WM

"Ich konnte Zidane verstehen"

Von Interview: Marcus Giebel
Beim Spiel um Platz drei standen Jens Nowotny (l.) und Oliver Kahn letzmals gemeinsam auf dem Platz
© Imago

Seit 1954 war die deutsche Nationalmannschaft bei Weltmeisterschaften immer unter den besten acht Teams der Welt - eine einmalige Erfolgsstory. In der Rubrik "Damals in..." lässt SPOX zu jeder WM einen deutschen Nationalspieler von seinen Erlebnissen während des WM-Turniers erzählen. Diesmal: Jens Nowotny über die WM 2006.

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Vor vier Jahren fand zum zweiten Mal eine Weltmeisterschaft in Deutschland statt. Zu Turnierbeginn traute dem DFB-Team kaum jemand etwas zu. Vielmehr wurde hierzulande gescherzt, die Mannschaft hätte sich ohne Gastgeberstatus gar nicht erst qualifiziert.

Doch vom Anpfiff des Eröffnungsspiels weg belehrten die Kicker von Bundestrainer Jürgen Klinsmann alle Kritiker eines Besseren. Mit erfrischendem Offensivfußball spielten sie sich in die Herzen der Fans - und fast ins Endspiel. Als Ergänzungsspieler mit dabei war auch Jens Nowotny.

SPOX: Wie oft haben Sie den Film "Sommermärchen" von Sönke Wortmann bisher gesehen?

Nowotny: Zweimal. Das erste Mal bei der Premiere und dann noch einmal zu Hause.

SPOX: Sie müssen ihn also nicht immer wieder sehen?

Nowotny: Nein, im Fernsehen sieht man ja immer wieder Ausschnitte. Das reicht mir.

SPOX: Was verbinden Sie mit dem Wort "Sommermärchen"?

Nowotny: Die Krönung. Es war die Krönung meiner Karriere. Gerade wenn man die Geschichte vorher verfolgt hat, war es ein krönender Abschluss. Die Suspendierung in Leverkusen, der Kreuzbandriss. Dann die späte Nominierung. Ich habe das Spiel um Platz drei mitgemacht und wir haben gewonnen. Es war für mich optimal.

SPOX: Optimal wäre es eigentlich mit dem Titelgewinn gewesen.

Nowotny: Dann hätte ich ja nicht gespielt.

SPOX: Wegen der Verletzung war Ihre Nominierung für die Öffentlichkeit überraschend. Für Sie auch?

Nowotny: Überraschend würde ich nicht sagen. Aber glücklich. Für mich war es im Mai 2006 das erste Mal nach Suspendierung und Verletzung. Dann durfte ich wieder ran und habe gut gespielt. Es war zu sehen, dass da eine junge Truppe aufgebaut wird. Also brauchte man noch gewisse Erfahrung. Und damals hatte sich ja Christian Wörns ein bisschen negativ geäußert. So wurde die Wahrscheinlichkeit größer.

SPOX: In der Verteidigung waren Per Mertesacker und Christoph Metzelder gesetzt. Haben Sie sich mehr als WM-Tourist gefühlt?

Nowotny: Nein, das nicht. Wobei das viel mit der Einstellung und der Auffassung, warum ich nun dabei bin, zu tun hat. Ich habe in meiner Karriere immer alles nüchtern gesehen, als zufällig und nicht geplant. Und ich wusste: Ich habe über die Jahre eine hohe Qualität bewiesen. Das heißt, ich kann sehr gut mit Druck umgehen. Da hatte Jürgen Klinsmann die Überlegung: So jemanden im Team zu haben, ist Gold wert. Einen Spieler wie mich oder Christian Wörns: international erfahren, gut drauf, charakterlich in Ordnung. Und vor allem: ruhig und zufrieden, dass man dabei ist. Was will man als Bundestrainer mehr?

SPOX: Klinsmanns extrem emotionalen Ansprachen in der Kabine waren für Nicht-Profis gewöhnungsbedürftig. Wie haben Sie das empfunden?

Nowotny: Es gibt drei Arten der Ansprache: Die eine ist ruhig und sachlich, die zweite emotional, aber auch auf Statistiken gestützt und die dritte emotional-motivierend. Klinsmann war emotional-motivierend und enthusiastisch. Ich habe noch nie einen Trainer so oft das Wort "geil" sagen hören. Da hat man schon das Impulsive und die Motivationstechniken aus den USA gespürt.

SPOX: Das WM-Quartier war mitten in Berlin. Haben Sie mitbekommen, wie groß die Begeisterung rund um die Mannschaft war?

Nowotny: Man kriegt mit, ob vor dem Hotel hundert Leute stehen oder ein- oder zweitausend. Als wir das zweite Mal nach Dortmund gekommen sind, waren sogar zehntausend vor dem Hotel. Oder wenn wir mit der Eskorte aus Berlin weggefahren sind, standen die Fans an den Seiten Schlange. Das sind Dinge, die wachsen einfach. Die nimmst du dann auch bewusst wahr.

SPOX: Welche Beschäftigungsmöglichkeiten haben Sie im Quartier genutzt?

Nowotny: Ich habe gelesen, mich mit dem Computer beschäftigt und ab und an mal einen Film angeguckt. Aber so viel Freizeit hat man im Prinzip nicht. Man guckt sich die Fußballspiele an, dann hat man Abwehrsitzung oder Mannschaftssitzung, dann noch ein Gespräch. Also, der Tag geht relativ schnell rum. Es gibt selten Phasen, an denen ein, zwei Tage richtig träge an dir vorbeiziehen.

SPOX: Gerald Asamoah war der DJ des Teams. Stichwort Xavier Naidoo: Wie hat Ihnen sein Musikgeschmack gefallen?

Nowotny: Ich finde die Musik schon gut, nur würde ich dabei irgendwann einschlafen. Aber es hat alles gepasst. Die Musik von Xavier Naidoo hat optimal zu der Stimmung gepasst. Wenn man jetzt sagt, jemand anders hört lieber ACDC oder Metallica, Hardrock oder Heavy Metal - die Musik hätte nicht zur Mannschaft gepasst. Der Großteil der Mannschaft steht einfach auf Hip Hop oder Rap.

SPOX: Sie wären eher der Hardrocker gewesen?

Nowotny: Ja.

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