note: 3,33) im Eins-gegen-eins eigentlich kein Gegner.

Robben ist im Dribbling dynamischer und zielstrebiger als Iniesta, dafür arbeitet der Spanier schneller und disziplinierter nach hinten. Für Robben wäre es die ultimative Gelegenheit um ganz Spanien noch einmal zu zeigen, dass Real Madrid einen kapitalen Fehler begangen hat, ihn durch Ronaldo zu ersetzen. Hat auch noch geringe Chancen auf den Titel "Bester Spieler des Turniers".

 

Giovanni van Bronckhorst/Dirk Kuyt vs. Sergio Ramos/Pedro

Van Bronckhorst (SPOX-Note: 3,00) packte im Halbfinale den Hammer aus und legte so den Grundstein für den Finaleinzug. Ist mittlerweile 35 Jahre alt und hat auf links hinten immer noch keine Konkurrenz, weil die Nummer zwei Braafheid heißt. Spielte früher mal unter dem Namen "Gio" in Barcelona und weiß also, was auf ihn zukommt.

Ein dribbelstarker, flinker Flügelstürmer namens Pedro (SPOX-Note: 1,00), der sich gegen Deutschland als Del Bosques perfekter Schachzug erwies. Vergab allerdings die Vorentscheidung leichtfertig, als er vor dem Tor zu eigensinnig war und Torres nicht bediente. Hätte dafür unter Rapolder wahrscheinlich einen Aufsatz über Altruismus und soziale Kompetenz verfassen müssen. Wurde auch von Del Bosque mit einer Auswechslung bestraft, hat seine Lektion aber schnell gelernt.

Kuyt (SPOX-Note: 2,67) könnte wahrscheinlich aus dem Stegreif 90 Minuten über Altruismus und soziale Kompetenz referieren. Spielt immer, aber selten spektakulär. Dafür effektiv und leidenschaftlich. Ist Hollands Gesicht des Fußballarbeiters und damit der Gegenentwurf zu Robben. Kann trotzdem jeder Abwehr weh tun und dürfte sich mit Ramos (SPOX-Note: 3,17) einen richtigen Fußballkampf liefern. Da sollten die Fetzen fliegen.

 

Nigel de Jong/Mark van Bommel vs. Xavi

Als der FC Bayern vor knapp anderthalb Jahren in Barcelona unter die Räder kam, war van Bommel der Verzweiflung nahe. "Die haben so schnell gespielt, wir sind gar nicht in die Zweikämpfe gekommen. Hast du einen Zweikampf gesehen? Ich keinen!"

Auslöser für den Brummkreisel war natürlich wieder einmal Xavi (SPOX-Note: 2,83). Er ist und bleibt das Gehirn dieser spanischen Generation. Sein Laufpensum ist immens und seine Spiel- und Antizipationsfähigkeit grandios. De Jong (SPOX-Note: 3,40) und van Bommel (SPOX-Note: 2,50) müssen versuchen besser in die Zweikämpfe zu kommen als die Bayern damals.

Denn kompakte, zielgerichtete Aggressivität ist das beste Mittel gegen diese Spanier. De Jong und van Bommel sind bisher Hollands schwer durchdringbarer Abwehrschild, der der anfälligen Innenverteidigung viel Arbeit abgenommen hat. De Jong musste im Halbfinale gesperrt pausieren und konnte so Kräfte schonen. Die wird er brauchen, um mit der nötigen Laufarbeit die Löcher zu stopfen, die Spanien mit seinem Passspiel aufreißt.

 

Wesley Sneijder vs. Xabi Alonso/Sergio Busquets

Sneijder (SPOX-Note: 2,83) ist Hollands Xavi. Nicht was die Spielweise betrifft, aber was seine Wichtigkeit angeht. Die Elftal ist angewiesen auf seine entscheidenden Pässe und besonders Tore. Fünfmal netzte der Triple-Gewinner mit Inter schon ein (wenn auch einmal mit Hilfe der FIFA).

Gegen Deutschland verschluckte das Bermudadreieck aus Xabi Alonso (SPOX-Note: 3,00), Busquets (SPOX-Note: 2,83) und Xavi den deutschen Spielmacher Özil. Sneijder ist ein anderer Spielertyp. Er sucht mehr den Abschluss und lässt sich auch oft tief in die eigene Hälfte fallen.

Er wird auch für Spaniens Zentrale schwer zu greifen sein. Zumal ihm eine Aktion reicht, um ein Spiel zu entscheiden. Außerdem: Für Sneijder wäre es die ultimative Gelegenheit, um ganz Spanien noch einmal zu zeigen, dass Real Madrid einen kapitalen Fehler begangen hat, ihn durch Kaka zu ersetzen. Hat bei einem WM-Sieg sehr gute Chancen auf den Titel "Bester Spieler des Turniers".

 

Robin van Persie vs. Carles Puyol/Gerard Pique

Hollands Mittlerstürmer, der so gar nicht zu Hollands Mittelstürmern der Vergangenheit passt. Van Persie (SPOX-Note: 3,67) agiert vor dem Tor oft zu kompliziert und rennt gern mit dem Kopf durch die Wand. Kennt wahrscheinlich das Wort Altruismus gar nicht. Provozierte während des Achtelfinals einen Streit mit seinem Trainer, als er ihn auswechselte und van Persie lieber Sneijder vom Platz geschickt hätte.

Darf aber immer wieder ran, weil van Marwijk sonst keinen brauchbaren Mittelstürmer hat. Van Persie traf erst einmal und ist nur seiner Meinung nach ein Kandidat für den Titel "Bester Spieler des Turniers". Der Titel "Beste Abwehr des Turnier" dürfte Spanien nicht mehr zu nehmen sein.

Zwei Treffer kassierte die Seleccion in ihren sechs Spielen. Übrigens beide in der Vorrunde, die drei K.o.-Spiele gewann Spanien jeweils 1:0. Großen Anteil daran haben natürlich Kopfballungeheuer Puyol (SPOX-Note: 3,00) und Spieleröffner Pique (SPOX-Note: 2,67). Das Barca-Duo ergänzt sich perfekt und ist sowohl in der Luft als auch am Boden schwer zu knacken.

Niederlande - Spanien: Die Bilanz