Popstar nein, Legende ja!

Von Carsten Germann
Oktober 2001: David Beckham hat England soeben in letzter Sekunde zur WM geschossen
© Getty

Bremen freut sich auf das UEFA-Cup-Duell mit dem AC Mailand (Mi., 20.30 Uhr im LIVE-TICKER) und natürlich auf David Beckham. Doch wer ist dieser David Robert Joseph Beckham wirklich? Werbe-Ikone, Popstar oder doch nur ein Fußball-Spieler, der eben etwas prominenter ist als seine Berufskollegen? Tom Watt kennt David Beckham wie kaum ein anderer. Mit SPOX sprach der 52-jährige BBC-Radiomoderator, Journalist und Schriftsteller über den wahren Becks und wie er dazukam, dessen Biographie zu schreiben.

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Das letzte große Hallo gab es kurz nach Weihnachten. Bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung in London traf David Beckham (33) seinen Freund Tom Watt (52). Der von Los Angeles Galaxy an den AC Mailand ausgeliehene Superstar und der Londoner Autor hatten sich viel zu erzählen. Schließlich haben beide schon so manchen Coup zusammen gelandet.

Ihr größtes Ding war die von Watt verfasste Beckham-Biographie "My Side" ("Mein Leben"), das erfolgreichste Fußballbuch in der Geschichte Großbritanniens. Bereits in der ersten Verkaufswoche gingen auf der Insel im Oktober 2003 mehr als 100.000 Exemplare über die Ladentische. Ein Jahr später gewann das ungleiche Duo den begehrten British Book Award.

Seit dem riesigen Erfolg von "My Side" und der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Beckham liefert Tom Watt regelmäßig Nahaufnahmen vom Flankengott. Der Radioreporter mit dem markanten Londoner Akzent begleitete die Beckhams unter anderem nach Madrid und in die USA.

Watt kennt Becks so gut wie nur wenige andere. "Wir haben ein sehr gutes, ein sehr professionelles Verhältnis", erklärt Watt gegenüber SPOX, "und ich kann nur sagen, dass David abseits vom Rummel, der um seine Person gemacht hat, den Fußball über alles liebt."

Becks und Ancelotti - das passt

In Mailand ist Beckham, der nach seinem Wechsel zu Los Angeles Galaxy in die Major League Soccer vor zwei Jahren von der Fachwelt oft belächelt wurde, regelrecht aufgeblüht. "David wird langsam unersetzlich", schwärmte Milan-Coach Carlo Ancelotti nach dem 3:0 bei Lazio Anfang Februar.

"David hat in Mailand das Glück, dass er mit Carlo Ancelotti einen Trainer hat, der ihn nicht auf dem Flügel, sondern auf seiner Lieblingsposition, im zentralen Mittelfeld, spielen lässt", erläutert Watt, "das große taktische Verständnis, das schon immer zu Davids größten Stärken gehörte, kommt ihm in der italienischen Liga besonders entgegen."

Die Idee mit dem Leihgeschäft beim AC Mailand sieht Watt auch mit Blick auf das UEFA-Cup-Duell der Rossoneri mit Werder Bremen in der Runde der letzten 32 als "extrem gute Idee" an. "Im letzten Jahr hat David in der Winterpause beim FC Arsenal trainiert und sich fit gehalten", so Tom Watt, "aber durch die Einsätze und die Spielpraxis in Mailand bleibt er jetzt im Blickfeld von Englands Nationaltrainer Fabio Capello. David ist immer noch heiß darauf, für sein Land zu spielen."

Schon allein deshalb ist Beckham so einiges an einem Verbleib in Italien über den 8. März hinaus gelegen. Becks hat Spaß in Mailand: "Ich habe frühzeitig meinen Wunsch geäußert, beim AC Mailand bleiben zu können, ich habe meine Zeit dort von Anfang an sehr genossen, aber nicht geglaubt, dass es mir so viel Spaß machen würde."

Late-Night-Talk mit Beckham

An seinen eigenen ersten Kontakt mit dem 108-fachen englischen Nationalspieler erinnert sich Watt noch sehr gut: "Es war kurz nach der Weltmeisterschaft 2002 in Asien, ein Freund, der auch David gut kannte, rief mich an und fragte, ob ich Lust zu einem Buchprojekt mit Beckham hätte und ich sagte etwas gleichgültig: Warum nicht?."

