WM

Tore, wir wollen Tore!

Von Florian Bogner
Geht doch: Zumindest beim Training der Argentinier finden die "Jabulanis" den Weg ins Tor
© Getty

Der erste WM-Spieltag ist durch - alle 32 Teams durften bereits einmal ran. Die Welt fragt sich: Ist Deutschland wirklich das Beste, was diese WM zu bieten hat? SPOX wirft einen Blick auf die Favoriten, stellt erste Trends und Entwicklungen fest und resümiert, welche Spieler glänzten und welche enttäuschten.

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Was machen die WM-Favoriten?

Vor der WM waren Spanien, Brasilien und Argentinien die größten Favoriten auf den Titel. Das kann nach den ersten Spielen so stehen bleiben - auch wenn Spanien gegen die Schweiz einen herben Dämpfer erhielt. Dennoch: Spielerisch war die Del-Bosque-Truppe den Schweizern deutlich überlegen und hat nach wie vor alle Chancen aufs Achtelfinale - allerdings droht dort nun ein Duell mit Brasilien.

Wer gegen wen im Achtelfinale? Hier geht's zum Tabellenrechner

Der Selecao merkte man den veränderten Spielstil unter Carlos Dunga an: Offensiv-Feuerwerk war gestern, Brasilien spielt nun klinischer, dosierter - und letztlich effizienter. Die erste Elf ist zudem in Stein gemeißelt. Ein Fragezeichen steht hinter Kaka, der nach langer Verletzungspause noch nicht fit wirkt.

Auch Argentinien glänzte gegen Nigeria nur phasenweise, wurde defensiv aber auch nicht wirklich gefordert. Das wird gegen die überraschend erfrischenden Südkoreaner anders sein. Vorne deutete Messi bereits an, was er drauf hat - traf nur leider das Tor nicht. "Unser Team hat alles, um Weltmeister zu werden. Wenn wir alle Dinge als Mannschaft gut umsetzen, wird es ganz schwer, uns zu schlagen", sagt Messi.

Neben den drei Top-Favoriten sprachen viele Experten auch von den Niederlanden, England und den beiden Evergreens Frankreich und Italien. Nur die Niederlande gewann ihr Auftaktmatch, das allerdings wenig überzeugend. Arjen Robben fehlt dem Oranje-Team in der Offensive, seine Rückkehr ist aber erst fürs Achtelfinale geplant. Das dürfte für die Niederlande jetzt schon gebucht sein.

England hingegen scheint das Selbstvertrauen der starken Qualifikation peu a peu abhanden gekommen zu sein. Diese Entwicklung gipfelte in Rob Greens Fehler gegen die USA und der folgenden Keeper-Debatte. Unverständlich, wieso Fabio Capello nicht längst ein Machtwort gesprochen und sich klar zu (s)einem Torhüter bekannt hat. Der Italiener muss sich zudem ankreiden lassen, zwei angeschlagene Spieler (James Milner und Ledley King) im Auftaktspiel verheizt zu haben.

Die T-Frage beschäftigt nun auch Italien nach dem Ausfall von Gigi Buffon. Das Remis gegen Paraguay besorgte im Weltmeisterland niemanden, der lädierte Rücken der Nummer eins schon. Federico Marchetti ist kein adäquater Ersatz und hat überhaupt keine internationale Erfahrung. Zudem fehlt Italien in Andrea Pirlo der zentrale Mann im Mittelfeld. Claudio Marchisio konnte jedenfalls keine Pluspunkte sammeln. Trainer Marcello Lippi wird weiter ausprobieren müssen.

Frankreichs 0:0 gegen Uruguay verdiente indes nur einen Namen: uninspiriert. Zwischen Mannschaft und Trainer stimmt es nicht, Kapitän Thierry Henry war zum Auftakt nur Ersatz, Raymond Domenechs Abgang ist längst beschlossen. Gegen Mexiko muss die Equipe Tricolore nun Farbe bekennen - sonst ist man wie bei der letzten EM in der K.o.-Phase nur noch Zuschauer.

Und Deutschland? Das 4:0 gegen Australien ließ sich gut an - und wurde auch von der Konkurrenz als überzeugendster Auftritt aller Teilnehmer honoriert. 530 angekommene Pässe bedeuteten deutschen WM-Rekord. In England macht man sich jetzt schon vor dem möglichen Achtelfinal-Gegner in die Hosen. Allerdings war Australien auch wirklich keine Hausnummer. Wie stark die DFB-Offensive wirklich ist, wird sich nun gegen defensivstarke Serben zeigen.

Welche Spieler haben überzeugt?