Einige Tage darauf meldete sich Beckham per Handy bei Watt. "In diesem Moment", lacht Watt, "habe ich zunächst gedacht, ich wäre bei dieser Fernsehshow mit der versteckten Kamera."

Beckham in der Leitung - Klingt fast zu unkompliziert, um wahr zu sein.

"Wir trafen uns erstmals im Spätherbst 2002 in Davids Haus", berichtet Watt, wobei mit "Haus" Beckhams riesiges Anwesen in Hertfordshire, 250 Kilometer südlich von Manchester, gemeint ist, das auch gern "Beckingham Palace." bezeichnet wird.

"Wir haben zwischen 40 und 50 Gesprächsrunden gemacht, nahmen alles auf Band auf, wir trafen uns in Hotels, bei David zuhause oder an den jeweiligen Spielorten". Oft telefonierte Watt stundenlang nachts mit Beckham.

Rüffel für Uli Hoeneß

Angesprochen auf das in der Öffentlichkeit gängige Bild vom permanent unter Beobachtung stehenden, "kickenden Popstar" David Beckham verweist Watt auf ein gravierendes Missverständnis: "Viele Leute denken, dass David keine Privatsphäre hat, aber das ist falsch. Er hat sie in seinem Zuhause und er hat sie vor allem auf dem Platz. Hier ist er am meisten er selbst."

Für Liebesgrüße, wie sie Bayern-Manager Uli Hoeneß Anfang des Jahres in Dubai an die Beckhams adressierte ("Ich bin nicht angestellt, um zu schauen, dass Frau Beckham ein großes Apartment in einem Hotel hat"), zeigt Watt kein Verständnis: "Solche Sprüche sind extrem unfair und ignorant, aber viele Leute wissen eben, dass sie automatisch in den Medien landen, wenn sie einen Kommentar über David Beckham abgeben."

Tom Watt: Geistreiches aus der Kurve

Auf die Frage, warum Beckham gerade ihn als Helfer für seine Autobiografie engagierte, zuckt Familienvater Watt nur mit den Achseln: "Das weiß nur David, aber wichtig war sicherlich, dass ich Beckham und seiner Familie von Anfang an meine vollste Diskretion zugesichert habe."

Musste er auch. Denn der Name Tom Watt steht in Großbritannien für fundierte, geistreiche und einfühlsame Berichterstattung und Erzählweise. In seinem Buch "The End"lieferte er beispielsweise eine eindrucksvolle Hommage an das Ende der Stehplatzkultur in den englischen Stadien zu Beginn der Neunzigerjahre.

Er ließ darin Spieler, Fans, Vereinsbosse und Sicherheitsexperten zu Wort kommen und vergaß natürlich auch nicht, seine Stammkurve, die legendäre "North Bank" im Highbury Stadium von Arsenal, zu würdigen.

"Bremens Fans können sich freuen"

Nach dem Wechsel zu Los Angeles Galaxy und dem Abschluss eines Fünf-Jahres-Vertrages, der Beckham bis 2013 die gigantische Summe von 190 Millionen Euro inklusive Beteiligung am Fanartikelverkauf garantiert, sieht der Insider Watt den Superstar Beckham fußballerisch wieder im Mittelpunkt.

Beckhams spielerische Qualitäten, so bemerkt er kritisch, hätten viele Fans in den letzen Jahren beinahe schon vergessen. "Wenn David mit dem AC Mailand nach Bremen kommt, können sich die Fans auch deshalb auf ihn freuen, weil er immer noch ein ambitionierter Spieler ist - und eben kein Popstar."

Bei diesem Begriff in Verbindung mit Beckham winkt Tom ohnehin ab. "Ich bin sicher, dass sich in zehn oder zwanzig Jahren niemand mehr an den 'Popstar' David Beckham erinnern wird, sondern an den Fußballer. Pop ist schnelllebig, aber der Fußball hat Platz für Legenden. Und die bleiben für immer."

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