Die SPOX-Note 1 verdienten sich bislang sechs Mann: Nigeria-Keeper Enyeama brachte Argentinien fast zur Verzweiflung, Mensah war Ghanas Turm in der Schlacht gegen Serbien. Müller und Özil überragten gegen Australien, Benaglio und Grichting zogen dem Europameister den Zahn.

Aus der weitgreifenden Kategorie "vermeintliche WM-Stars" waren neben den Deutschen Lahm, Schweinsteiger und Podolski u.a. schon Forlan, J.S. Park, Messi, Lennon, Elia und Gervinho prächtig in Form (alle Note 2).

Welche Spieler enttäuschten?

Mit der SPOX-Note 6 wurden bisher Thwala, Vyntra, Green, Chaouchi, Ghezzal und Assou-Ekotto "belohnt". Thwala war im Eröffnungsspiel überfordert, Vyntra stand sinnbildlich für ein überfordertes Griechenland. Green und Chaouchi zeichneten für die bislang größten Torwart-Patzer verantwortlich. Ghezzal leistete sich einen dämlichen Platzverweis und Assou-Ekotto war gegen Japan so nervös, dass er kaum einen Ball stoppen konnte.

Aus der Kategorie "Kann mehr" gesellten sich u.a. Gourcuff, Krasic, Cahill, van der Vaart, Gilardino, Barrios, Danny, Gilberto Silva sowie die Spanier Silva, Villa und Torres dazu. Sie wurden alle mit der Note 5 benotet.

Worüber man spricht:

Grausame Tor-Quote: 25 Tore in den 16 Auftaktpartien (1,56 im Schnitt) sind Minus-Rekord bei WM-Turnieren. Nur Südkorea, Deutschland, der Niederlande und Brasilien gelang es mehr als ein Tor zu erzielen. In 10 der 16 Spiele wurden weniger als zehn Schüsse aufs Tor abgegeben. Beim Spiel Elfenbeinküste gegen Portugal mussten die Torhüter sogar nur dreimal zupacken.

Warten auf die Schlüsselspieler: Ausfälle waren schon vor der WM Thema (Ballack, Essien, Nani, Mikel, Ferdinand) und sind es auch weiterhin. Italien (Pirlo), die Niederlande (Robben), England (Barry), die Elfenbeinküste (Drogba), Argentinien (Veron), Portugal (Pepe), Chile (H. Suazo), Honduras (D. Suazo), die Slowakei (Stoch) und die Schweiz (Frei, Behrami, Senderos) warten ungeduldig auf die Rückkehr von Leistungsträgern. Für Buffon und King ist die WM wahrscheinlich sogar schon vorbei.

Taktische Innovation? WM-Turniere geben normalerweise immer Impulse für neue taktische Varianten. 2010 geben sich allerdings fast alle konservativ: 25 der 32 Teams bevorzugten die gängigen Varianten 4-4-2 (z.B. England), 4-3-3 (z.B. Mexiko) oder 4-2-3-1 (z.B. Deutschland). Aus dieser Reihe fielen u.a. Spanien (4-1-4-1) und die defensiven Nordkoreaner (5-3-1-1). Drei Teams setzten auf einer Dreier-Abwehr: Uruguay (3-2-3-2), Neuseeland (3-4-3) und Chile (3-3-1-3).

Das Ding mit dem Ball: "Jabulani" hat kaum Anhänger. Torhüter beklagen sich über die Unberechenbarkeit des Spielgeräts, laut einhelliger Meinung ist vor allem das Sprungverhalten der Kugel gewöhnungsbedürftig. Auffällig: Viele Schüsse aus der zweiten Reihe segeln meilenweit übers Tor. Tore von außerhalb des Strafraums gab es bisher nur zwei - begünstigt durch Torwartfehler. Spanien stellte mit 16 Schüssen am Tor vorbei einen neuen WM-Rekord auf.

Wo ist das Tempo? Nicht nur die Tore fehlen, auch das Spieltempo ist bisweilen viel zu gering. Neben Deutschland konnten eigentlich nur Argentinien, Südkorea und Chile, sowie phasenweise Italien und Brasilien die Geschwindigkeit hoch halten. Vielleicht auch ein Zeichen mangelnder Fitness bei den anderen?

Es gibt keine Kleinen mehr: Ob nun Neuseeland, Nordkorea oder Honduras - die Exoten hielten in den Auftaktpartien gut mit, überraschten vor allem durch taktische Disziplin. Vor allem Nordkorea hinterließ einen richtig guten Eindruck und könnte noch für weitere Überraschungen sorgen.

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